Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Fogerty
Издательство: Bookwire
Серия: Musiker-Biographie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456001
Скачать книгу
dass ich ein bisschen Klavier spielen konnte, buchte er mich sogar für ein oder zwei Country-Sessions, zu denen ich ein paar Floyd-Cramer-Licks spielte. Ich mochte Bob sehr, weil er nicht auf mich herabsah, obwohl ich erst 16 war.

      Angesichts meiner Begeisterung für den Aufnahmeprozess wird es euch wohl nicht überraschen, dass ich bereits von Kindesbeinen an von Tonbandgeräten fasziniert war. In der Grundschule teilte ich dieses Interesse mit meinem Freund Bob Carleton. Zusammen führten wir Comedy-Nummern von Stan Freberg wie „Christmas Dragnet“ vor und bewegten dazu synchron unsere Lippen. Einer von uns trug dabei einen Trenchcoat und eine Polizeimütze, während der andere in die Rolle des Interviewers schlüpfte. Den Text dazu kann ich immer noch auswendig.

      1956 veröffentlichte das Duo Buchanan and Goodman die Comedy-Platte „The Flying Saucer“, auf der eine Geschichte erzählt wurde, die von Ausschnitten bekannter Rock ’n’ Roll-Hits unterbrochen wurde. Um Ähnliches zu bewerkstelligen, benutzten Bob und ich dieses Gerät der Marke Wollensak, das Tom bei uns zu Hause angeschleppt hatte. Einer unserer Nummern hieß „The Daytime Ghost“. Darin ging es um einen Geist, der den Bezug zu Halloween verloren hatte, weil er tagsüber erschien. Bob und ich schrieben diesen Sketch gemeinsam und wählten die Songs zusammen aus. Wir beide kannten unsere Schallplatten gut, aber als Kind wusste ich jede einzelne Textzeile zu jedem einzelnen Song und übernahm alle Sprechparts.

      In der zehnten Klasse besorgte ich mir dann ein Aufnahmegerät von Sony, mit dem man dem ursprünglichen Track Overdubs hinzufügen konnte. Ich hatte den vorangegangenen Sommer damit verbracht, im Haus meines Vaters in Santa Rosa auf meine jüngeren Brüder aufzupassen, damit ich mir das Gerät leisten konnte, das ich bei Louis Gordon Music gesehen hatte. Allerdings brach Dad sein Wort, und ich war sehr wütend darüber, wie ihr euch sicher vorstellen könnt. Doch auch seine mangelnde Bereitschaft, mich zu unterstützen, konnte mich nicht bremsen. Ich glaube, ich kaufte das Ding schließlich mit dem Geld, das ich beim Zeitungsaustragen verdiente.

      Beim Einsatz von Overdubs ließ ich mich von Les Paul beeinflussen. Auf seinen Aufnahmen, auf denen ihn Mary Ford als Sängerin begleitet, ergänzte sie nämlich ihren eigenen Harmoniegesang. Auf Songs wie „Vaya con Dios“ oder „How High the Moon“ waren das regelrechte Chöre. Mary sang alle Stimmen, und Les Paul war die Band. Sie klangen fantastisch zusammen.

      Das Sony-Aufnahmegerät war grau und mit Tweed und Vinyl bedeckt. Es war eine echte Offenbarung für mich, denn nun konnte ich festhalten, was ich in meinem Kopf hörte. Von da an arbeitete ich nur mehr damit. Während der ganzen Highschool verkroch ich mich unten in meinem Schlafzimmer und nahm auf. Das Badezimmer diente mir dabei zur Erzeugung von Echo-Effekten. Ich verbrachte buchstäblich Hunderte Stunden damit, zuerst Harmonien zu meinen eigenen Gesangsspuren hinzuzufügen und dann noch Gitarren-Spuren zu ergänzen. Auf diese Weise lernte ich unglaublich viel darüber, was sich echt und nach Rock ’n’ Roll anhörte. Man könnte sagen, dass darin der Ursprung meiner Ein-Mann-Band-Methode lag.

      Viele meiner Aufnahmen erinnerten stark an die Ventures inklusive kleinerer Lead-Parts. Ich nahm auch Folk-Songs auf, etwa „I’ve Been Working on the Railroad“. Auch erinnere ich mich daran, wie ich da unten in meinem Zimmer „Can’t Help Falling in Love“ einspielte. Wir lebten in einem kleinen Haus, und man konnte rein gar nichts machen, ohne dass einen die anderen gehört hätten. Mom sprach mich etwa an: „Sag, was ist das, was du da spielst?“

      „Ach, das ist ein Song von Elvis.“

      „Der ist ja ganz wunderbar“, meinte sie.

      Es war schon cool, ein wenig Feedback zu bekommen.

      1963 traten wir mit den Blue Velvets bei einer Wiedersehensfeier der Abschlussklasse von 1953 auf. Irgendwann spielten wir auch „Green Onions“, woraufhin dieser Typ namens R. B. King auf uns zukam. Er war ein Schwarzer, was ich nur deshalb erwähne, weil vor allem unter uns weißen Kids die Meinung vorherrschte, dass Schwarze in der Lage seien, besonders gefühlvolle Musik zu spielen. Er fing also an, sich mit uns über „Green Onions“ zu unterhalten – direkt nachdem wir die Nummer gespielt hatten, wenn ich mich nicht täusche. Das ist nur deshalb erwähnenswert, weil das, was er sagte, nichts als die Wahrheit war. Eine Wahrheit, die so klar war wie ein Glas Eiswasser, das dir jemand ins Gesicht schüttet.

      Viele Jahre lang habe ich gesagt, dass Booker T. & the M.G.’s, die Urheber von „Green Onions“, die größte Rock ’n’ Roll-Band aller Zeiten waren. Die meisten Menschen würden das wie selbstverständlich über die Beatles sagen, aber auch R. B. King war meiner Ansicht: Nie kam irgendwer an Booker T. & the M.G.’s heran. Ich beziehe mich dabei auf Dinge wie ihre gefühlvolle Spielweise, vor allem zwischen den einzelnen Beats. Es geht darum, wie viel sie mit so wenig zum Ausdruck brachten: Das ist eine der Grundregeln, die immer gelten werden – in der Musik, auf Platte, im Radio. Musste sich Chet Atkins etwa vor Steve Cropper in Acht nehmen? Nein. Aber ich traue mich zu behaupten, dass die meisten Leute eher Steve Cropper sein möchten und auch wir Booker T. & the M.G.’s zu unseren Vorbildern erkoren. Das blieb auch noch so, als wir bereits berühmt waren und Millionen Platten verkauften. Das Solo in „Proud Mary“? Da gebe ich mir die größte Mühe, Steve Cropper nachzuahmen.

      Als R. B. King uns nun ansprach, kam er gleich zur Sache: „Wisst ihr, wenn ihr ‚Green Onions‘ spielt, da fehlt etwas.“ Das wiederholte er gleich ein paar Mal: „Da fehlt etwas.“

      Nun, ich dachte mir: Okay, wir sind schließlich jung und nur zu dritt, natürlich sind wir nicht so gut wie Booker T. & the M.G’s. Er sagte zwar nicht: „Ihr weißen Jungs stinkt!“ Aber R. B. King wies uns sanft darauf hin, dass „da etwas fehlte“ – zwischen den Noten.

      Ich möchte das erklären. Vergleicht mal Hank Ballard and the Midnighters’ Originalversion von „The Twist“ mit Chubby Checkers Interpretation. Chubbys Version ist großartig, und ich liebe sie. Allerdings hatte er den Beat „begradigt“, wodurch der Rock ’n’ Roll-Faktor erhöht wurde, was den Song um einiges massentauglicher machte. 1986 war ich hin und weg, als ich Chubby auf der Bühne der Rock and Roll Hall of Fame traf. Es war ihm wichtig, mir zu meiner Arbeit mit Creedence mitzuteilen: „Das sind deine Songs … Du solltest diese Songs auch spielen!“ Chubby Checker gehört meiner Meinung nach genau dorthin, in die Rock and Roll Hall of Fame! Sofort!

      Allerdings verfügt Ballards Original über mehr Feeling. Viele Jahre später spielte ich mit Hank in einem Club in New York City, nachdem er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen worden war, und erwähnte ihm gegenüber, dass es den Blue Velvets nie gelungen sei, seinen Rhythmus zu spielen. Er strahlte mich an und sagte: „Ach, du meinst wie Sand und Vaseline.“ Das war wohl die beste Art, es auszudrücken. Und das war es auch, was R. B. King mir auf freundliche Weise darzulegen versuchte.

      Manche Leute können einen Shuffle spielen, andere nicht. Ich möchte das Ganze keineswegs für kulturell oder ethnisch bedingt erklären, aber in der Regel sind es die Weißen, die keinen Shuffle draufhaben. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Chris Layton, der mit Stevie Ray Vaughan gespielt hat, ist einer der weltbesten Shuffle-Spieler überhaupt. Und ich glaube, dass ich über die Jahre hinweg selbst ganz gut darin geworden bin.

      Später versuchte ich, Doug und Stu – vor allem aber Doug – zu erklären, was R. B. King gemeint hatte, und berief mich während der gesamten Entwicklung der Blue Velvets auf das, was R. B. King über den Shuffle-Beat gesagt hatte. Aber er ist letzten Endes viel leichter zu spielen als zu erklären.

      Ein paar Jahre nach der Episode mit R. B., an jenem Abend, bevor ich meinen sechsmonatigen Dienst bei der Army antrat, spielten wir in einem Club außerhalb von Sacramento, vermutlich im Trophy Room. Ich war nicht gerade in der allerbesten Stimmung, fühlte mich melancholisch und niedergeschlagen. Wer wusste schon, was passieren würde? Wir wollten gerade mit einem Song loslegen, als ich mich zu Doug umdrehte und sagte: „Spiel einen Shuffle-Beat.“ Und er fragte: „Was ist denn ein Shuffle-Beat?“ Was ist denn ein Shuffle-Beat? Es fühlte sich an, als hätte mir jemand einen Tiefschlag verpasst. Er hätte genauso fragen können: „Was ist denn eine Gitarre?“ Wir schrieben inzwischen 1967 – und ich hatte seit 1958 vom „Shuffle-Beat“ gesprochen. Ich war sprachlos.

      Ich muss gestehen, dass ich den Shuffle jahrelang wie die Pest gemieden hatte,