Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Timothy White
Издательство: Bookwire
Серия: Rockgeschichte
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454656
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die weniger körperliche Anstrengung verlange (auch wenn sie weniger Ansehen biete) als die gegenwärtige. Er sei von seiner Familie verstoßen worden, und deswegen könne er kaum sich selbst ernähren, geschweige denn Frau und Kind. Er werde ihre Verbindung rechtmäßig machen um des Kindes willen und dann fortgehen.

      Das Gelöbnis wurde in Yayas Haus ausgesprochen, und Ivy, eine von Ciddys Schwestern, war die Brautjungfer. Hubert Davis, ein enger Freund und Nachbar von Omeriah, war der Trauzeuge. Ciddy trug ein einfaches weißes Kleid mit dreiviertellangen Ärmeln, das Ivy genäht hatte. Der Captain trug einen dunklen Anzug. Nachher saß die Hochzeitsgesellschaft mit ein paar engen Freunden beisammen, man unterhielt sich ruhig, trank ein wenig Punsch und brach sich Stückchen von dem langen und breiten Laib Brot ab. Norval hatte sich gegen einen kunstvoll verzierten Hochzeitskuchen gewehrt. Es war einen Monat vor Ciddys neunzehntem Geburtstag.

      Am nächsten Morgen ritt er auf seinem Pferd davon, beklagte sich über Rückenschmerzen und versprach, jedes Wochenende bis zur Geburt des Kindes wiederzukommen. Aber im Verlauf von Ciddys Schwangerschaft machte er nur zwei kurze Besuche. Nach Nestas Geburt schrieb Ciddy an Norval, und er nahm sich eine Woche frei von seiner neuen Arbeit als Vormann bei einem Brückenbauprojekt in Kingston, um seinen Sohn zu sehen. Danach wurden einige wenige Briefe ausgetauscht, und schließlich kam keine Nachricht mehr von Norval. Ciddys Briefe an ihn kamen ungeöffnet zurück. Ihr Mann war fortgezogen, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Ciddy wusste nur, dass er einmal erwähnt hatte, seine Mutter heiße Edith.

      Mit gebrochenem Herzen suchte sie Rat bei Omeriah, der ihr sagte, sie möge ihren Kummer vergessen und aus ihrer Unbedachtheit lernen. In erster Linie sei sie ihrem Sohn verantwortlich, verkündete er, nicht ihrem Mann, und er riet ihr, sich daranzumachen, für sie beide ein anständiges Leben im Distrikt aufzubauen. Er half ihr, in Alva einen kleinen Lebensmittelladen einzurichten, in dem sie verkaufte, was auf seinen Feldern und ihrem kleinen Stück Land angebaut wurde. Ihre Schwester Enid kümmerte sich um Nesta. Enids Sohn Slegger und Nesta wuchsen auf wie Brüder. Der Rest des Clans half mit, und alle schienen ihren Jungen zu lieben. Omeriah gab sich nicht die geringste Mühe zu verhehlen, dass Nesta sein Liebling war, und Ciddy bedauerte sehr, dass David, der beste Helfer ihres Vaters auf den Feldern, 1945 nach Maryland gezogen war, um bei der War Food Administration zu arbeiten. Fleißig war er, eine Frohnatur und optimistisch – wenn auch ein wenig ruhelos –, das ideale Vorbild für Nesta, und wenn er zu Besuch war, dann wollte der Junge auch nicht von seiner Seite weichen.

      »Cho!«, rief Ciddy nochmals mit gespieltem Zorn, als David mit dem Fahrrad vor ihr anhielt. »Where ya tek me pickney? Nesta! Where ya uncle tek ya seh?« (»Wo hast du meinen Kleinen hingebracht? Nesta! Sag, wo hat dein Onkel dich hingebracht?«) Über Davids breite Schultern linsend, gab er seiner Mutter eingeschüchtert Antwort, aber der Ausdruck in seinen tiefen schwarzbraunen Augen bestürzte sie. Wenn der Junge sie unverwandt ansah, wurde sie immer ein bisschen unruhig und verschreckt. Es war eine Intelligenz in seinen Augen, die sein zartes Alter Lügen strafte. Der Junge hatte sich an seinem vierten Geburtstag als schon so weit entwickelt erwiesen, dass Ciddy ihn fast ein Jahr früher als normal in der Stepney School angemeldet hatte. Miss Isaacs, die Lehrerin, hatte ihr bestätigt, dass es richtig gewesen war, und bemerkt, dass Nesta schon so klug sei wie ein doppelt so altes Kind. Aber als seine Mutter fühlte sie sich am wohlsten in ihrer Rolle, wenn sie es vermied, Nestas kühlen Blick zu erwidern. Darin lag mehr als nur die Frühreife eines Schuljungen.

      »Vater, ich glaub’, der Junge hat das Feuer eines Priesters in seinem Blick«, hatte sie vor ein paar Monaten abends aufgeregt zu Omeriah gesagt, weil sie wissen musste, ob es auch schon jemand anderem bei ihrem Sohn aufgefallen war. »Etwas Männliches und Bedrohliches (›bullyrige‹), und das macht mir manchmal ein bisschen Angst.«

      Ihr Vater hatte sie streng und forschend angesehen und dann, zu ihrer Überraschung, genickt. »Fe true«, murmelte er, »das stimmt, und vielleicht, Gott sei gepriesen, hält es Bullbucker, Bugaboo und Old Hige von ihm fern«, fügte er hinzu und meinte damit die normalen Schinder und Quälgeister, Kobolde und Hexenweiber. (Old Higes sind alte Weiber, die des Nachts aus ihrer faltigen Haut schlüpfen, sich in Feuerbälle verwandeln und schlafenden Kindern das Blut aussaugen.)

      »Ist das Kind gehorsam?», fragte er herrisch, aber auch rhetorisch, denn er wusste sehr wohl, dass Nesta eher zu Augenblicken rätselhaften Schweigens oder unerklärlichen Stimmungen neigte denn zur Unart. Er wollte die Spannung lösen, doch Ciddy merkte es nicht.

      »Oh, yes, Sah. Er und Slegger helfen mir sehr und benehmen sich gut. Aber Nesta macht sich oft allein auf den Weg in den Wald. Und wenn ich ihm dann nachgehe und ihn finde, dann sitzt er einfach da, tut nichts, sondern denkt nur nach. Und wenn ich frage, was er gemacht hat, dann lächelt er nur so ›blue-swee‹.«

      Omeriah sträubten sich die Haare beim dem Wort. ›Blue-swee‹ bedeutete listig, schwer zu fangen, ausweichend. Mit diesem Wort beschrieb man normalerweise einen Scharlatan, einen Obeahman oder Anancy, die trickreiche Spinne aus der afrikanischen Legende.

      »Gib acht, was du sagst, min’ yar tongue, Ciddy«, ermahnte er sie streng. »Kein Mann will eine unverschämte Frau, und kein Kind kann eine törichte Mutter gebrauchen. Ich will nichts hören von ›horse dead an’ cow fat‹ (unwichtige Einzelheiten). Sei du ein gutes Beispiel für den Jungen, an’ get a blessin’ from Gawd. Wie der Ast gebeugt wird, so neigt sich der Baum.«

      Fe true, dachte sie jetzt und betrachtete den Jungen, wie er sich friedlich an Davids Rücken lehnte und schläfrig an seinem Daumen nuckelte. Gott wusste sicher, wie sehr sie das Kind liebte. So spindeldünn, so schüchtern und so lieb, niemals ›kass-kass‹ (Widerworte) auf den Lippen und nicht streitsüchtig. Er füttert die Hühner, lernt, wie man das Feld bestellt, achtet das Alter. Und er spielt so schön mit Slegger – die Jungen bauen zusammen Burgen unter den Kokospalmen und den Jackbäumen oder tun so, als seien sie die Männer von Captain Bligh und brächten auf dem großartigen Schiff ›Providence‹ Rum und Schätze und ›otaheiti‹ (malaiischen Apfel) nach Jamaika, oder sie hören Omeriahs Geschichten zu und stellen sich vor, sie seien westafrikanische Könige. Und reitet nicht Nesta manchmal auf Nimble, seinem Lieblingsesel, nach Smith, um den Arbeitern auf dem Feld kleine Erfrischungen von Yaya zu bringen?

      Fe true, fe true, seufzte sie bei sich, und ein ›kin teet‹ (Lächeln) war auf ihren Lippen, als sie sich vorbeugte, um den kleinen Kopf des Jungen zu küssen. Dann nahm sie ihn auf den Arm.

      »Well, I mus’ say dat yuh are in dem ackee«, schalt sie David kichernd. Sie meinte damit, dass David wohlgenährt und zufrieden wirkte, d. h. ausreichend versorgt mit Ackee, der westafrikanischen Frucht, die Jamaikas Hauptnahrungsmittel ist.

      David rieb sich den ausladenden Bauch und lachte schnaufend. Er berichtete seiner Schwester, dass es ihm gutgegangen sei in Maryland und dass er daher auch das reichhaltige amerikanische Essen in Mengen genossen habe, aber es sei so schön, wieder einmal etwas Hausgemachtes frisch von Omeriahs Feldern zu essen. Sein Besuch traf mit dem Ende einer Ernte zusammen, und am Abend sollte ein Fest stattfinden, und man wollte die gute Maisernte feiern.

      Es war Brauch, dass alle Mitglieder des Clans auf Omeriahs und Yayas Feldern arbeiteten, und seit sie fünf Jahre alt war, hatte Ciddy ihre Pflicht getan, war manchmal nur drei Tage in der Woche zur Schule gegangen und hatte den Rest der Zeit damit verbracht, gemeinsam mit den anderen zu roden und das alte ›top ’n lop‹ zu verbrennen, zu pflügen, zu eggen, zu düngen, zu pflanzen, Unkraut zu jäten, zu ernten. Es war ein ermüdender, aber doch auch freudebringender Kreislauf, und der Lehmgeruch der weichen Erde und die Begeisterung, die langsam stieg, je mehr die Saat voranschritt, gaben denen, die mitarbeiteten, ein aufregendes Gefühl, eins zu sein mit dem Land, seiner farbenprächtigen Erde und den Bewohnern.

      Manchmal war die Arbeit öde und monoton, besonders wenn jeder dabei für sich allein blieb. Aber Ciddys Laune besserte sich, wenn die Männer einen von ihren ›diggin’ songs‹ anstimmten und ihn im Chor sangen wie die Soldaten auf dem Marsch, während ihre Hacken fielen, um den Erdboden zu lockern für Mais, Gungu-Erbsen, Maniok, CalJaloo oder um Hunderte von gut dreißig Zentimeter hohen Erdhaufen aufzuwerfen, die ›yam-hills‹ hießen und in denen die Wurzeln der Knollenfrucht neu eingepflanzt wurden. Die Rumflasche ging herum, und dann stimmte ein Mann das Lied an, rief eine