Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
Sebastian irritiert. Er war sich des Schweigens an den Nachbartischen peinlich bewusst und wäre am liebsten im Erdboden verschwunden.

      »Von meiner Komposition, die du unterschlagen hast! Ich habe sie selbst auf Sophias Platz gelegt!«

      »Ich habe nichts unterschlagen, und außer der Blumengirlande lag nichts auf dem Tisch!«, antwortete Sebastian fest. Ihm war klar, dass Leander nicht nur grundlos eifersüchtig, sondern obendrein auch betrunken war. Er stand auf und legte dem anderen Mann die Hand auf den Arm. »Komm jetzt mit, Leander. Ich glaube, es ist besser, wenn ich dich ins Hotel bringe.«

      »Fass mich nicht an!« Der Orgelbauer sprang auf und riss mit einem heftigen Ruck seinen Arm aus dem Griff des Arztes. Dabei wandte er viel zu viel Kraft auf, außerdem stand er unsicher auf den Füßen – er stolperte gegen den Tisch, griff reflexartig nach Halt und landete samt karierter Tischdecke und einem Teil des Geschirrs auf dem Kiesboden!

      Sebastian Seefeld atmete einmal tief ein und wieder aus. Na, bravo, dachte er, das Dorf hat Gesprächsstoff für die nächsten zwanzig Jahre! Er kniete sich neben Leander auf den Boden und streckte seine Hand aus. »Alles in Ordnung? Hast du dich verletzt?«

      »Wie? Nein, ich glaube nicht«, stammelte Leander, den der Schock seiner unsanften Landung wieder zur Besinnung gebracht hatte. »Was tue ich hier unten?«

      Sebastian unterdrückte einen Seufzer. »Ist ‘ne längere Geschichte. Jetzt komm erst einmal hoch, wir reden woanders weiter.«

      Während Leander sich aus dem von ihm verursachten Chaos aufrappelte, regelte Doktor Seefeld den Schaden mit der Kellnerin, griff nach dem Arm seines Freundes und bugsierte ihn unter reger Anteilnahme der anderen Gäste aus dem Biergarten hinaus und hinüber ins Doktorhaus. Dort drückte er ihn in einen bequemen Terrassenstuhl, reichte ihm eine kalte Wasserflasche und sagte: »So! Und nun bitte die ganze Geschichte!«

      Und Leander Florentin packte aus: er erzählte von seiner wachsenden Zuneigung, die sich in Liebe verwandelt hatte, von seinen Träumen und Hoffnungen, vom Lied für Sophia, von seiner Enttäuschung, weil die angebetete Frau nicht darauf reagiert hatte. Von seinem Stolz, sie darauf nicht ansprechen zu wollen. Von seiner Eifersucht auf Sebastian und den quälenden Vorstellungen, dass Sophia und er bei ihrem romantischen Wochenende ein Paar geworden waren.

      »Du Depp!« Sebastian, der bisher wortlos zugehört hatte, schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Mann, du kannst einen aber auch wahnsinnig machen! Sich so einen Blödsinn einzureden! Erstens: es hat kein Notenpapier auf dem Tisch gelegen, darauf hast du mein Wort! Zweitens: Sophia Corelli ist eine bemerkenswerte Frau, aber nicht mein Typ, ich wollte und will nichts von ihr! Und drittens: weißt du, wer bei unserem ›romantischen Wochenende‹ mit von der Partie gewesen ist? Du!«

      »Wa …?« Leander klappte der Mund auf.

      »Ja, du!«, fuhr Sebastian fort und musste sich ein Grinsen verkneifen. »Von morgens bis abends ging es in einer Tour: Leander hier und Leander dort und Leander überhaupt, und warum nur ist Leander immer so zurückhaltend? Mann, Sophia hat sich bei mir ausgeheult, weil sie annimmt, dass sie dir nichts bedeutet!«

      »Das …, das ist …«, stammelte Leander fassungslos.

      »Die Wahrheit!«, erwiderte Sebastian energisch. »Und jetzt ab mir dir ins Badezimmer! Halt den Kopf unter den kalten Wasserhahn, damit du wieder klar denken kannst, und dann kommst du raus in den Hof. Ich warte im Wagen auf dich.«

      »Wieso?« Leander fühlte sich von den Ereignissen überrollt.

      Sebastian verdrehte die Augen. »Sophia hinterher! Sie ist auf dem Weg zum Flughafen in München und ich schätze, mit deinem alten Gefährt brauchst du zwei Tage, bis du dort ankommst.«

      Leander stürzte ins Badezimmer, und Sebastian ging kopfschüttelnd zu seinem Auto hinaus. In der Einfahrt traf er auf seinen Vater, der ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen musterte. »Du warst in eine Wirtshausprügelei verwickelt?«, fragte er ungläubig.

      Sein Sohn seufzte. »Wer …?«

      »Die gute Afra, unser Dorfpolizist Gregor Leutner, Elvira Draxler, Therese Kornhuber, der alte Eder«, zählte Benedikt auf, »und noch gefühlt fünfzig andere.«

      »Das ist eine lange Geschichte, Vater, die ich erzähle, wenn ich aus München zurück bin. Und um es ein für allemal klarzustellen: ich bin NICHT in eine Wirtshausprügelei verwickelt gewesen!«

      »Aha! Und was willst du in München?«

      »Zwei Künstlerseelen unter die Arme greifen, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen!«, grinste Seefeld junior.

      *

      Sophia hatte alle Kontrollen passiert und wartete am Gate darauf, an Bord gehen zu können. Sie hatte noch viel Zeit, eigentlich hätte sie es sich in einem der Restaurants gemütlich machen können, aber dazu war sie nicht in der Stimmung. Wo war die Freude über Nonnas Geburtstagsfeier geblieben? Wo die Freude darüber, mit einer aufregenden Neuigkeit nach Hause zu kommen?

      Sie waren überlagert von der Enttäuschung über Leanders kühlen Abschied und der Erkenntnis, dass ihre Gefühle unerwidert blieben. Hier, inmitten der vielen, geschäftigen Menschen, überwältigte Sophia ihre Einsamkeit. Um die aufsteigenden Tränen zu verbergen, senkte sie den Kopf und starrte blicklos auf die Zeitschrift, die ungelesen in ihrem Schoß lag. Auf den freien Platz neben sie setzte sich ein Mann, den sie nicht beachtete. Der Duft seines Rasierwassers streifte sie, und Sophia schloss die Augen. Sandelholz, dachte sie, Leander …

      »Könntest du bitte die Augen öffnen?«, sagte eine vertraute Stimme direkt neben ihr.

      Seltsam, dachte Sophia, ich rieche Leanders Duftwasser, und schon habe ich seine Stimme im Ohr. Das muss aufhören!

      »Na-a? Ich warte …«

      Wie im Traum wandte Sophia ihren Kopf, öffnete die Augen und – »Leander! Du bist hier!«

      Plötzlich war er Wirklichkeit, und sie lag in seinen Armen. »Ich … kann es gar nicht fassen! Was … tust du hier?«, stammelte sie atemlos.

      »Dir hinterher reisen; wenn es sein muss, bis ans Ende der Welt!«

      »Wollen wir mit der Toskana beginnen?«, flüsterte Sophia irgendwo zwischen Lachen und Weinen. »Und dann schauen, wohin es uns führt?«

      »Deswegen bin ich hier, meine Liebste!«, antwortete Leander, und alles Zögern, alle Missverständnisse, das verschollene Lied für Sophia und alle Einsamkeit verflüchtigten sich unter der sanften Berührung ihrer Lippen.

      – E N D E –

Cover Ines schwimmt sich frei

      »Zieht jemand um, Gerti?« Ines Voigt, die Kultur- und Tourismusbeauftrage der Gemeinde Bergmoosbach, hatte ein Rezept in der Praxis Seefeld abgeholt und wollte gerade wieder gehen, als der Lastwagen einer Spedition den Weg von der Straße heraufkam.

      »Ich weiß von keinem Umzug.«

      »Das kann ich eigentlöich nicht glauben.« Die junge Frau in dem gelben Dirndl schaute Gerti Fechner, die langjährige Sprechstundenhilfe der Seefelds, verwundert an. Sie wusste doch sonst immer über alles Bescheid, was im Haus der Seefelds vor sich ging.

      »Geh, wie kommst du denn überhaupt darauf, dass jemand umzieht?« Gerti zupfte den weißen Kittel zurecht, den sie über ihrem moosgrünen Faltenrock trug, schob die Lesebrille in ihre dunklen Locken zurück und kam hinter dem Tresen hervor.

      »Wegen des Möbelwagens.« Ines schaute fasziniert zu, wie der Fahrer den LKW den Weg hinaufsteuerte und ihn neben der alten Ulme im Hof parkte, ohne die Bank zu berühren, die den dicken Stamm umschloss.

      »Sie kommen mit einem Möbelwagen«, wunderte sich Gerti und schaute über Ines’ Schulter hinweg in den Hof.

      »Wer kommt?«

      »Du bist heut aber schon ein bissel neugierig,