»Ja, ich liebe ihn und ich passe gut auf ihn auf«, erklärte Emilia, bevor sie mit dem Holzkasten in der Imkerei verschwand.
»Sebastian Seefeld sieht nicht so aus, als müsste man auf ihn aufpassen«, raunte Susanne Anna zu.
»In einer gewissen Hinsicht vielleicht schon.«
»Und die wäre?«
»Ich achte darauf, dass er nicht von den falschen Frauen umlagert wird«, erklärte Emilia, die gleich wieder zurückkam.
»Das funktioniert?«, fragte Susanne.
»Ich gebe mir Mühe«, antwortete Emilia lächelnd.
»Wie unterscheidest du die richtigen von den falschen?«
»Ich beobachte Papa, ich weiß, wie er sich gibt, wenn er eine Frau wirklich liebt. Ich weiß es, weil ich ihn und Mama zusammen gesehen habe.«
»Deine Mama kann niemand ersetzen«, sagte Anna leise und streichelte Emilia über das Haar.
»Nein, das geht nicht, aber das heißt nicht, dass Papa sich nicht mehr verlieben wird, das weißt du«, entgegnete Emilia und betrachtete Anna mit einem bewundernden Blick.
Ihre von der Sonne getönte Haut, die strahlend grünen Augen, das braune Haar, das ihr in weichen Locken über den Rücken fiel und in einem aufregenden Kontrast zu dem türkisfarbenen Sommerkleid mit den zierlichen Trägern stand – Anna war zweifelsohne eine schöne Frau, und Emilia wusste, dass ihr Vater Anna sehr gern hatte und dass allein seine Trauer um seine Frau der Grund dafür war, dass er sein Herz noch nicht für eine neue Liebe öffnen konnte.
»Wie wäre es jetzt mit Kaffee und Butterbrot mit Honig?«, schlug Susanne vor.
»O ja, bitte«, stöhnte Emilia, so als stünde sie kurz vor dem Verhungern. »Gibt es auch Malzkaffee? Ich gehöre noch nicht zur Kaffeetantengeneration«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.
»Wie alt muss man denn sein, um zu dieser Generation zu gehören?«, fragte Susanne lachend.
»Auf jeden Fall älter als vierzehn.«
»Dann also Malzkaffee. Geht schon mal auf die Veranda, ich bin gleich bei euch.«
»Hat sie vorhin gesagt, dass sie Arbeit sucht?«, wollte Emilia von Anna wissen, als sie gleich darauf nebeneinander auf der aus Kiefernholz geschreinerten Eckbank saßen.
»Ja, das habe ich gesagt«, antwortete Susanne, die mit einem voll beladenen Tablett auf die Veranda kam.
»Dringend?«, erkundigte sich Emilia, während Susanne Teller und Tassen verteilte, zwei Kaffeekannen, kräftiges Schwarzbrot, Butter und Honig auf den Tisch stellte.
»Ja, sehr dringend, das ist mir gestern klar geworden, als ich meine Bücher noch einmal durchgegangen bin. Ich dachte mir, du kommst doch viel herum, Anna, vielleicht weißt du, wo jemand gesucht wird. Bevor ich meine Ausbildung zur Imkerin angefangen habe, habe ich doch in einer Gärtnerei gearbeitet, vielleicht findet sich da etwas.«
»Du hast eine richtige Imkerlehre gemacht?«, fragte Emilia verblüfft.
»Sie hat sogar eine Meisterprüfung abgelegt«, sagte Anna.
»Wow, das könnte passen.«
»Passen für was?«, fragte Susanne.
»Bevor ich zu dir kam, war ich doch drei Tage in der Brauerei Schwartz.«
»Ich weiß, weil du dir angesehen hast, wie sie ihr berühmtes Honigbier brauen.«
»Mit dem Honig aus ihrer eigenen Imkerei, die ich mir leider nicht ansehen konnte. Da herrscht gerade ein wenig Chaos.«
»Warum das?«, fragte Susanne.
»Ihr Imker hat sich vor zwei Tagen praktisch über Nacht verabschiedet. Sein Bruder besitzt eine Honigfarm in Neuseeland und hat ihm eine Beteiligung angeboten. Offensichtlich hat er darauf schon lange gewartet und hat sich sofort auf den Weg zu ihm gemacht. Das war echt kein guter Zeitpunkt, jetzt so kurz vor der Jubiläumsfeier.«
»Ich habe darüber in der Zeitung gelesen. Die Brauerei Schwartz feiert ihr 500 jähriges Bestehen.«
»Jedenfalls sucht Leonhard Schwartz dringend jemanden, der sich um die Imkerei kümmert. Du könntest dich doch einfach mal dort vorstellen«, schlug Emilia vor.
»Darf ich mich auf dich berufen?«, fragte Susanne, die kaum zu hoffen gewagt hatte, dass sie in ihrem Beruf Arbeit finden könnte.
»Klar darfst du das, ruf doch am besten gleich an.«
»Ja, das mache ich.«
»Bleib ganz ruhig, Leonhard ist sehr umgänglich«, sagte Anna, als Susanne tief Luft holte, um ihre Aufregung in den Griff zu bekommen.
»Und genau wie Papa sehr begehrt, seitdem er sich vor ein paar Monaten von seiner Freundin getrennt hat, die auch gar nicht zu ihm gepasst haben soll, wie Traudel mir versichert hat.«
»Ich kann Traudel nur zustimmen, aber jetzt geht es erst einmal nicht um Leonhards Liebesleben, sondern um seine Qualitäten als Arbeitgeber.«
»Bis gleich«, sagte Susanne, als Anna sie aufmunternd anschaute.
»Ich denke, Leonhard wird sie einstellen«, sagte Emilia, als sie Susanne in der Diele telefonieren hörten.
»Zumindest ist ihre Ausbildung die beste Voraussetzung. Was ist?«, fragte Anna, als Susanne kurz darauf wieder zu ihnen auf die Veranda kam.
»Ich konnte nur mit seiner Sekretärin sprechen, aber sie hat mir einen Vorstellungstermin gegeben.«
»Für wann?«
»Gleich heute Nachmittag.«
»Das ist großartig«, sagte Anna.
»Aber sie sieht gar nicht so erfreut aus«, stellte Emilia fest, als Susanne sich kerzengerade auf die Bank setzte und geradeaus starrte.
»Ich überlege nur, wie ich mich vorstellen soll«, sagte Susanne, »sportlich gekleidet, mehr elegant, businessmäßig?«
»In Imkerkleidung, in diesem weißen Anzug mit der rundherum abgedichteten Kopfbedeckung.«
»Was?« Susanne und Anna sahen Emilia verblüfft an.
»Ich denke, du willst dich als Imkerin bewerben.« Emilia bemühte sich, ernst zu bleiben. »Das war natürlich ein Witz«, prustete sie los, als die beiden sie noch immer ungläubig anschauten. »Aber es wäre eine originelle Kleidung für dieses Vorstellungsgespräch, das müsst ihr doch zugeben.«
»Wenn es nur um die Arbeit ginge, dann schon, aber während eines Vorstellungsgespräches geht es doch auch darum, dass dein Gegenüber sich einen Eindruck von deiner Persönlichkeit machen kann«, sagte Anna.
»In diesem Anzug könnte Susanne aber deutlich machen, dass sie völlig in ihrem Beruf aufgeht.«
»Könnte es sein, dass du mir mehr Chancen bei Herrn Schwartz einräumst, wenn ich mich in einem Anzug verstecke?«, fragte Susanne.
»Also gut, ihr habt mich geschafft«, seufzte Emilia und lehnte sich kichernd zurück. »Da kommt Papa«, stellte sie überrascht fest, als sie gleich darauf auf den Geländewagen aufmerksam wurde, der aus dem Dorf heraufkam.
»Vielleicht will er sehen, wie du dich als Imkerin machst«, sagte Susanne und folgte Emilias Blick.
»Hallo, ich bin auch noch da.« Emilia schnipste mit den Fingern, als der Geländewagen vor dem Gartentor anhielt, Sebastian Seefeld ausstieg und Anna und Susanne ihn verträumt anschauten.
Kaum eine Frau konnte sich Sebastians Anblick entziehen. Er war groß und schlank, hatte dunkles Haar, helle graue Augen, und sein Lächeln vermochte es, große Sehnsüchte zu entfachen.
»Ich