74 Optimismus und Zuverdienst
75 Eine sinnstiftende Hand
76 Mein Traum
VORWORT
Liebe Leserinnen und Leser,
werte Fans,
nachdem ich dieses Buch ungern mit einem Satz beginnen möchte, in dem der grausame Begriff Midlife Crisis vorkommt, gehe ich es so an: Vor einiger Zeit habe ich – in einer vergleichsweise philosophischen Lebensphase, zu der ich mich durch meine mittlerweile quasi fortgeschrittenen Jahre genötigt gesehen habe – angefangen, dass ich einmal ein bisschen evaluiere, wo ich denn noch hinwill mit meinem Leben und mit meiner Karriere. Ich meine, an sich geht es mir ja gut, klar, ich habe ein hervorragendes Standing in der Branche, Konzerte in vollen Häusern etc. Aber ist es wirklich befriedigend, langfristig, ein anonymes Publikum allabendlich von oben herab zu berieseln und sich dann den Gagenkoffer zu schnappen, und pfiat eich? Wäre es nicht viel erfüllender, habe ich mich gefragt, in einen ehrlichen, offenen und menschlichen Dialog mit meinen Fans einzutreten? Was treibt sie an? Was bewegt sie? Was erwarten sie vom Leben? Was essen sie als Beilage? Ein halbes Bier später (in Kisten gerechnet) habe ich dann in einem sogenannten sozialen Medium, von dem ich weiß, dass viele von meinen Bewunderinnen und Bewunderern dort sinn- und hirnlos ihre Lebenszeit verplempern, folgenden Aufruf lanciert:
Passts auf, ich hab mir etwas überlegt: Ihr stellts mir eine Frage, was ihr schon immer über mich oder über euch oder über die Welt wissen wolltets & ich beantworte sie euch. Einfach Frage mit Namen & Wohnort an [email protected]. Geht schon!
Ich habe nicht geahnt, was ich damit für eine Lawine quasi lostrete. Zwei ganze Jahre lang sind die Fragen nicht abgerissen.
Die Antworten natürlich auch nicht.
1
Routinen
David Priglinger-S. aus Wien 15 schreibt: „Haben Sie, Herr Austrofred, eine morgendliche Routine?“
Lieber David,
wie jeder Künstler habe ich natürlich einen sehr straffen Zeitplan und fixe Routinen, anders wäre mein Beruf gar nicht möglich auf diesem Level, weil gerade in der Früh ist ja die kreative Energie besonders hoch und das muss man kanalisieren. Mein Autorenkollege Thomas Mann zum Beispiel hat jeden Tag von neun bis zwölf geschrieben, egal was, der war da beinhart. Wenn da ein Spezl gekommen ist und gesagt hat, geh Thomas, heute ist so ein schöner Wintertag, gehen wir Eisstockschießen, hat der Thomas Mann gesagt, nix da, geschrieben muss werden, komm um zwölf wieder. Wenn dann um zwölf der Spezl wiedergekommen ist, dann hat er sich den Wintermantel angezogen, auch wenn seine Frau (die Katja) natürlich gesagt hat, heast, jetzt gehst du Eisstockschießen, grad wo die Suppe auf den Tisch kommt! Aber beim Essen war der Thomas Mann halt nicht so genau wie beim Schreiben, er war ja auch ein Schriftsteller und kein Koch. Seine Frau war ihm auch gar nicht böse deswegen, weil erstens hat sie ja sein künstlerisches Naturell geschätzt – das war ja ein Teil seiner Attraktivität, wenn nicht sogar hundert Prozent davon – und zweitens hat sie die Suppe eh nicht selber gekocht, weil natürlich haben solche wie die Manns bzw. Männer zur damaligen Zeit ein Dienstmädchen gehabt.
Meine eigene Routine schaut so aus, dass ich zwischen zehn und zwölf aufstehe – je nachdem ob ich am Vortag einen Gig gehabt habe bzw. wie es mich freut –, dann trinke ich im Bett einen Kaffee oder ein Reparaturseiterl – je nachdem ob ich am Vortag einen Gig gehabt habe bzw. wie es mich freut – und mache ein bisschen Korrespondenz. Nach einem kurzen Nickerchen gehe ich dann frisch an die kreative Arbeit und um eins zum Wirten. Um drei schaue ich ins Austrofred-Kompetenzzentrum, checke, was meine Mitarbeiter an diesem Tag geleistet haben, verteile Lob, Verbesserungsvorschläge und Überstunden, und dann ist es meistens eh schon Zeit, dass ich zu meinem nächsten Auftritt fahre. Wenn ich ausnahmsweise keinen Auftritt habe, gehe ich zum Beispiel gerne Kegelscheiben.
Blöd ist es, wenn ich einen Auftritt weiter weg habe, weil dann muss ich schon früher los und die ganze Routine im Auto oder im Speisewagen absolvieren. Geht aber auch, weil klarerweise habe ich mittlerweile eine gewisse Routine bei meiner Routine.
2
Die fitten Jahre sind vorbei
Hans-Jorgen schreibt: „Herr Austrofred, wie bleibt man so jung, gutaussehend und gleichzeitig erfolgreich wie Sie?!“
Lieber Hans-Jorgen,
Erfolg und gutes Aussehen basieren meiner persönlichen Erfahrung nach auf ein bisschen Talent, auf Fleiß, auf einem gesunden Selbstvertrauen und viel Positive Thinking. Weil ich sage immer, ein Star bist du in erster Linie mental, im Kopf. Und die ganz hohe Kunst ist natürlich – wie ich sinngemäß und richtig aus deiner Frage heraushöre –, langfristig erfolgreich zu bleiben, constantly on the top, wie der Ami sagt.
Dazu muss ich sagen, dass ich als Entertainer ja einen krisensicheren Beruf habe, weil unterhalten werden wollen die Leute immer.* Im Prinzip ist das einzige Risiko, das du in diesem Job hast, dass du deine Stimme verlierst oder dass du so blad oder so huschi wirst, dass die Leute sagen, das ist nicht mehr unser Austrofred, dafür zahle ich keinen Eintritt mehr. Aber auch solche Alters- und Verschleißerscheinungen sind heute kein Drama mehr. Vor kurzem war ich backstage im Happel-Stadion, wie die Madonna gespielt hat, und ich darf dir verraten: Alles, was du bei einem Madonna-Konzert auf der Großbildleinwand siehst, wird live im Schnittraum gephotoshopt. Was da abrennt, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Die Madonna hat für eine jede einzelne Krampfader einen eigenen Computergrafiker sitzen!
Aber so ist das halt: Der Körper lässt mit der Zeit nach, das ist eine biologische Unausweichlichkeit. Ich habe einmal gelesen, dass ein zwanzigjähriger Profi-Fußballer nach einem wichtigen Spiel einen Tag braucht, bis er wieder regeneriert ist. Ein dreißigjähriger Fußballer braucht zwei Tage. Ein vierzigjähriger kann stempeln gehen.
Meine eigene Problemzone – und nach Jahren der Selbstverleugnung kann ich heute dazu stehen – ist das Deckhaar, und die beinharte Wahrheit dazu lautet: Es wird weniger. Mittlerweile habe ich aber einen recht tiefenentspannten Umgang damit, indem ich mir angewöhnt habe, dass ich mich von jedem Haar, das mir ausfällt, mit einem kleinen Ritual verabschiede. Das dauert zwar relativ lang, weil der ausgewachsene Mensch hat ja um die hunderttausend Haare am Kopf, aber seelisch tut mir diese tägliche oder sogar stündliche Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen sehr gut.
Als Freddie-Mercury-Interpret habe ich ja das Glück, dass mein Vorbild schon im Alter von nur 45 Jahren von uns gegangen ist, da bin ich schon drüber. Soll heißen: Das Pflichtprogramm habe ich grandios absolviert, und jetzt stellt sich die Frage, wie der Freddie Mercury hätte sein können, wenn er älter geworden wäre. Und da ist halt meine Interpretation, dass er eine Glatze gekriegt hätte. Wieso auch nicht? Eine Glatze hat ja durchaus ihre Vorteile. Wenn du zum Beispiel eine Schädelverletzung hast, dann verpicken dir keine unhygienischen Haare die Wunde und die Sanitäter können sofort mit der Erstversorgung anfangen. Wertvolle Sekunden, die zwischen Leben und Tod entscheiden können! Auch ein Zeckenbiss bleibt nicht so leicht unentdeckt. Und im Übrigen ist es ja nicht so, dass ein Mann ohne Haare nichts mehr zu bieten hätte, optisch, und da rede ich jetzt auch vom vielgeschmähten Maurer-Dekolleté, mit dem sich, subtil in Szene gesetzt, durchaus Erfolge erzielen lassen.
Aber vielleicht mache ich es ja auch wie ein anderes meiner Vorbilder, wie der große St. Florianer Sänger Waterloo nämlich, der sich einen Strauß Eigenhaar vom Steißbereich auf den Kopf verpflanzen hat lassen, woraufhin seine Karriere gleich wieder ordentlich Fahrt aufgenommen hat. Schon in den ersten