Der neue Landdoktor Staffel 9 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980528
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Er lief im Trippelschritt mit aufgestellten Ohren und aufgestellter Rute und zeigte seinem Herrchen ganz deutlich, dass dieser etwas falsch verstanden hatte. Beim Schuppen hatte es weder nach Marder oder Mäuschen gerochen, aber nach Eisen, Angst und Tod. Streuner hatte den Rucksack mit den Fallen gewittert, der im Schuppen in der Ecke lehnte. Leider konnte er es seinem Menschen nicht deutlicher erklären. Er musste warten, bis die Schuppentür geöffnet wurde, erst dann konnte er Wendelin zu seinem Fund führen. Dieser Entschluss saß felsenfest in Streuners Kopf verankert, er musste nur den richtigen Zeitpunkt erwischen. Bis dahin konnte er Wendelin helfen, indem er sich kleinere Holzscheite schnappte und sie zum Korb neben dem Kamin brachte.

      Mittlerweile war es in der Hütte sauber und gemütlich. Durch die weit geöffneten Fenster drangen Sonnenschein und der würzige Geruch des warmen Waldbodens in den großen Wohnraum. Kathi stand am Herd, brutzelte Speck und kochte Kaffee. Auf dem rustikalen Holztisch lag eine saubere, rot-weiß karierte Decke, und es warteten Körbe voller Brot und Brötchen, hausgemachte Marmeladen, Wurst und Käse auf die Langschläfer. Frische Pfirsiche und Aprikosen leuchteten neben roten Äpfeln und dunklen Brombeeren, und Kathi servierte sogar frisch gepressten Orangensaft.

      Gisbert überblickte von der Stiege aus zufrieden dieses Schlemmerparadies. So hatte er es sich vorgestellt! Und dass die gute Fee, die für das alles sorgte, auch noch ausgesprochen hübsch aussah, war das Krönchen auf diesem schönen Sommertag.

      »Guten Morgen, Kathi, es ist fantastisch, was du für uns zauberst«, sagte er herzlich.

      »Das ist keine Zauberei, ich tue halt meine Arbeit«, antwortete sie lächelnd.

      Gisbert hatte sich umgezogen und trug jetzt eine gut geschnittene, helle Sommerhose mit einem edlen Ledergürtel und ein schwarzes Poloshirt, das dezent seine Figur betonte, für die er jeden Tag in sein privates Fitness Studio ging. Seine blonden Haare waren frisch gebürstet und auf seinen Wangen zeichnete sich ein Drei-Tage-Bart ab. Sein Jagderfolg von gestern Nacht erfüllte ihn mit Stolz, und er strahlte vor Zufriedenheit. Kathi konnte nicht leugnen, dass ihn diese positive Ausstrahlung sehr attraktiv machte.

      Er schenkte sich einen Becher Kaffee ein und kam zu Kathi herüber geschlendert. »Weißt du, wann dieser Wendelin hier aufkreuzen wird? Ich habe Arbeit für ihn«, sagte er mit einem Lächeln, das nicht zu seinen nüchternen Worten passte.

      »Wendelin ist schon seit einer Stunde hier«, erwiderte Kathi. »Er hat sich um den Hof und die glimmende Feuerstelle gekümmert und nun spaltete er Brennholz. Hörst du das nicht?«

      »Ich habe auf etwas anderes geachtet«, antwortete er und ließ seinen aufmerksamen Blick über Kathis Gesicht gleiten. »Auf etwas, das wesentlich hübscher ist als der Anblick des ewig brummigen Wendelin.«

      »Er ist nicht ewig brummig, er macht sich halt Sorgen, dass hier draußen etwas geschieht«, sagte sie loyal. »Und dass ihr gestern das Feuer nicht gelöscht habt, ist schon ein starkes Stück.«

      Genervt verdrehte Gisbert die Augen. »Und ich hatte es ihnen extra noch gesagt«, erwiderte er mit einem beiläufigen Schulterzucken. »Warum sich aufregen, es ist doch nichts passiert. Interessiert dich denn gar nicht, welche Arbeit ich für diesen mürrischen Waldschrat habe?«

      Ehe sie darauf etwas sagen konnte, antwortete Wendelin von der offenen Tür: »Was soll der mürrische Waldschrat denn für dich erledigen?« Er stand dort mit dem schweren Brennholzkorb in den Händen, Streuner zu seinen Füßen und schaute Gisbert ausdruckslos an.

      »Ich hatte Jagdglück und habe einen Keiler erlegt«, erwiderte Gisbert forsch. »Ich brauche seine Hauer als Trophäe, du musst dich darum kümmern.«

      »Und wo hast du ihn? Im Kühlhaus ist er nicht«, fragte Wendelin, ohne dem anderen Mann zum Jagdglück zu gratulieren.

      »Na, wo wohl, im Wald natürlich«, antwortete Gisbert spöttisch.

      Wendelin glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Du hast das Tier einfach dort liegenlassen?«

      »Was denn sonst! Glaubst du, ich bin Herkules und kann das Vieh allein transportieren? Darum kümmerst du dich heute, jemand von der Gästemeute kann dir zur Hand gehen.«

      »Es ist dein Tier«, antwortete Wendelin scharf. »Du bist dafür verantwortlich, was jetzt mit ihm geschieht.«

      »Das Fleisch kann doch niemand essen, es schmeckt viel zu streng bei einem ausgewachsenen Keiler. Lass Hundefutter daraus machen oder was dir sonst noch dazu einfällt«, sagte Gisbert geringschätzig.

      Wendelin stellte den Holzkorb neben den Kamin und warf dem Mann einen warnenden Blick zu. »Du wirst mir helfen; du musst sowieso mitkommen, um mir zu zeigen, wo der Keiler liegt«, befahl er streng.

      Gisbert drehte sich zu Kathi um und hob grinsend die Hände. »Sag ich doch: er ist ein ewig mürrischer Waldschrat.«

      »Tja, das hast du auch nicht anders verdient nach dem, wie du dich im Wald verhalten hast«, antwortete Kathi mitleidlos.

      »Aber erst gibt es ein ausgiebiges Frühstück«, erwiderte Gisbert seelenruhig. »Magst du dich zu mir setzen, Kathi?«

      »Danke, nein«, antwortete sie fest, füllte zwei Becher mit Kaffee und winkte Wendelin mit hinaus auf den Hof. Sie gingen zum Holzschuppen hinüber und setzten sich dort auf die breite Stufe in die Sonne. Über den Rand ihres Kaffeebechers hinweg schaute sie Wendelin an.

      Unwillkürlich musste Kathi an Gisberts Worte vom ewig mürrischen Waldschrat denken. Neben der modisch gekleideten, sorglosen Erscheinung Gisberts hatte Wendelin in seiner schweren, dunklen Arbeitskleidung und mit dem ernsten Gesichtsausdruck tatsächlich etwas Düsteres an sich. Er wirkte schwerfällig neben dem lässig-eleganten Großstädter.

      »Gisbert und du, das ist wie Feuer und Wasser. Ihr könnt euch einfach nicht leiden«, sagte sie nachdenklich.

      »Nein, und das müssen wir auch nicht«, antwortete Wendelin entschieden. »Ich tue hier meine Arbeit, dann reist die ganze Bande ab und die Sache ist erledigt.«

      Kathi schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Ich mag nicht, wie Gisbert mit dir redet, aber du bist auch nicht gerade freundlich ihm gegenüber.«

      »Ich kann nicht freundlich zu jemandem sein, der jagt und das Wild dann so behandelt, wie Gisbert es tut«, erwiderte der Mann empört. »Ihn interessiert nur die Trophäe. Wie das Tier verwertet wird, ist ihm völlig egal.«

      Kathi bemerkte, dass sie ungeduldig zu werden begann. Wendelin war immer so ernsthaft. Es stimmte, Gisbert hatte sich nicht richtig verhalten, aber musste darauf so herumgeritten werden?

      »Ja, er hätte sich besser kümmern müssen, aber immerhin hat er den Keiler von seinen Schmerzen erlöst. Das Wildschwein hat sich schwer verletzt durch den Wald geschleppt, und Gisbert ist ihm allein gefolgt. Das war mutig; wir alle wissen, wie gefährlich das ist«, gab sie zu bedenken.

      »Das war nicht mutig sondern dumm. Für diese Suche hätte er einen ausgebildeten Hund gebraucht und er hätte nicht allein gehen dürfen. Ich denke immer noch, dass er von der Jagd überhaupt nichts versteht«, grollte Wendelin.

      »Sieh doch nicht immer alles so streng. Du kannst manchmal ganz schön anstrengend sein«, erwiderte Kathi mit einem leichten Stirnrunzeln.

      Darauf wusste der Mann nichts mehr zu sagen. »Danke für den Kaffee. Bis wir losfahren können, kümmere ich mich weiter um das Brennholz«, murmelte er.

      Wendelin spülte den Becher unter der Pumpe ab und ging dann zum Hackklotz zurück. Der Stapel mit dem gespaltenen Holz war ziemlich hoch, als Gisbert sich endlich zum Aufbruch bequemte. Seine Gäste wollten den erlegten Keiler sehen und fuhren alle mit bis zu der Stelle, an der sie ihre Wagen abstellen mussten. Nur Wendelins Jeep, auf dem das Tier transportiert werden sollte, wurde von Gisbert so nah wie möglich an die Abschussstelle dirigiert.

      Als Wendelin den erlegten Keiler dort sah, schnappte er nach Luft. »Du hast ihn einfach so dort liegenlassen ohne ihn aufzubrechen?«, rief er empört aus.

      »Warum sollte ich ihn ausweiden? Dafür bist doch du zuständig«. antwortete