Es gibt ein paar Platten aus der Rock ’n’ Roll-Ära, die für mich über allen anderen stehen. Dazu gehören etwa:
„Deep Feeling“ von Chuck Berry, „Lost Dreams“ von Ernie Freeman, „Honky Tonk von Bill Doggett, „Blue Moon“ von Elvis Presley, „For Your Precious Love“ von Jerry Butler & the Impressions, „Little Boy Blue“ von Bobby „Blue“ Bland.
Und in letzter Zeit:„Island Style“ von John Cruz.
Ich glaube, dass ich Country zum ersten Mal im Fernsehen hörte. Da gab es diese Show, The Hoffman Hayride, die bei uns zu Hause ziemlich angesagt war. Ich erinnere mich daran, dass Jimmy Wakely dort auftrat und dass mir sein Look gefiel. Er war ein Cowboy und hatte diese große, goldgelbe Gitarre. Später tat er sich mit Margaret Whiting zusammen. Wenn ich mir ihre Sachen heute anhöre, dann wirken sie recht schmalzig, wie eine Art Nelson Eddy und Jeanette MacDonald auf Country, aber ihre Outfits waren toll!
Zu den aufregendsten Dingen, an die ich mich aus diesen frühen Tagen des Fernsehens erinnere, gehört Johnny Cash. Wir sprechen hier über 1956, und die meisten Unterhaltungssendungen hatten eine Tanz-Truppe wie die June Taylor Dancers am Start. Diese Tänzerinnen formierten sich gerne zu einem Kreis und wurden von oben gefilmt. Die Inszenierungen waren aufwendig und erinnerten an Filme von Busby Berkeley. Und mittendrin performte Johnny „I Walk the Line“. Das war echt krass. Da war sein Gesicht und hinter ihm nichts außer seinem Schatten, vielleicht noch ein einzelner Typ, der auf seiner Gitarre herumschrammelte, aber in erster Linie war da einfach nur Johnny, der von der Seite gefilmt wurde und aussah, als wäre er einer der Präsidenten vom Mount Rushmore. Ich saß einfach nur mit offenem Mund da, weil es so stark war. Das war etwas anderes als die June Taylor Dancers. Es war düster. Intensiv. Dieser Typ war einfach – imposant! Wow!
Natürlich liebte ich auch Hank Williams. Ich bin mir sicher, dass ich schon als Kind von ihm gehört hatte, weil ich mich an „Jambalaya“ und „Kaw-Liga“ erinnere, als wären es Kinderreime gewesen. Jedoch begann ich ihn erst bewusst wahrzunehmen, als ich die Single „Great Balls of Fire“ von Jerry Lee Lewis kaufte. Als ich nämlich die B-Seite auflegte, hörte ich Jerry Lees Version von „You Win Again“, die für sich selbst einmalig ist. Es ist einer der allergrößten Rock ’n’ Roll-Songs. Doch unter dem Titel stand „Hank Williams“, und meine Neugier war geweckt. Ich musste einfach mehr über diesen Typen in Erfahrung bringen, weshalb ich mich mehr und mehr mit seiner großartigen Musik auseinandersetzte. Songs wie „Lovesick Blues“, „I’m So Lonesome I Could Cry“ und „Your Cheatin’ Heart“ zogen mich total in ihren Bann. So wurde Hank zu einem meiner größten Einflüsse und bewohnt auch heute noch meinen persönlichen Olymp.
Ein weiterer Musiker, der auf meiner Liste von Country-Einflüssen ganz oben zu finden ist, ist Lefty Frizzell. Ich wollte auch immer schon eine Version von „Long Black Veil“ einspielen. Auch liebte ich Webb Pierce. Er hatte so viele großartige Songs, aber eigentlich reicht es schon vollkommen aus, dass „I Ain’t Never“ von ihm stammt. Diese Gitarre, Leute! Ich nahm die Nummer für mein Album The Blue Ridge Rangers auf. Chet Atkins gehört auch zu meinen Favoriten. Er war mir eine solche Inspiration. Keine Ahnung, ob es jemals einen Musiker gab, der mehr übte als Chet. Habt ihr schon mal was von „Yankee Doodle Dixie“ gehört? Das ist ganz schön ausgefuchst. Der Typ brachte alle Finger seiner beiden Hände zum Einsatz. In der Geschichte der Gitarre gibt es ein paar dieser Jungs, doch muss man schon viele Tausend Stunden Arbeit in seine Spielkunst investieren, um dorthin zu gelangen. Oder vielleicht gehören diese Leute einfach zu einem ganz eigenen Menschenschlag? Darüber machte ich mir tatsächlich ernsthafte Gedanken, da es mich so viel Zeit kostete, um mich als Gitarrist zu entwickeln. Jedoch stellt sich auch stets die Frage, ob es mehr darauf ankommt, wie intensiv man übt, oder ob es wichtiger ist, was bereits in einem steckt.
Merle Haggard ist auch einer jener Musiker, die damals wie heute – also viele Jahre später – einen starken Einfluss auf mich haben. Ich glaube, es liegt schon mal an seiner unglaublichen Stimme. Allerdings hat er im Laufe der Jahre auch einfach sehr viele gute Platten gemacht. Auch sein Songwriting spielt eine Rolle. Merle verfügt über eine solch nachdenkliche, intelligente, bescheidene, lebenslustige und raubeinige Sicht der Dinge! Er ist ein wahrer Gigant der Musik. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass so viele dieser Jungs begnadete Songwriter waren und sind.
Als Teenager hörte ich schrecklich viel Buck Owens im Radio. Songs wie „Tiger by the Tail“, „Together Again“ oder „Crying Time“ waren sehr wichtig für mich. Dieses Näseln, diese Energie. Und Don Rich mit seiner Telecaster. Als die Beatles „Act Naturally“ von Buck Owens coverten, überraschte mich das nicht. George Harrisons ganzer Spielstil, sein Hybrid-Spiel mit den Fingern, diese Zupf- und Schlagtechnik – das alles war vom Country inspiriert. Hört euch nur mal „Help!“ an.
Ich traf Buck eigentlich erst irgendwann in den Achtzigerjahren, und zwar im Rahmen der Bay Area Music Awards (auch „Bammies“ genannt). Er trug eine Art Country-Sportjacke und einen Cowboyhut. Wir freundeten uns schließlich an, er überließ mir sogar eine seiner in Rot, Weiß und Blau gehaltenen Gitarren. Allerdings traf er bei mir so richtig den Nerv, als er mich irgendwann wissen ließ, dass Don Rich ein großer Fan von Creedence war.
Während ich mich mit Blues, Rock und Country beschäftigte, kam im Verlauf der Fünfzigerjahre der Folk-Boom – manch einer sprach auch von einer Bedrohung – immer mehr auf Touren, obwohl dies alles sogar schon vor den Weavers oder Pete Seeger seinen Ausgang genommen hatte. Zuerst köchelte die Szene in den Cafés vor sich hin, bis schließlich das Kingston Trio 1958 mit „Tom Dooley“ einen veritablen Hit verzeichnen konnte. Von da an ging die Sache richtig ab. Es folgten eine Reihe von Folk-Hits, was wiederum zu eigenen Festivals führte – und meine Mom war so nett, mich dorthin zu fahren. Als ich sie später fragte, warum sie nicht auch meinen älteren Bruder Tom mitnahm, meinte sie: „Ach, der hatte keine Lust.“ Ich befand mich damals einfach im richtigen Alter, nämlich zwölf, wohingegen Tom bereits 16 war und sich für Mädels und Autos begeisterte. Ich war jedoch ernst.
Die Folk-Festivals auf dem Campus der UC Berkeley wurden von meinem wunderbaren Gitarrenlehrer Barry Olivier veranstaltet. Dort sah ich Pete Seeger, Jesse Fuller, Mance Lipscomb, Lightnin’ Hopkins, Sam Hinton und Alan Lomax. Dies waren aber nicht einfach nur Konzerte: Es war eine Art Ausbildung. Ich war ganz hin und weg. Diese Folk-Festivals waren enorm ergiebig für mich und wie ein Fundament. Und nicht nur in Sachen Musik. Ich bin überzeugt, dass Folk viel mit meinen Überzeugungen davon verknüpft ist, wie die Welt funktionieren sollte. Tagsüber wurde bei diesen Folk-Veranstaltungen eine Reihe von Workshops angeboten. Pete Seeger referierte dort etwa über seinen Banjo-Stil oder dass Blues-Musiker wie Lead Belly Gitarren von Stella mochten, weil sie so robust gefertigt waren. Pete sprach mit einer solchen Leidenschaft und war voller Verehrung. Außerdem hatte er Filmmaterial dabei! Von Lead Belly! Oh, mein Gott, ich durfte Lead Belly sehen, wie er auf dieser alten zwölfsaitigen Stella spielte, und fünf Minuten später griff sich Pete ebenfalls eine Stella, präparierte seine Finger und spielte „Midnight Special“.„Goodnight Irene“ hatte ich schon als kleiner Junge gehört, als es meine Mom sang. Einen Film zu sehen, in dem Lead Belly es performte – nun, es klang wie das, was ich aus dem Radio kannte! Es war wie Muddy Waters oder Howlin’ Wolf, nur dass diese Jungs über Schlagzeug und E-Gitarren verfügten. Doch bei diesen Folk-Veranstaltungen war es beinahe verpönt, darüber zu sprechen. Ich begriff, dass es eine Folk-Polizei gab. Kommerzielle Musik wurde abgelehnt. Nach „Tom Dooley“ zerrissen sich etwa alle das Maul über das Kingston Trio: „Wer sind sie denn schon? Nur ein paar Kids vom College. Die haben sicher nie Baumwolle gepflückt!“ Dabei hatten sie doch nur einen Song neu arrangiert und interpretiert. Was sollte daran denn bitte so schlimm sein? Hatte Lead Belly nicht etwa dasselbe mit „Midnight Special“ getan? Die Folk-Puristen lebten einfach in ihrer eigenen kleinen Welt, in der Leute wie Gene Krupa keinen Platz fanden. Lightnin’ Hopkins war live unglaublich. Er hatte einen Riesenhit mit „Mojo Hand“ – auch eine der coolsten Scheiben überhaupt. Seiner Musik haftete dieses Geheimnisvolle, Verbotene, Kultige an, das dem weißen Mann grundsätzlich verschlossen blieb. Ich war also aufmerksam und versuchte, es zu begreifen. Eine mojo hand war in Wirklichkeit