Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
schaute nachdenklich vor sich hin, dann legte er seine Hand unter ihr Kinn und hob sanft ihr Gesicht zu sich empor. »Ich glaube, ich hätte genau dasselbe getan.«

      Sophias dunkle Augen glänzten von ungeweinten Tränen und vor Glück, in Leander eine verwandte Seele getroffen zu haben. »Ja, das glaube ich auch«, antwortete sie leise.

      Ihr Schweigen war erfüllt von Freundschaft und vielleicht auch etwas anderem, und in dieser Stunde war alles war gut.

      *

      Die nächste Zeit verging wie im Flug.

      Die Arbeiten in der Kirche gingen gut voran; das Wandgemälde trat immer deutlicher zu Tage, und die Orgel gewann ihre alte Klangfülle zurück. In ihrer freien Zeit traf Sophia sich häufig mit den von Ravens, und es wurde viel aus der Familiengeschichte erzählt. Im Stillen wünschte Sophia sich mehr dieser ruhigen, vertrauten Abende mit Leander oder dass er sie zu den Besuchen auf Gut Brunnenhof begleiten würde. Aber Leander schien sehr mit sich selbst und seinen Dingen beschäftigt zu sein. Bis weit nach Mitternacht brannte in seinem Wagen das Licht, und oft trug sein Gesicht diesen leicht abwesenden Ausdruck, der Sophia bei ihrem ersten Besuch auf dem Gestüt aufgefallen war. Sie hoffte auf ihre Geburtstagsparty, die sie mit fast vergessener Lebensfreude und Temperament vorbereitete. Vielleicht würde Leander dann wieder mehr aus sich herausgehen. Er hatte gesagt, dass er etwas Besonderes mitbringen wolle und Sophia konnte nicht verhindern, dass in ihr eine geradezu kindliche Vorfreude auf dieses geheimnisvolle Etwas wuchs.

      Leander komponierte in jeder freien Minute an seinem Lied für Sophia. So viele Ideen und Ansätze erklangen in seinem Kopf, die er verwarf, weil sie noch nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Er arbeitete mit Hochdruck an seinem Werk, denn es sollte zu ihrem Geburtstag auf ihrem Tisch liegen, und es sollte perfekt sein.

      Und es wurde perfekt! Am Tag vor dem Geburtstag war er fertig, seine Komposition stand auf dem Notenpapier und brachte das Leben der jungen Frau zum Klingen. Leanders Musik erzählte von dem Baby, das im Körbchen lag und Licht und Farben entdeckte, sie begleitete Sophia auf ihrem weiteren Lebensweg, sie erzählte von Schönem, Schwerem und von Einsamkeit. Leidenschaftliche Liebe kam darin vor und Schmerz, schrille Dissonanzen erzählten von Verrat und Betrug. Sein Werk endete in einer sanften Harmonie, die letzte Tonfolge erklang als wortlos gesprochener Satz.

      Das Lied sagte: das alles bist du, Sophia. Du bist wundervoll, und ich liebe dich!

      Leander betrachtete die Papiere, auf denen seine Noten von Sophias Leben und zugleich von seiner tiefen Liebe zu ihr erzählten. Sie würde es verstehen, das wusste er. Sie würde verstehen und mit ihrer Liebe antworten.

      Behutsam rollte er die Notenblätter ein und wand ein edles, weiß-goldenes Band um die Rolle. Der Mann wollte, dass sein Geschenk das allererste war, das Sophia am Geburtstagsmorgen erhielt, eine Überraschung, mit der sie nicht gerechnet hatte.

      Deshalb machte er sich in den frühen Morgenstunden, als in Bergmoosbach die meisten Fensterläden noch geschlossen waren, auf den Weg zum Doktorhaus. Äußerst leise und vorsichtig betrat er den Garten. Er wusste, dass Sophias Fenster auf die Terrasse hinausging, und hoffte inständig, dass sie noch schlafen möge. Das Fenster war geöffnet, die weißen Vorhänge waren geschlossen. Nichts rührte sich.

      In dem Blumengeschäft, bei dem er Sophias opulenten Blumenstrauß bestellt hatte, hatte er auch zwei zarte Girlanden aus Buchsbaum, Efeu, Schleierkraut und Moosröschen in Auftrag gegeben. Leander wusste, wo am Tisch Sophia ihren Lieblingsplatz hatte. An diesem Stuhl befestigte er die eine Girlande, die andere platzierte er davor auf dem Tisch. Dorthin legte er auch die Rolle mit den Notenpapieren. Mit kritischem Blick überprüfte er noch einmal das Schleifenband, das sein Geschenk umschloss. Ja, es sah perfekt aus.

      Leander warf noch einen sehnsüchtigen Blick zu dem stillen Fenster im Obergeschoss des Hauses hinauf, dann ging er ebenso leise, wie er gekommen war. Sophias Ehrentag würde mit seiner Liebesgabe beginnen, und der Abend wäre der Auftakt ihrer gemeinsamen Geschichte. Erfüllt von Glück und prickelnder Vorfreude ging Leander hinüber in die Kirche und setzte seine Arbeit an der Orgel fort.

      Der junge Künstler hatte seine liebevolle Überraschung für Sophia genau geplant: er hatte die Wettervorhersage verfolgt, ob Regen oder Wind, der das Notenpapier hätte davontragen können, zu erwarten waren. Er hatte überlegt, was er tun sollte, falls Nolan den Eindringling verbellen würde. Was er sagen würde, wenn jemand aus der Familie Frühaufsteher wäre und draußen bei seinem ersten Kaffee säße.

      Womit Leander überhaupt nicht gerechnet hatte, war das Auftauchen von Aloysius, dem Kater der Kioskbesitzerin Afra. Aloysius war flink, unternehmungslustig und mindestens ebenso neugierig wie sein Frauchen. Ein Abstecher in den Garten des Doktorhauses war der Schlusspunkt seiner nächtlichen Streifzüge. Wenn er Glück hatte, war Traudel schon auf den Beinen, und es gab ein paar Streicheleinheiten und freundliche Worte, meistens auch einen kleinen Leckerbissen. Heute waren die Türen noch geschlossen, aber etwas lag auf dem Terrassentisch und bewegte sich ganz leicht im Wind. Zwei weiß-goldene Bänder hingen über der Tischkante und schaukelten vor und zurück – ein unwiderstehliches Signal an Aloysius‘ Jagdinstinkt!

      Ein Satz, ein Hieb mit der Pfote – und zack, lag Sophias Lied auf dem Boden. Aloysius war begeistert, so ein schönes Spielzeug! Er schubste das Papier hin und her, seine Krallen rissen Fäden aus dem Schleifenband, und die leichte Beute flog über den abschüssigen Rasen. Der muntere Kater verfolgte das verlockende Flatterding bis weit unter die Rhododendronhecke, er verpasste ihm noch einige spielerische Pfotenhiebe und spazierte dann zufrieden über die benachbarten Grundstücke nach Hause.

      Wenig später zog Sophia die Vorhänge zurück und schaute aus dem Fenster. Strahlender Sonnenschein lag über den Häusern und Gärten, den Wäldern und dem Sternwolkensee, der in der Ferne glitzerte. Schwalben schossen an ihrem Fenster vorbei, und im Weinlaub lärmten die Spatzen. Was für ein fröhliches Geburtstagslied!, dachte Sophia glücklich. Dann fiel ihr Blick auf die Terrasse mit dem umkränzten Ehrenplatz, und sie lachte entzückt. Noch nie hatte sie ein so schön und liebevoll gestalteter Tisch an ihrem Geburtstagsmorgen erwartet.

      Dass etwas ganz Entscheidendes, das Herzstück dieser Überraschung, fehlte, ahnte sie nicht.

      Unten öffneten sich die Terrassentüren, und Emilias helle Stimme klang zu ihr herauf. »Ich freu mich so, dass der Kuchen was geworden ist! Oft wird er doch gerade dann schief oder klebt an der Form fest, wenn man es besonders gut machen will. Warum ist das eigentlich so?«

      »Pure Gemeinheit«, antwortete Traudel mit einem Augenzwinkern. »Aber dieser hier ist dir doch richtig gut gelungen.«

      Von oben sah Sophia, wie ein klassischer Gugelhupf mit Puderzucker auf den Tisch gestellt wurde. Er war von Buchsbaumzweiglein umkränzt, und in seiner Mitte wartete eine weiße Kerze aufs Anzünden. Die junge Frau war von der Mühe, die sich ihre Gastfamilie mit der Gestaltung ihres Geburtstages gemacht hatte, gerührt. Diese Aufmerksamkeit hatte sie weder als Mädchen in einer kinderreichen Familie noch später im Erwachsenenleben erfahren. Sie beeilte sich mit Duschen und Ankleiden und lief dann beschwingt hinunter zu ihren Freunden.

      Sophia wurde liebevoll begrüßt und mit guten Wünschen und Geschenken bedacht. Sprachlos machte sie der Umschlag, den Sebastian ihr überreichte. Er hatte ihr Karten für eine Ausstellung der großen Impressionisten in Salzburg geschenkt und anschließend ein Dinner in einem Sternerestaurant. Sophia fiel dem jungen Arzt spontan um den Hals. »Danke, Sebastian, das ist einfach fantastisch, ich habe mir sehr gewünscht, in diese Ausstellung zu gehen! Und dann noch in einem so edlen Lokal essen zu können – du verwöhnst mich wirklich sehr!« Ihr Blick umfasste die Familie, den hübsch gedeckten Tisch, und sie fuhr fort: »Ihr alle verwöhnt mich mit eurer liebevollen Art, vielen Dank! Allein diese hübsche Idee, meinen Platz mit Blumen zu schmücken, ist so süß.«

      »Da müssen wir dich leider enttäuschen«, antwortete Sebastian. »Diese gute Idee hatte jemand anderes. Als wir heute Morgen aufgestanden sind und den Frühstückstisch decken wollten, war der Blumenschmuck schon hier.«

      »Wirklich? Und ihr habt keine Ahnung, wer ihn angebracht haben könnte?«, erkundigte sich Sophia erstaunt.

      »Nein, wir