Die Status Quo Autobiografie. Francis Rossi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Francis Rossi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453666
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war, wie viele Eistüten sie an dem Tag verkauft hatten. Hatten sie vielleicht den Rekord gebrochen? Ob es ein guter oder ein schlechter Tag gewesen war, bekamen wir dadurch mit, dass wir erfuhren, wie viele Eiswaffeln sie über die Theke gereicht hatten.

      Ich liebe bis heute diese Idee mit dem Umsatz – den Verkaufserfolg nach der Stückzahl zu bemessen. Aber wiederum nicht wegen des Geldes, das dabei im Spiel ist, sondern weil es für mich immer noch das maßgebliche Barometer dafür ist, ob eine Platte oder eine Tour erfolgreich war oder nicht; einfach dadurch, dass ich mir anschaue, wie viele Platten oder Konzerttickets wir im Vergleich zu vorher verkauft haben. Dennoch gebe ich offen zu, dass ich im Musikgeschäft immer etwas gesehen habe, womit sich Geld verdienen lässt. Entweder das oder Eis verkaufen – in meinem Fall traf das auch buchstäblich zu. Wäre ich Peter Pan gewesen und mein Leben lang ein kleiner Junge geblieben, hätte ich mich für das Eis entschieden. Aber ich wuchs schnell zu einem großen Jungen heran und stellte rasch fest, dass ich mir für mein Leben mehr Aufregung wünschte.

      Meine Mutter brüstete sich gerne damit und erzählte jedem, ich hätte mein musikalisches Talent von ihr geerbt. Aber als sie vor einigen Jahren starb und ich wieder mehr Kontakt zu meinem Vater hatte, fiel mir auf, dass dies nicht unbedingt zutraf. Mein Vater schaute mal bei mir vorbei und ich spielte ihm „Still The One“ von Shania Twain vor – einen wunderschönen Song, bei dem ich immer Gänsehaut bekomme. Sobald das Stück losging, geriet der gesamte Körper meines Vaters in Rotation, was mir auch immer passiert, wenn ich Musik höre, die mir wirklich gefällt. Er reagierte sehr euphorisch und fing an, sich in seinem Stuhl zu winden. Und ich dachte: Aha, daher hab’ ich es also.

      Die ersten Songs, die mir gefallen haben und an die ich mich bewusst erinnern kann, waren von den LPs, die meine Eltern zu Hause spielten. Das erste Musikstück, auf das ich total abfuhr, war ein altes italienisches Lied. Es hieß „Papa Piccolino“. Meine Mutter hatte es mal für mich aufgelegt, als sie versuchte, mich zu besänftigen, nachdem ich ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen war. Ich war nicht schlimm verletzt, nur ein wenig unter Schock und verstört, aber sie legte diese „Papa Piccolino“-Platte auf und ich verliebte mich auf Anhieb in den Song. Nicht nur in den Song, sondern in den ganzen Wirbel, den meine Mutter wegen mir veranstaltete. Ich habe das alles so sehr genossen, dass ich mich am nächsten Tag gleich noch einmal die Treppe runterfallen ließ, damit meine Mum noch einmal „Papa Piccolino“ für mich spielte und wieder diesen Zauber veranstaltete. Am Tag darauf probierte ich es erneut, doch diesmal kam sie mir auf die Schliche und drohte, sie würde mir die Platte über den Schädel hauen, wenn ich das noch einmal machte.

      Wie viel ich von dieser alten italienischen Musik, die bei uns zu Hause lief, in mich aufsog, bemerkte ich damals nicht, während ich auf die Aufmerksamkeit meiner Mutter hoffte. Jahrelang habe ich mich gewundert, woher diese Faszination für den Shuffle-Rhythmus kam – ob es nun die vom Blues abgeleitete Art war, auf die sich Bands wie Fleetwood Mac und Chicken Shack spezialisiert hatten, oder die Art von Shuffle, wie man sie ziemlich oft in der Country-Musik findet. Woher es auch gekommen sein mag, ich hatte immer eine totale Schwäche für diesen eindringlichen, schaufelnden Beat. Wenn man sich die klassischen Status-Quo-Songs anhöt, die ich geschrieben habe, findet man genau den. Er ist unser musikalisches Markenzeichen geworden, bis zu dem Punkt, dass selbst Ricks bekannteste Songs wie zum Beispiel „Whatever You Want“ eben diesen Shuffle-Rhythmus aufweisen.

      Erst Mitte der Siebziger, als ich den ersten Teil von Coppolas Trilogie Der Pate sah und mir bei der Hochzeitsszene am Anfang auffiel, wie im Hintergrund diese alte italienische Traditionsband sägte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, woher alles kam – von diesem schaufelnden italienischen Rhythmus, den ich die ganze Zeit gehört hatte. Wenn ich heute zurückblicke, dann erscheint es mir offensichtlich, dass ich davon beeinflusst wurde. Aber ich habe lange gebraucht, bis mir das wirklich klar wurde – möglicherweise, weil ich immer so stark damit beschäftigt war, meine italienische Seite komplett zu leugnen. Dass ich genau damit einmal mein Glück machen würde, konnte ja nun wirklich keiner ahnen.

      Das erste Instrument, auf dem ich herumhantierte, war eine Mundharmonika; damals war ich vier. Mit fünf bekam ich ein kleines Hohner-Mignon-Akkordeon, auf dem ich auch ein paar Unterrichtsstunden absolvierte. Der Unterricht fand bei uns im Wohnzimmer statt, und so konnte ich die ganze Zeit meinen Bruder und seine Kameraden durch die Balkontür draußen im Garten spielen sehen. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren und schmiss den Unterricht schon bald.

      Ich war neun, als ich meine erste Gitarre bekam. Ich hatte es doch tatsächlich geschafft, der Mundharmonika und dem Akkordeon ein paar melodische Töne zu entlocken, und nun wollte ich die Sache weiter vorantreiben. Ich hatte die glorreiche Idee, ein Gitarrenduo mit meinem Bruder zu gründen, denn ich war verrückt nach den Everly Brothers. Von ihnen lernte ich, ein ganzes Stück durchzuhalten, ohne einen falschen Ton zu singen. Das muss wohl der Grund gewesen sein, warum ich nie ein verstärktes Interesse an der Leadgitarre entwickelt habe – obwohl es bei Status Quo immer meine hauptsächliche Aufgabe war. Singen und dabei ein bisschen auf der Gitarre schrammeln, das war so einfach, aber auf wundersame Weise effektiv.

      Bei der nächsten Teestunde unterbreitete ich Dominic meinen Plan, wie wir die Welt erobern konnten, und fragte ihn, was er dazu meinte. Zu meiner Erleichterung sagte er, dass er das für eine großartige Idee hielt, und so wünschten wir uns in jenem Jahr zu Weihnachten von unseren Eltern Gitarren. Als sie zugestimmt hatten, dachte ich, ja, jetzt kann uns nichts mehr in die Quere kommen! Dann änderte Dominic im letzten Moment seine Meinung und wünschte sich stattdessen eine Eisenbahn. Ich hätte ihn umbringen können! Was ich auch gemacht hätte, wenn meine Mutter nicht gewesen wäre. Denn mein Traum von uns als den neuen Everly Brothers war damit mit einem Schlag geplatzt. (Ein paar Jahre später rächte ich mich aber, indem ich mir von ihm die Eisenbahn auslieh – und sie kurzerhand verkaufte.)

      Mein Dad meinte, ich solle den Kopf nicht hängen lassen – immerhin hätte ich ja jetzt eine Gitarre. Und so klimperte ich eine Weile für mich alleine darauf herum, bis sie mich nach Lewisham brachten, wo es einen Laden namens Len Styles Music gab, der nicht nur Instrumente verkaufte, sondern auch Gitarrenunterricht anbot. Len Styles Music war der angesagte Laden am Ort für angehende Musiker, und so knüpfte ich große Erwartungen daran, was ich da lernen konnte. Stattdessen entpuppte sich das Ganze aber als die reinste Farce. Das einzige Mal, als ich dort war, sah mich der Typ, der den Unterricht gab, an und sagte: „Was willst du denn gerne lernen, Junge – Foxtrott oder Walzer?“ „Junge“ – so nannten einen die Sportlehrer. Damit wurden gleich zu Anfang die völlig falschen Signale gesendet. Und ich hatte auch null Interesse daran, irgendwelche Foxtrotts oder Walzer zu lernen. Ich erwiderte: „Nun, ich würde gerne ein paar Stücke von den Everly Brothers lernen und all so was.“ Er stierte mich nur an und meinte: „Diesen Kram machen wir hier nicht, Junge!“ Ich stand auf, ging zur Tür raus und schwor mir: da gehst du nie wieder hin. Damit endete meine Musikerziehung.

      Danach erschien es mir lange Zeit so, als sei schon allein der Versuch, etwas zu lernen, dem „Establishment“ zuzuordnen. Als ich erst einmal meine erste Band gegründet hatte, war an Üben gar nicht mehr zu denken. Sobald der Gig vorbei war, stellte ich die Gitarre wieder in die Ecke, irgendwohin, wo ich sie erst gar nicht sah, bis ich sie für den nächsten Auftritt wieder zur Hand nahm. Und das alles nur, weil ich enttäuscht worden war, als ich zum ersten Mal ernsthaft Interesse gezeigt hatte, etwas zu lernen. Was echt traurig war. Heute will ich andauernd etwas dazu lernen, doch diese erste schlechte Erfahrung hatte mich auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte blockiert. Allerdings konnte sie nicht verhindern, dass ich trotzdem ein professioneller Musiker wurde, weil ich das schon vorher beschlossen hatte. Aber ich frage mich, wie vielen Kindern, die in all den Jahren dort hingegangen sind, man total die Freude genommen hat, überhaupt ein Instrument zu lernen.

      Das ist ein großer Fehler, den wir aber auch heute noch machen. Sobald ein Kind Interesse an Musik bekundet – wodurch auch immer der Funke übergesprungen sein mag, egal ob durch Britney oder Beethoven – sagen Eltern oft: „Oh, bleib uns damit vom Leib.“ Denn sie können darin keinen direkten Nutzen erkennen. Sie sehen darin keinen Job, der ihnen in Aussicht gestellt wird. Wenn die Eltern sich nicht selbst für Musik oder Kunst interessieren, ermutigen die wenigsten ihre Kinder, überhaupt etwas über Musik erfahren zu wollen. Oder wenn sie es doch tun, dann wollen sie, dass die Sprösslinge „ernste“