Phantastica. Lewin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lewin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783940621771
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Das Tabakkauen.

       c) Das Tabakrauchen.

       d) Die Eroberung der Menschheit durch den Tabak.

       e) Die Einschätzung des Tabakgebrauches als Genuss und Gift.

       f) Die körperlichen Störungen durch Tabak.

       g) Ersatzmittel des Tabaks.

       Das Paricá-Schnupfen.

       Das Arsenikessen.

       Quecksilber.

       Schlusswort.

       Anmerkungen und Kommentare

       Louis Lewin – Entgegen der „faustischen Qual des Nichterkennenkönnens“ 1

      Die „Phantastica“, ein enzyklopädistisches Werk der Drogenkunde, veröffentlichte der Chemiker Louis Lewin im Jahre 1924. Sie ist das Ergebnis einer langjährigen Faszination ihres Autors gegenüber den Drogen, „die den seelisch Gepeinigten lastfrei, den Schmerzdurchwühlten oder den dem Tode Geweihten hoffnungerfüllt [machen], dem durch Arbeit Geschwächten […] neue Leistungsimpulse [geben] […] und dem nach der Arbeit weltscheu und stumpf Gewordenen eine Stunde innerlichen Behagens und Zufriedenseins [verschaffen].“2

      Schon seit 1886 beschäftigte sich der Berliner Wissenschaftler Lewin mit der Untersuchung derartiger Stoffe. Diese „betäubenden und erregenden Genussmittel“ führte Lewin in dem Neologismus „Phantastica“ zusammen. Der Autor plädierte mit diesem Werk für ein höheres wissenschaftliches Interesse, das den „phantastischen Stoffen“ auf Grund ihrer Bedeutung für Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Jura und Ethnologie zukommen sollte. Laut Lewin hätten Genussmittel als anthropologische Konstante seit jeher in verschiedensten Kulturen existiert. Deshalb sollten sie – entgegen der bis zu diesem Zeitpunkt nur geringen Beachtung – nun in den Fokus der Wissenschaften gerückt werden.

      Damit traf Lewin den Puls der Zeit. Das ausklingende 19. sowie das beginnende 20. Jahrhundert waren geprägt von einer tiefen Umbruchphase. In beinahe allen akademischen Zweigen formierten sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch Differenzierung und Spezialisierung der Forschungen etliche Institute, die der Suche nach Erkenntnis, Raum und Zeit boten.3 Charles Darwin, Robert Koch und Wilhelm Conrad Röntgen, sind nur einige der bekannten Wissensdurstigen dieser Epoche. Mit den Untersuchungen der „Phantastica“ zu einer Zeit, in der unablässig geforscht und ergründet wurde, befand sich Lewin folglich inmitten des Versuchs, der – wie er es nannte – „faustischen Qual des Nichterkennenkönnens“4 zu entkommen.

      Nach der Entdeckung des Herstellungsverfahrens von Morphin aus Opium im Jahre 1806, der Erzeugung von Kokain aus der Coca-Pflanze im Jahre 1859 sowie der Gewinnung von Heroin etwa 30 Jahre später, hätten Schriften wie Lewins von großer Bedeutung für den noch weitreichend unbekannten Umgang mit Drogen sein müssen. Doch hielt sich Lewins Erfolg im wissenschaftlichen Feld mit seinem Werk „Phantastica“ in Grenzen. Was war der Grund für diese unglückliche Entwicklung?

      Lewins Schicksal spiegelt ein Stück deutscher Geschichte wider, in der Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus lange eine große Rolle spielten. Er lebte zu einer Zeit, in der antisemitische Ressentiments an den Hochschulen weit verbreitet waren und Wissenschaftler jüdischer Herkunft es nicht leicht hatten, sich akademisch Gehör zu verschaffen. Lewins Fachrichtung machte es ihm zusätzlich schwer, anerkannt zu werden. Sein fortschrittliches Denken, das heute als wissenschaftliches Pionierwerk im Umgang mit Drogen angesehen werden muss, wurde zu Lebzeiten noch äußerst zwiespältig betrachtet. Die Toxikologie und Drogenkunde waren zum damaligen Zeitpunkt unbekannte Terrains und befanden sich erst auf dem Weg, sich zu Wissenschaften zu etablieren.

      Louis Lewin wurde am 9. November 1850 im westpreußischen Tuchel geboren. Mit seinen Eltern, Rahel und Hirsch Lewin, zog der sechsjährige Junge 1856 aus der polnischen Provinz Suwalki in Russland, in der es Mitte des 19. Jahrhunderts zu schweren Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen war, in das Berliner Scheunenviertel. In dem von Friedrich Wilhelm I. geschaffenen Viertel für bedürftige Juden, das sich am dicht bebauten Alexanderplatz befand, wurden ostjüdische Einwanderer im 19. Jahrhundert bevorzugt untergebracht.5 Aus den widrigen Umständen seiner Zeit und den einfachen Verhältnissen – als Schuhmacher waren die finanziellen Mittel seines Vaters nur begrenzt – versuchte sich Lewin bereits früh zu befreien. Aus eigener Willenskraft eignete sich der Sprössling, der von seinem Elternhaus nur das Jiddische erlernte, vorerst die deutsche, anschließend die hebräische, griechische, lateinische, englische und schließlich die französische Sprache an. So schaffte er es aus seinem starken Lerneifer heraus, von der jüdischen Gemeindeschule an das renommierte Friedrich-Werdersche-Gymnasium zu wechseln, an dem er im Jahr 1871 seine Reifeprüfung erfolgreich absolvierte. Hier fand er in seinem Lehrer Paul de Lagarde einen guten Freund und Förderer, mit dessen finanzieller Hilfe Lewin sein anschließendes Studium finanzieren konnte.

      Seine Wissbegierde trieb den jungen Lewin zu einem Medizinstudium an die Friedrich-Wilhelm- Universität in Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. Er promovierte schließlich mit einer preisgekrönten Arbeit zur Untersuchungen der Wirkung des Pflanzengifts Aconitin und arbeitete, nach seinem freiwilligen Dienst im Militär, in München als Assistent am Hygieneinstitut des bayrischen Chemikers Max von Pettenkofer. Im Jahr 1878 kehrte Lewin wieder nach Berlin zurück, um als Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität tätig zu werden. Mit 40 Jahren habilitierte sich der Mediziner und erhielt im Jahre 1893 schließlich den Titel des Privatdozenten.

      Doch Lehrauftrag sowie Prüfungserlaubnis blieben aus – Lewin wurden weder Räumlichkeiten zur Lehrtätigkeit zugesprochen, noch durfte er offiziell unterrichten. Der jüdische Mediziner wusste sich jedoch zu helfen, worin sich wieder sein starker Wille zeigt: Er zog in der Nähe der Berliner Charité und richtete dort sein eigenes Labor inklusive Lehrraum ein. In diesen Räumlichkeiten hielt Lewin fortan private, unentgeltliche Vorlesungen, die zahlreich besucht und von vielen Studierenden sogar auf Grund ihrer unkonventionellen und leidenschaftlichen Vortragsweise geschätzt wurden.6

      Die Anerkennung an der Universität – die für ihn von größter Bedeutung war – blieb Lewin jedoch weiterhin verwehrt. Mehrmalige Bitten, die Kosten für sein Privatinstitut zu übernehmen, wurden von der Universität abgelehnt. War das aufgrund seines jüdischen Glaubens?

      Das Lehrpersonal an den Universitäten des Deutschen Reiches entstammte im 19. Jahrhundert überwiegend dem wohlhabenden Bürgertum. Weniger als ein Viertel des Lehrkörpers der Berliner Universität in den Jahren 1871 bis 1933 war jüdischer Herkunft, davon hatten ungefähr 40 Prozent ihren Glauben gewechselt oder waren aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, um ihre Karrierechancen zu steigern.7 Lewin stellte mit seinem jüdischen Ursprung somit eine der wenigen Ausnahmen an der Berliner Universität dar. Er lehnte es ab, zugunsten seiner Karriere zu konvertieren – vielleicht ein Grund wieso der Wissenschaftler so lange auf seinen Lehrauftrag warten musste.

      1919 wurde Lewin dennoch zum Honorarprofessor an der Technischen Hochschule in Charlottenburg ernannt, doch blieb damit die ihm auf Grund seiner Leistung eigentlich zustehende ordentliche Professur weiterhin verwehrt. Erst 1923 erhielt er den offiziellen Lehrauftrag an der Charlottenburger Hochschule. Kurz zuvor verlieh ihm die Berliner Universität den Titel des Extraordinarius und damit endlich einen offiziellen