Entweder meine Mom oder Barry empfahlen mir, mir ein Exemplar von The Burl Ives Song Book zu besorgen. Ganz hinten waren eine Reihe von Akkorden grafisch dargestellt. Das half immens weiter. Eines Abends, als wir zu unserer Folk-Gitarrenstunde fuhren, war auch mein jüngerer Bruder Dan bei uns im Wagen. Ich spielte „S & J Blues“ auf der Gitarre, und Dan sagte: „Wow, du spielst ja wie ein Profi.“
Zu Hause hatten wir auch ein altes Klavier, auf dem ich selbstverständlich auch herumhämmerte. Mann, war das Ding verstimmt! Manchmal drückte ich Reißzwecken in die kleinen Hämmer, damit es sich mehr nach Honky-Tonk anhörte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Jugendlicher dafür heute noch die Geduld aufbrächte. Wir besaßen den Bob-Fina-Song „Bumble Boogie“ auf 78er-Single. Ich spielte diese Platte allerdings gerne langsamer ab, um so herauszufinden, was Bob Fina da genau spielte. So lernte ich schrittweise, dass da ein System dahintersteckte. Ich ließ einfach nicht locker, bis ich selbst eine präsentable Version von „Bumble Boogie“ spielen konnte. Vermutlich setzte ich mich zu Highschool-Zeiten noch am intensivsten mit dem Klavier auseinander. Ich ging der Sache aber nie wirklich ernsthaft nach und wurde nie wirklich gut an Keyboards, obwohl ich immerhin „Great Balls of Fire“ und „Whole Lot of Shakin’ Going On“ draufhatte. Das Intro zu dieser Nummer ist immer noch einer coolsten Klavier-Parts, die es gibt.
Der Jazz-Pianist Earl Grant trat um 1958 mit einer Version von „Fever“ im Fernsehen auf, woraufhin ich mir die Single kaufte. Auch Little Willie John und Peggy Lee hatten den Song schon aufgenommen, doch auf dem Klavier klang er nicht weniger frisch als etwa „What’d I Say“ oder „Whole Lot of Shakin’“. Die Nummer startete mit einem richtig coolen Riff, und als die Performance vorüber war, setzte ich mich ans Klavier, um den Song nachzuspielen – so gut ich das eben konnte. Ich wusste nicht, in welcher Tonart Earl Grant „Fever“ interpretiert hatte, doch hielt ich mich in erster Linie an die schwarzen Tasten, vermutlich in H- oder Fis-Dur. Um zwischen zwei Töne zu kommen, schlug er zwei verschiedene Töne an – einen Triller oder so. Das war alles neu für mich. „Fever“ bescherte mir zweifelsohne orgasmische musikalische Freuden! Eineinhalb Stunden lang spielte ich den Song immer und immer wieder, bis ich ihn total ausgereizt hatte. Ich schwebte in völlig anderen Sphären.
Heutzutage kann ein Jugendlicher solche Sounds einfach auf dem Computer erzeugen, aber damals, in der analogen Welt, musste man eben einfach irgendwie anders dahinterkommen. Früher Rock ’n’ Roll war, was die Gitarre angeht, oft so einfach gestrickt, dass man sich die Songs selbst beibringen konnte. Ich lernte anhand von Schallplatten auch, wie Bands zusammenspielten, wie ihre Musik arrangiert war. Das klingt vielleicht offensichtlich, aber bis ich mich mit Musikinstrumenten zu beschäftigen begann, war es so, als sprudelte die Musik, die im Radio lief, einfach nur irgendwie aus dem Lautsprecher. Ich musste erst begreifen, worin ihr Geheimnis bestand und warum wie dieser Typ welche Note spielte.
Ich erinnere mich, dass ich mich etwa an Ernie Freemans Instrumentalstück „Lost Dreams“ versuchte. Der Schlagzeug-Sound war einfach so energiegeladen. Als wäre der Song erst am Tag zuvor eingespielt worden. Mir stand eine elektrische Gitarre zur Verfügung, die mein Bruder Tom bei Leo’s Music ausgeliehen hatte. Ich saß am Piano und spielte die Melodie mit der linken Hand, schlug mit der rechten ein oder zwei Gitarrensaiten an und betätigte mit dem Fuß das Pedal von Dougs Hi-Hat. Das machte Spaß, keine Frage! So erzeugte ich Sounds, die nach „Lost Dreams“ klangen, nur war das nun ich, der da spielte, und keine Platte. Für einen Augenblick verstand ich, wie sich, sagen wir, Jerry Lee Lewis gefühlt haben muss, als alle zu ihm sagten: „Jerry Lee, du bist doch durchgeknallt! Was machst du da bloß?“ Denn genau so erging es auch mir.
Ich spielte also den Song gerade auf drei Instrumenten, als meine Mom zur Tür hereinkam und sagte: „Ach, Johnny! Was machst du da bloß?“ Als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Ich dachte mir nur: Yeah, okay. Ich mache wohl was richtig!
Meine Mom stand nicht auf Rock ’n’ Roll. Sie fand Elvis irgendwie daneben. Vermutlich machte sie sich Gedanken, ob das alles noch akzeptabel sei. Einmal besuchte sie mit ein paar Freundinnen das Jazz-Festival in Monterey. Als sie zurückkehrte, schwärmte sie ohne Ende von einem Songs, den einer der Jazzer gespielt hatte: „Ich glaube, er hieß ‚Give Me One More Time‘.“ Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen: „Mom, das war Ray Charles mit ‚What’d I Say‘ und das ist Rock ’n’ Roll!“ Aber wisst ihr was? Sie ließ mich ungestört auf das Piano eindreschen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
Mein Bruder Tom war vier Jahre älter als ich und konnte in Kreisen verkehren, für die ich noch viel zu jung war – etwa mit Musikern, die in einer ganz anderen Liga als ich spielten. Da gab es diesen Song, „Do You Want to Dance“ von Bobby Freeman, der einen besonderen Platz in der Mythologie von uns Fogerty-Brüdern einnehmen sollte. Es ist eine ganz schlichte, simple Nummer: etwas Klavier, ein wenig Bongos. Vielleicht ein bisschen Kontrabass und Gitarre – aber das war es dann auch schon. Nicht einmal ein richtiges Schlagzeug. Auf jeden Fall aber eine wunderbare Performance, ein richtig cooles Rock ’n’ Roll-Arrangement. Abgesehen davon stammte Bobby wie wir aus der Bay Area, und Tom kannte seinen Pianisten, Richard Dean. Toms Stimme erinnerte stark an jene Bobby Freemans. Wir hatten ein paar Bongos bei uns herumliegen, und so spielten wir den Song gerne gemeinsam. Tom haute in die Tasten und sang, während ich ihn an den Bongos begleitete. Er spielte bereits ein paar Jahre länger als ich. Da Bongos ziemlich einfach zu spielen sind, lernte ich den Song so gut, dass es wie auf Platte klang. Tom sang den Song bis spät in die Nacht hinein – bis um 2 Uhr oder so. Ganz egal, wie gut er das auch tat, unser Nachbar beschwerte sich trotzdem. Tom hatte eine richtig gute, entspannte Stimme mit einem großen Umfang, so wie Bobby Freeman oder Ritchie Valens. Er war wie geschaffen für solche Nummern. Tom hätte eine weiße Doo-Wop-Formation in der Art der Crests oder auch Randy and the Rainbows anführen und Songs wie „Sixteen Candles“ singen können. Eine Zeit lang tat er sich tatsächlich mit einer Gruppe namens Spider Webb and the Insects zusammen. Das waren etwas ältere Typen, die sich von einem Saxofonisten begleiten ließen. Sie kamen zu uns zu Besuch und trugen einen Song mit Tom vor, nämlich „Donna“, den Hit von Ritchie Valens. Ich wünschte, davon gäbe es eine Aufnahme, obwohl ich es immer noch in meinem Kopf hören kann, wie Tom sang und der Saxofonist die Parts, die üblicherweise die Gitarre spielte, beisteuerte. Sogar unsere Mom fand das cool. Die Insects befanden sich in Begleitung von ein paar Mädels. Das waren richtige Rock ’n’ Roll-Girls in verführerisch engen Klamotten, die quasi als Aufputz für die Jungs herhielten. Das wiederum gefiel meiner Mom weniger, was sie die Band auch wissen ließ. Obwohl ich noch sehr jung war, konnte ich spüren, dass da mit diesen Hühnern was im Busch war. Ich glaube, dass meiner Mutter genau das unangenehm war.
Der musikalische Zeitvertreib mit Tom war einfach magisch. Einmal fuhren wir in seinem rot-weißen ’56er Bel-Air-Kombi, als er bereits verheiratet war und ein paar Kinder hatte. Wir rollten dahin, und plötzlich setzte der Riff zu „When Will I Be Loved“ von den Everly Brothers im Radio ein. Wir sahen uns nur kurz an, und unsere Gesichter schienen zu sagen: „Wir sind wohl gerade gestorben und direkt im Himmel gelandet!“ Genau so erging es uns auch, als wir zum ersten Mal „Satisfaction“ hörten. Wir sitzen im Auto, und von einem Moment auf den anderen kommt da dieser Riff um die Ecke gebogen: daaah daaah da da daaah! Wir erlebten zusammen viele solcher Augenblicke. Tom und ich standen eben beide irrsinnig auf Musik und teilten sie brüderlich miteinander.
Mit zwölf oder dreizehn war es ein logischer Schritt, mir eine E-Gitarre zuzulegen und selbst Rock ’n’ Roll zu machen. Die Gitarre kaufte ich bei Sears, eine Silvertone von Danelectro für 39,95 Dollar. Sie hatte nur einen Tonabnehmer – zwei wären nämlich teurer gewesen. Mein erster Verstärker hatte fünf Watt und kostete ebenfalls 39,95 Dollar. Meine Mom half mir bei der Finanzierung, aber ich versprach, mit meinem Geld als Zeitungsbote zu bezahlen, und hielt auch Wort. Im Preis inbegriffen war ein leichter Gitarrenkoffer mit einer Oberfläche aus Alligatorenleder. Später verscherbelte ich die Danelectro für fünf Mäuse an einen Mitschüler. Ich glaube, dass er mich auch bezahlte. Dennoch hätte ich das Ding behalten sollen.
Sobald