Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Fogerty
Издательство: Bookwire
Серия: Musiker-Biographie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456001
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derjenige, der den anderen erklärte, was sie zu spielen hatten. Doug wusste zumindest, dass er das Fußpedal der Bassdrum auf der Eins betätigte und den Snare-Schlag auf der Zwei setzte. Das war aber auch schon alles. Es lag an mir, die Songs im Radio genauer zu studieren, um herauszufiltern, wer was spielte und wie die Arrangements aufgebaut waren. Ich war der Übersetzer, ich konnte Songs dechiffrieren. Die meisten Menschen nehmen einen Song nur als ein großes Ganzes war. Wenn ich jedoch Musik hörte, konnte ich zwischen den einzelnen Parts unterscheiden.

      Musik live zu hören unterstützte dieses Verständnis ungemein; so beeinflussten mich auch die Live-Konzerte im Oakland Auditorium stark. Diese Shows waren großen Revuen, bei denen jedem Act eine halbe Stunde auf der Bühne gewährt wurde: James Brown, Jackie Wilson, Duane Eddy oder Ray Charles. Bei jeder dieser Shows im Oakland Auditorium saß ich in der ersten Reihe.

      Ich weiß noch, wie ich mich mit Doug und Tom dafür anstellte. Tom war unser Chauffeur. Wenn wir um 3 Uhr nachmittags eintrafen, waren wir die Ersten in der Warteschlange und konnten, sobald die Türen öffneten, unsere Ärsche direkt vor der Bühne parken. Daher konnte ich mir viele Details einprägen.

      Ich sah James Brown, als ich 14 Jahre alt war. Bei ihm war eine Menge Präzision im Spiel. Er sang etwa einen Song – „Please, Please, Please“ – und dann, zack, legte er einfach einen Spagat hin! Der nächste Song fängt an, und er ist wieder auf den Beinen! Dann: noch ein Song! Bam! Vielleicht performte er für gerade mal eine halbe Stunde, aber in dieser Zeit gaben er und seine Band dem Publikum ganze zwölf Songs. Es ging darum, in kürzester Zeit eine Explosion zu entfesseln. Es ging um die Energie! Am Ende stand allen der Mund weit offen: „Was war das gerade eben?“ Ich liebte das!

      Im Anschluss sprang Larry Williams mit seiner Gitarre von der Bühne und wurde von all diesen Mädchen belagert. Bam! Als sie wieder von ihm abließen, war er von der Hüfte aufwärts nackt, weil sie ihm sein Hemd in Streifen gerissen hatten! Dann kam Jackie Wilson in einem Smoking auf die Bühne, und die Frauen drehten komplett durch. Weiße Mädchen, schwarze Mädchen ‒ das war ganz egal. Jackie war auf eine Weise attraktiv, die auf einen Filmstar hätte schließen lassen. Seine Bewegungen waren grazil und mühelos. Er war ein richtiger Panther!

      DJ Bouncin’ Bill, der die Show moderierte, kam auf die Bühne und wies die Frauen an, sich wieder auf ihre Plätze zu begeben, sonst drohten Probleme mit der Feuerpolizei. Bei Jackie Wilson hörte die Action gar nicht mehr auf. Die coole R&B-Band, die ihn bei diesen Auftritten öfter begleitete, hatte einen Song mit dem Titel „Spunky Onions“ (ursprünglich „Funky Onions“), und der Gitarrist spielte, wie ich mittlerweile weiß, einen sogenannten übermäßigen Akkord. Tom drehte sich zu mir und sagte: „Du solltest dir genau ansehen, was dieser Gitarrist da abzieht.“ Er sagte das zu mir und nicht zu sich selbst. Darüber machte ich mir später noch öfter Gedanken.

      Ein Konzert im Oakland Auditorium unterschied sich von all den anderen. Wie üblich waren wir bereits am Nachmittag eingetroffen, um uns ganz vorne anzustellen. Die Türen wurden in der Regel um sechs oder halb sechs geöffnet. Wir saßen dann die längste Weile so da, bis schließlich irgendetwas passierte. Der angekündigte Zeitpunkt für die erste Show kam und verstrich wieder. Nichts tat sich. Inzwischen war das Auditorium gut gefüllt, und alle waren bereit für das Konzert. Es wurde später und später, und das Publikum wurde schlicht im Dunkeln gelassen. Lautstarkes Gemurmel setzte ein, die Leute wurden langsam, aber sicher säuerlich.

      45 Minuten, vielleicht auch eine Stunde nach der angekündigten Anfangszeit kam plötzlich Bewegung in die hinteren Reihen des Auditoriums. Als wir uns umdrehten, konnten wir ein paar Typen sehen, die auf dem zentralen Gang zwischen den Sitzreihen in Richtung Bühne marschierten. Ein paar der Jungs hatten sich Tüten bis über die Schultern gezogen. Langsam dämmerte es dem Publikum, dass das die Musiker sein mussten und dass das alles zur Show gehörte. Als die Typen schließlich die Bühne erreichten, die vielleicht etwas über einen Meter hoch war, sprangen sie einfach hinauf.

      Das Publikum entspannte sich nun wieder und nahm an, nun werde es mit der Show losgehen. Einer dieser Kerle setzte sich ans Klavier und spielte die Eröffnungsakkorde zu „What’d I Say“ von Ray Charles, das gerade ein Hit im Radio war. Als er zu der Stelle kam, an der die rechte Hand kurz pausierte, bevor sie den Riff am Ende der Strophe weiterspielte, verhaspelte er sich aber. Er versuchte es ein paar Mal, bekam es jedoch nicht wirklich auf die Reihe. Da sich die anderen Jungs nun um das Klavier versammelt hatten, stieß einer von ihnen den Pianisten vom Hocker, um es selbst zu versuchen. Auch er scheiterte, woraufhin der nächste sich aufs Glatteis wagte. Das ging vielleicht fünf oder sechs Typen lang so dahin, bis endlich Bouncin’ Bill die Bühne betrat, um diesen Trupp hinter die Bühne zu scheuchen.

      Während ich dieses Schauspiel verfolgte, dachte ich mir: Das ist nicht richtig, das wirkt sehr amateurhaft. Ich schwor mir in diesem Augenblick, so etwas niemals während „meiner Show“ zuzulassen. Da war ich 14 Jahre alt.

      Ich glaube, dass es dieselbe Show war, bei der ich noch eine weitere Lektion in Sachen Showbiz lernen durfte. Bouncin’ Bill kündigte den nächsten Act an, das Publikum jubelte und applaudierte. Aber nichts geschah! Niemand kam auf die Bühne. Er sagte noch einmal den Namen der Band, und wieder tat sich nichts. Nach ein paar weiteren Versuchen machte sich Bill auf in Richtung Backstage-Bereich, und schlagartig rannte eine Gruppe von Leuten in völlig gleichen Anzügen auf die Bühne. Bouncin’ Bill war offenbar ganz schön angepisst und machte seinem Ärger am Mikro Luft: „Da hat wohl jemand ein gutes Blatt und wollte es ungern aufdecken.“

      Ich zog daraus die Lehre, dass man sein Publikum gefälligst nicht wie Dreck behandelte. Schließlich waren sie hier, um dich zu sehen! Trotz gelegentlicher Eskapaden bekamen wir jedoch vornehmlich gute, professionelle Bühnenshows im Oakland Auditorium geboten. Was ich zu Füßen von James Brown und Jackie Wilson lernte, war, wie man unterhielt.

      Für das neunte Schuljahr wurde ich wieder auf eine katholische Schule, St. Mary’s, geschickt. Auch meine älteren Brüder hatten sie von der neunten Klasse bis zur ihrem Abschluss besucht. Dort gab es nicht allzu viel, was mich interessierte, doch immerhin hatten sie an der St. Mary’s einen Knabenchor. Das war doch etwas! Eines der Lieder, das wir einstudierten, war „There Is Nothing Like a Dame“ aus dem Musical South Pacific mit Textzeilen wie „We got mangoes and bananas …“

      Wenn Musik alles ist, was du im Leben hast, dann klammerst du dich regelrecht daran. Als ich an diese Schule kam, war da dieser Dekan namens Bruder Neil. Er ließ mich nicht lange im Unklaren: „Ich hatte bereits deine beiden Brüder hier und habe ein Auge auf dich. Wir sehen uns dann beim Nachsitzen.“ Damit sollte er recht behalten.

      Doch nach meinem ersten Schuljahr brannte Bruder Neil mit der Empfangssekretärin durch, trat aus dem Orden aus und heiratete. Ein paar meiner Freunde wurden vom einen oder anderen Ordensbruder angegraben, was wir ziemlich eklig fanden. In meiner persönlichen Wahrnehmung erhielt die strahlende Fassade der katholischen Kirche dadurch nur noch ein paar weitere hässliche Risse.

      Einmal sollte ich beim Nachsitzen 1000 Mal irgendeinen Satz schreiben. Vielleicht „Ich darf in der Klasse nicht Kaugummi kauen“ oder so. Egal, meinem Füller ging irgendwann die Tinte aus, was ich aber niemandem mitteilen konnte. Auch die Hand heben oder einfach aufstehen war nicht drin. Also schrieb ich einfach mit dem leeren Füller weiter. Wenn man genau hinsah, konnte man auch tatsächlich die Abdrücke erkennen, wo sich die Füllerspitze ins Papier gegraben hatte. Der Bruder, der uns beaufsichtigte, warf einen Blick darauf und herrschte mich an: „Bist du verrückt?“

      Ich hätte es wissen müssen. Bei meiner Geburt war die Erbsünde auf mich übergegangen, und daran war so ein Typ, der vor Millionen von Jahren gelebt hatte, schuld. Hätte ich mir nicht denken können, dass einem beim Nachsitzen besser nicht die Tinte ausgeht?

      Als ich ein anderes Mal nachsitzen musste, nahm mich einer der Brüder, ein älterer Herr, beiseite. Ich hatte es nicht leicht in der Schule und freute mich nicht gerade auf den Unterricht. Der Bruder begann also ein Gespräch mit mir. Man sollte nicht vergessen, dass das alles sehr religiöse Leute waren, die nicht unbedingt über Sex sprechen sollten. Andererseits hatten sie es mit einer Horde pubertierender Jungs zu tun, deren Hormone verrücktspielten. Diese Jungs dachten vermutlich alle paar Sekunden an Sex, das heißt, wenn sie beim Gedanken