James war ein schwarzer Typ und ein richtig guter Sänger. Ich glaube, er war 25 oder so und hatte da diesen Song, „Beverly Angel“. Eine klassische Doo-Wop-Nummer, ein echt cooler Track. Außerdem hatte er noch ein paar andere – jeder Titel war ein Mädchenname. Also probten wir, und ich weiß gar nicht mehr, wie oft James zu mir nach Hause oder zu Stu ins Spielzimmer kam. James kannte diesen Typen, Joe Jarros, der seine eigene kleine Plattenfirma, Christy Records, am Start hatte. Er war ein Kleinunternehmer und betrieb das Label nebenher – er stand somit quasi für die unschuldige Seite des Rock ’n’ Roll-Geschäfts in seinen Anfangstagen.
Wir waren im Grunde genommen James’ Begleitband, doch dafür benötigten wir noch einen Bassisten. Ich hatte ein paar Mal auf dem Bass in Mrs. Starcks Musikzimmer gespielt. Sie hatte mit der Kreide Markierungen auf das Griffbrett gemacht, an denen ich mich orientieren konnte. Hey, es war wie ein Gitarre – nur größer!
Also beschloss ich, bei der Session mit James Powell den Bass zu spielen. Den Bass aus der Schule konnte ich mir zwar nicht ausborgen, aber auf meiner Zeitungstour gab es da diesen älteren Typen, der in einer Country-Band Bass spielte. Sie hatten jede Woche einen Gig in Oakland, der im Lokalfernsehen übertragen wurde. Ich freute mich immer sehr, wenn er zu Hause war, weil wir uns dann über Musik unterhielten und er mich stets ermunterte. Ein cooler Typ.
Eines Tages brachte ich ihm also seine Zeitung und erzählte ihm, wir hätten die Möglichkeit, eine Platte aufzunehmen. „Was du nicht sagst!“, antwortete er ganz begeistert. Also bat ich ihn, mir seinen Kontrabass auszuleihen. „Klar doch, Mann. Wenn ich nicht zu Hause bin, sprich einfach mit meiner Frau. Das Ding steht in der Garage.“
James hatte einen Anhänger gemietet. Schließlich war so ein Bass riesig. Deshalb wurde auch der Fender Precision erfunden, damit man sich all diese Scherereien erspart. Ich kreuzte also beim Haus dieses Typen auf, und natürlich war er nicht da. Seine Frau warf einen Blick auf James und auf mich – und ich war ja auch nur ein Junge, der Zeitungen austrug. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Situation verstand, aber sie ließ uns den Bass schließlich mitnehmen. So fuhren wir also mit diesem Ungetüm von Musikinstrument im offenen Anhänger über die Bay Bridge zu Coast Recorders, einem Studio in San Francisco.
Wir hatten bereits gemeinsam mit Tom ein kleines Demo aufgenommen, und zwar im Dick Vance Recording Studio. Dieser Raum war so klein gewesen, dass wir ein Fenster hatten öffnen müssen, damit Doug sich auf das Fensterbrett setzen konnte, von wo aus er dann sein Schlagzeug spielte. Wenn ich mich nicht irre, nahmen wir dort zwei Songs auf, zu denen Tom den Gesang beisteuerte. Alles, was wir bekamen, war eine Schellack-Platte. Der Typ presste sie gleich im Studio. Ein einzige Kopie, das war alles. Ich erinnere mich auch noch daran, dass Tom mit dem Lautstärkeregler an meiner Gitarre spielte, um einen Vibrato-Effekt zu erzielen. Ich spielte, und Tom bewegte den Regler rasch hin und her.Coast Recorders dagegen war ein richtiges Aufnahmestudio. Als wir eintraten, trafen wir auf Monk Montgomery, den Bruder von Wes Montgomery. Monk war einer der ersten Jazz-Bassisten, die auf ein elektrisches Instrument umstiegen. Ich dachte mir nur: Wow, die Oberliga!
Der Studiotechniker hieß Walt Payne. Jahre später sollte er uns in derselben Funktion bei den Aufnahmen zu „Susie Q“ von Creedence unterstützen. Doug, Stu und ich spielten die Musik ein, und James übernahm den Gesang. Anschließend ergänzte ich noch den Bass, was kein Problem darstellte. James steuerte auch noch eine Tonspur mit Harmoniegesang bei, was damals schon recht fortschrittlich war. „Beverly Angel“ ist vielleicht nicht „Earth Angel“ – aber es kam schon daran heran. Der Song klang ziemlich gut, griff auf Echo-Effekte zurück und verfügte über einen echten Schluss, nicht nur ein Fade-out. „Beverly Angel“ wurde beileibe kein Kassenschlager, aber zumindest wurde der Song im Radio gespielt. Stellt euch das mal vor: Ich nehme mit meiner Band eine Schallplatte auf und bin gerade mal 14 Jahre alt – und diese Schallplatte wird doch tatsächlich im Radio gespielt! Es wird noch abgefahrener: Es war eine R&B-Scheibe, schwarze Musik, die auf einem schwarzen Sender lief, nämlich meinem liebsten R&B-Sender, KWBR!
Ich war schon ziemlich stolz. Ich nahm jetzt nicht an, dass ich mich auf direktem Wege in die Carnegie Hall befand, doch hört euch das an: Stu hatte an der El Cerrito High bei einem gewissen Mr. Thomas einen Kurs in Elektronik belegt, und eines der Klassenprojekte war, ein Radio zu bauen. Nun, Stu stellte seinen Empfänger fertig, und als er sein Radio zum ersten Mal in Betrieb nahm, lief anscheinend, ta-da, „Beverly Angel“. Könnt ihr euch das vorstellen? „Hey, Mr. Thomas – da läuft meine Platte!“
Es gab Zeiten in meinem Leben, da bin ich mit dem Strom geschwommen und der Versuchung erlegen, krumme Dinger zu drehen. Als ich ungefähr acht Jahre alt war, fingen wir als kleine Gruppe von Kids an, Ladendiebstähle zu begehen. Wir klauten etwa Dinge aus dem Werkzeugladen. Ihr wisst schon, unter dem Shirt und so. Dann versuchten wir, die Sachen zu verkaufen, indem wir von Tür zu Tür zogen. So wurden wir auch überführt. Ich meine, wie kommt ein kleiner Junge dazu, irgendeiner Familienmutter an ihrer Haustüre einen Spachtel anzudrehen? Da klebte sogar noch das Etikett aus dem Haushaltswarenladen daran.
Zusätzlich wurde ich noch verraten. Dieser eine Junge, Billy, hielt sich für einen echt harten Typen. Schon als ich etwa vier Jahre alt war, warf er mich bereits einmal mitsamt meinem Dreirad um. Ich überschlug mich und flennte. Billy war ein abgebrühter Junge, der viel rauchte und fluchte – eine gereizter, aggressiver Schlägertyp eben. Billy war es nun auch, der uns ans Messer lieferte. Er war wohl doch nicht ganz so ein zäher Bursche wie damals, als er einen kleinen Jungen auf dem Bürgersteig zu Boden gestoßen hatte. Seinerzeit war das alles nicht besonders lustig. Ich hoffe dennoch, dass Billy irgendwann die Kurve gekriegt hat.
Irgendwann fing ich an, mir gelegentlich mal eine Single zu klauen. Ich hatte, so kam es mir zumindest vor, zu wenig Geld, obwohl ich ja Zeitungen austrug. Ich glaube, dass ich im Plattenladen gesehen hatte, wie ein Junge eine Platte mitgehen ließ. Ich bekam große Augen. Es ging wohl auch um den Kick, was mir echt unangenehm ist. Vermutlich herrschte auch ein gewisser Gruppenzwang.
Ich will mich nicht damit brüsten, und am liebsten würde ich es für mich behalten. Jedoch ist auch dies ein Teil meiner Geschichte.
Ich ließ also hier und da mal eine Single mitgehen. Nach einem Jahr und ein paar Monaten waren es ganz schön viele geworden. Irgendwann warf ich einen Blick darauf und sagte zu mir selbst: „Musik ist die eine Sache, die du liebst. Warum tust du das hier nur? Das ist schrecklich. Es ist das, was dir am wichtigsten ist, und du brichst deine wichtigste Regel. Du weißt doch, was Ehrlichkeit bedeutet. Was außer deinem Wort hast du denn schon zu bieten?“
So wurde das, was mir am Herzen lag, von Missempfindungen und Schuldgefühlen überlagert, weil ich Mist gebaut hatte. Ich überlegte sogar, gegenüber dem Plattenladen reinen Tisch zu machen, damit ich diese üble Angelegenheit hinter mir lassen könnte. Doch so tapfer war ich dann doch nicht. Leider.
Zumindest wurde ich dadurch zu einem großen Verfechter von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Das geht so weit, dass ich mich sklavisch an Verkehrsregeln halte, auch wenn das nicht immer absolut notwendig wäre. Sehr zum Leidwesen meiner Kinder übrigens. Ich sage dann: „Nein, auch wenn es wehtut! Das Verkehrsschild schreibt vor, was zu tun ist!“
Es ist ein schmaler Grat. Heute tust du vielleicht diese eine kleine Sache und morgen dann … Natürlich ist niemand von uns perfekt. Wie ihr vielleicht erraten habt, bin auch ich ein Mensch mit Fehlern. Doch Aufrichtigkeit ist mir immer noch sehr wichtig – diese Vorstellung, ehrlich zu sein. Moral zu besitzen.
Diese Erfahrung trug nicht alleine dazu bei, dass ich so wurde. In der achten Klasse blieb ich, anstatt in die Schule zu gehen, einfach mal zu Hause. Meine Mom stampfte, bevor sie sich auf den Weg in die Arbeit machte, wie immer auf die Metallluke über meinem Bett und schrie: „Johnny! Wach auf!“ Es war der Oktober 1958, und es fand gerade die Finalserie im Baseball statt. Damals wurde die World Series noch tagsüber ausgetragen, weshalb ich beschloss, dem Unterricht fernzubleiben, um die Spiele zu verfolgen und auf meiner neuen Silvertone herumzuzupfen. Ich blieb dann auch am nächsten Tag zu Hause. Meine Mom war ja nicht da. Auch