Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Fogerty
Издательство: Bookwire
Серия: Musiker-Biographie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456001
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Ich dachte bloß, dass meine Stunde bald schon kommen würde. Sie kam schließlich wenige Tage später, als mich meine Mutter mit meinem Fehlverhalten konfrontierte. Sie war von der Schule angerufen worden, und letzten Endes wurde ich mit einem richtig schlechten Zeugnis abgestraft, da ich so viel Unterricht versäumt hatte. Vier „Fünfen“ und eine „Vier minus“.

      Also steckte ich so richtig – Länge mal Breite – in der Tinte. Ich musste den Sommer lang lernen und den Stoff nachholen. Dieselbe Prozedur musste ich sogar noch ein zweites Mal erdulden. Es war meine letzte Chance, wenn ich zusammen mit meinen Klassenkameraden abschließen wollte. Kinder werden sich der Konsequenzen selten bewusst, bis es zu spät ist. Damals fand der Sommerkurs an der Richmond High – also nicht einmal an meiner eigenen Schule – statt. Aber immerhin unterrichtete dort Mrs. Starck, meine Musiklehrerin aus der Portola Junior High! So wurde der Sommerkurs anstelle einer Bestrafung zu einer Art Offenbarung, und es war absolut großartig, daran teilnehmen zu können!

      Außerdem gab es da noch dieses Mädchen. Ich erfuhr nie ihren richtigen Namen, doch alle nannten sie Plookie. Sie war ein etwas stabiler gebautes schwarzes Mädchen, und Mrs. Starck erlaubte ihr, den Unterricht mit Musik zu bereichern. Plookie spielte eine Gitarre von Supro über einen Verstärker mit Vibrato, ebenfalls von Supro. Irgendjemand begleitete sie am Tamburin. Plookie und ein paar ihrer Freunde trugen ein paar Gospel-Songs vor, und es war unbeschreiblich gut. Sie mag vielleicht bloß einen oder zwei Akkorde mehr als ich gekannt haben, aber es hatte auch einfach mit ihrer Haltung zu tun.

      Sie spielte die Musik, die ich mir im Radio anhörte, aber ich kannte niemanden, der selbst so etwas machte. Wenn ich Sachen wie die Staple Singers hörte und versuchte, selbst so etwas zu spielen, klang es sofort nach den Ventures. Plookie wusste jedoch, wie der Hase lief, und hatte diesen Sound drauf. Sie war einfach umwerfend. Absolut fantastisch. Und sie war in meinem Alter! Das öffnete mir echt die Augen.

      Dies war nicht irgendeine Fantasie, der ich in meinem kleinen Schlafgemach nachhing, sondern absolut greifbar und geschah direkt vor meinen Augen. Ich wurde dadurch in eine Richtung gelenkt, die weder für etwas Verbotenes stand noch zu gefährlich für meine Mom war. Auch war es nicht etwa peinlich, sich damit zu befassen. Vielmehr dachte ich mir: Das ist es, was mich anspricht. Genau das möchte ich machen. Plookie nahm sich netterweise die Zeit, mir zu zeigen, wie sie das mit dem Vibrato hinbekam und was sie mit ihrem coolem Amp noch so anstellte. Mein kleiner Verstärker hatte ja bloß fünf Watt; ihrer war sicher doppelt so groß. Ich legte mir in Folge auch eine Gitarre von Supro zu ‒ zuerst das Ozark-Modell und dann eine formidable Res-O-Glas aus dem Sears-Katalog. Die Ozark blieb jahrelang meine bevorzugte Gitarre. Ich schaffte mir Gitarren mit kurzen Hälsen an, da ich meine Hände für klein hielt. So fiel mir etwa auf, dass ich die Saiten nur dann richtig dehnen konnte, wenn ich meine Supro mit einer geringeren Stärke bespannte.

      Das mit den dünnen Saiten fing an, als sich die Blue Velvets gemeinsam mit Tom in einem kleinen Fotostudio in Oakland fotografieren lassen wollten. Es waren stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Bilder; wir trugen alle schwarze Anzüge. Bei dieser Fotosession stand auch eine Stratocaster herum. Sie hatten diese Sunburst-Optik und war sehr, nun ja, kurvig.

      Was mir aber auffiel, war, dass die Saiten dünn, leichtgewichtig und sehr dehnbar waren. Fast wie Gummibänder! Ich hob das Ding hoch und sagte: „Wow, was geht denn hier ab?“ Damals benutzte ich Saiten von Black Diamond, die, wenn sie normal aufgezogen wurden, ziemlich streng und starr waren. Als ich diese Strat in Händen hielt, dachte ich mir: Wie bekomme ich das bloß so hin?

      Also ging ich zu Louis Gordon Music und kaufte mir zusätzlich zu meinem üblichen Saitensatz noch eine hohe E-Saite. Ich spannte die erste E-Saite auf ihrer normalen Position ein. Dann nahm ich mir die andere hohe E-Saite und zog sie eine Position darüber ein. Somit befanden sich schließlich alle Saiten tiefer als vom Hersteller vorgesehen, wodurch sich eine leichtere Saitenstärke ergab.

      Später fand ich heraus, dass James Burton es auch so machte. Allerdings verwendete er eine Banjo-Saite. Mir fehlte das Grundwissen für diese Vorgehensweise, doch ich hatte das Glück, diese Stratocaster in die Hände zu bekommen. So entwickelte ich durch Zufall eine Vorliebe für Saiten, die sich fast nach Belieben dehnen lassen – etwas, das wesentlich für meine Spieltechnik werden sollte.

      Zu jener Zeit, als wir mit James ins Studio gingen, traten wir wie gesagt eben auch immer wieder als Toms Begleitband in Erscheinung. Als ich in der neunten oder zehnten Klasse war, begaben wir uns mit ihm erneut in irgendein improvisiertes Studio, das sich in der Nähe von Vallejo befand. Tom sang, und die Blue Velvets unterstützen ihn instrumental. Es gab aber irgendeine technische Panne mit dem Equipment, weshalb wir eine Pause einlegten. Ich sah, wie der Studiobesitzer mit einem Schraubenschlüssel versuchte, das Aufnahmegerät wieder in Gang zu bekommen. Das war schon witzig.

      Ich weiß nicht, wohin sich Tom verzog, aber Stu machte sich gemeinsam mit Doug auf den Weg, um Kippen zu kaufen.

      „John, kommst du mit?“, fragte er mich.

      „Nein, ich bleibe hier.“

      „Warum?“

      „Weil ich vielleicht etwas lernen kann.“ Wie oft kam ich denn schon in ein Aufnahmestudio?

      Ich beobachtete also diesen Kerl mit all seinen Drähten. Er sagte: „Weißt du, wenn du Zeug aufnimmst, musst du dir immer merken: Es ist wie mit einem Glas Wasser.“

      „Häh?“

      „Ihr Jungs macht all diesen Lärm, aber ihr dürft auch den Sänger nicht außer Acht lassen.“

      „Yeah, okay.“

      „Und dann kommt auch noch die Leadgitarre.“

      „Yeah. Meinen Sie, wie ‚Ist das Glas halb leer oder halb voll?‘“

      „Nein, nein, nein. Ihr habt ein Glas mit Wasser – das ist eure Platte, das, was ihr auf Band aufnehmen wollt. Ihr dürft nicht vergessen, dass ihr ein Glas nur bis zu einem gewissen Grad mit Wasser füllen könnt, denn sonst läuft es über. Eine Verschwendung, eine Sauerei. Hässlich. Wenn ihr also noch etwas darüberlegen wollt – wie etwa Gesang –, dann müssen die anderen Dinge etwas reduziert werden, damit nichts überläuft.“

      Analoges Tonband liefert einen wunderbar vollen Sound. Das bestätigen alte Blues-Scheiben, Bo Diddley und Chess Records, der Rock ’n’ Roll in seiner Hochblüte oder auch Manfred Manns „Do Wah Diddy Diddy“. Wenn alles ideal eingestellt ist, erwacht Rock ’n’ Roll zum Leben. Ein großartiger Studiotechniker weiß, wie er zu diesem Ziel gelangt. Wir halten nicht an, wo der rote Bereich beginnt – das ist der Heilige Gral.

      In der digitalen Welt ist dies nicht möglich. Man zieht davor den Schwanz ein. Der rote Bereich ist tabu. Frei nach diesem weisen alten Studio-Typen: „Das Glas läuft über, und das ist hässlich.“ Digitales Krachen ist jedenfalls kein sehr schöner Sound.

      Was mir dieser Typ an jenem Tag beibrachte, sollte ich mein Leben lang nicht mehr vergessen. Als die Jungs schließlich wieder eintrudelten, kicherten sie unbedarft: „Und, hast du irgendetwas gelernt?“ Später versuchte ich sie einzuweihen. Sie lachten bloß. Meine Bandkollegen hatten kein besonders großes Interesse an solchen Dingen. Ich musste sie mit aller Gewalt ins Studio schleifen oder darum betteln, dass sie nicht gleich wieder das Weite suchten. Manchmal blieben sie bei der Stange – und manchmal zogen sie mit ihren Freundinnen ab oder verdrückten sich auf irgendeine Party.

      Ich blieb dann allein zurück und sagte nur: „Oh, yeah, kein Problem.“ Stu ließ mich sogar ein paar Mal wissen: „Musik ist eben nicht mein ganzes Leben!“ Auf Stu mochte das schon zutreffen – auf mich jedoch nicht. Musik war sehr wohl mein ganzes Leben. Ich hatte mich mit ihr infiziert und stand nun ganz in ihrem Bann.

      Ich war der Typ, der stets etwas Neues lernen wollte und sich dachte: Ich werde so lange recherchieren, bis ich es auf die Reihe bekomme. Es ging mir ums Lernen. Zu sagen: „Ich armer Junge kriege das nicht gebacken, weil das Aufnahmestudio so mies ist“, war nur eine faule Ausrede. Das Tolle an Rock ’n’ Roll ist, dass er zu einem Großteil aus irgendwelchen Garagen stammte und schließlich auf Labels namens Del-Fi oder Sun veröffentlicht wurde. Das waren nicht nur passable Platten, sondern die