»Mar’ und Josef«, murmelte er, »du schaust heut’ aber sauber aus. Bist auf Männerfang aus, oder warum hast dich so schick hergericht’?«
Mizzi sah in der Tat bezaubernd aus. Sie hatte ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefaßt, was ihr ausgesprochen gut stand, und sie hatte die Lippen ein wenig nachgezogen. Auf jedes weitere Make-up hatte sie verzichtet, was ihr sehr gut stand und ihre natürliche Art herausstellte.
Sie trug Designer-Jeans, die sie in München gekauft hatte, dazu eine schlichte Bluse und Schuhe mit einem flachen Absatz; alles zusammen ließ Mizzi noch einen Hauch mädchenhafter erscheinen als sonst schon der Fall war.
»Holla…!« Die Bergerhof-Heidi nickte anerkennend, als sie Mizzi im Bereich der Theke begegnete. »Du schaust vielleicht toll aus. Hast was vor?«
»Ich wollt’ ausgehen«, antwortete das hübsche Mädchen.
»Willst wen abholen?« fragte Heidi.
Mizzi nickte. »Deine Tochter…!«
»Oh…!« Damit hatte Heidi nicht gerechnet, das stand fest. »Wo willst denn hin mit der Steffi?«
»Möglicherweise ins ›Mozart‹ zu Adrian«, antwortete Mizzi. »Oder hast du was dagegen?«
Heidi zögerte, dann wiegelte sie den Kopf. »Ich weiß, daß ich kleinlich reagier’, wenn es um die Steffi geht. Aber sie ist eher noch ein Kind, denn ein Madel, das in ein paar Monaten Abitur macht.« Leise fügte sie hinzu: »Hoffentlich macht…!«
Mizzi lachte. »Ein bissel Vertrauensvorschuß wär’ net übel. Die Steffi ist ein tolles Madel, man sollt’ es ihr vielleicht ab und an auch mal sagen.«
»Du meinst, wir würden Steffi nicht genug Freiheiten geben?« Heidis Blick verriet ihre Sorge.
»So würd’ ich es net ausdrücken«, antwortete Mizzi. »Im Umgang mit ihr solltet ihr ein bissel gelassener werden. Das stärkt Steffis Selbstbewußtsein, und ihr vergebt euch nix dabei.«
»Hat sie sich über uns beschwert?«
»Nein, aber es nervt sie einiges.«
Heidi nickte. »Das… das spürt man. Ich hab’ nur so ein dummes Gefühl.«
»Wie meinst du das?«
»Als ob sie uns was verschweigen würd’…!«
»Das glaub’ ich net«, erwiderte Mizzi. »Jedenfalls nix was irgendwie exentiell wär’. Kleine Geheimnisse hat jeder, die hat sicher auch die Steffi.«
»Das mein’ ich net«, murmelte Heidi. »Ich hab’ halt so ein Gefühl, als wenn irgendeine Katastrophe ins Haus stünd’.«
»Nun mach aber mal halblang«, erwiderte Mizzi. »Was in Steffis Leben ist denn so, daß eine Katastrophe daraus entstehen könnt’? Also mir fällt da nix ein. Es sei denn, du würdest es als Katastrophe ansehen, wenn sie das Abi nicht schaffen würd’.«
Heidis Blick wurde starr, und sie wurde ein wenig blaß.
»Bei allen Heiligen«, murmelte Mizzi, »so war das doch net gemeint.«
»Du… du weißt was…! Du mußt es mir sagen.« Heidi ließ Mizzi nicht aus den Augen.
»Da ist nix zu sagen«, antwortete diese. »Du meine Güte, was soll das? Komm mal herunter. Glaubst du wirklich, ich würd’ dir was verheimlichen, wenn es was geb’, was Steffi schaden könnt? Das ist nicht dein Ernst.«
Heidi ging ein paar Schritte weiter zum Fenster und sah hinaus. Noch immer waren sie im Bereich der Theke. Es dauerte einige Momente, dann kam sie zu Mizzi zurück.
»Entschuldige«, murmelte sie, während sie sich eine Träne aus den Augen wischte, »aber ich bin im Moment nicht sehr belastbar, was Steffi angeht.«
Mizzi lächelte aufmunternd. »Ich kann’s ja irgendwie verstehen. Aber du mußt dir echt keine Sorgen machen, es ist nämlich alles in Ordnung. Jedenfalls ist mir nichts bekannt, worüber du dir irgendwie außer dem üblichen Rahmen Sorgen machen müßtest.«
»Hat… hat die Formulierung was zu bedeuten?« fragte Heidi.
Mizzi schüttelte lachend den Kopf. »Nein, hat sie nicht. Und jetzt hören wir auf damit.«
»Ist schon recht«, sagte Heidi, »die Steffi ist oben, soll ich sie herunterschicken?«
»Ich geh’ lieber noch mal hinauf zu ihr, das heißt, wenn es recht ist…!«
»Na klar ist’s recht«, antwortete Heidi, dann drückte sie Mizzi kurz an sich. »Entschuldige noch mal meine übergroße Furcht, was Steffi betrifft. Aber Luise meint halt auch, daß was im Busch ist.«
»Ihr schaukelt euch gegenseitig hoch«, erwiderte Mizzi, »da ist es kein Wunder, wenn ihr weiße Mäuse seht.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Heidi, »ich wünsch’ euch jedenfalls einen schönen Abend im ›Mozart‹.«
»Danke, und mach dir keine Gedanken und sag der Luise, sie soll es auch nicht tun.«
»Ist schon recht…!« Die Bergerhof-Heidi nickte.
»Ach so, jetzt hätt’ ich’s bald vergessen.« Mizzi tat so, als sei ihr nebenbei noch was eingefallen.
»Ja?« Heidi sah sie fragend an.
»Der Rainer Bald, der wohnt doch hier, oder?«
»Ja, warum?«
»Ist er da?«
Heidi schüttelte den Kopf. »Der ist jeden Tag unterwegs. Und weißt du, was das Schönste ist?«
»Was?«
»Daß keiner weiß, wo er ist«, antwortete Heidi. »Er frühstückt nicht hier, er ißt nicht hier, er schläft mal grad’ im Bergerhof, das ist alles. Was willst du denn von ihm?«
»Er hat mir bei meinen PC was geholfen«, antwortete Mizzi, »und jetzt wollt’ ich ihn noch was fragen.«
»Da kann ich dir leider net weiterhelfen«, antwortete Heidi. »Ich könnt’ ihm höchstens einen Zettel ins Zimmer legen.«
»Würd’ den seine Freundin denn nicht wegnehmen?«
»Die beiden sind auseinander«, erwiderte Heidi. »Rainer ist schon vor Tagen aus dem gemeinsamen Zimmer ausgezogen.«
»Und sie?« fragte Mizzi, »wie hat sie darauf reagiert?«
»Oje«, antwortete Heidi, »zuerst hat sie wer weiß wie gegiftet, doch das hat sich gelegt. Inzwischen sitzt sie schon mal da und verdrückt die eine oder andere Träne.«
»Du meinst, es tut ihr
leid…?«
Heidi nickte. »Garantiert. Rainer ist nämlich ein äußerst angenehmer Mann. Das dürfte ihr inzwischen klar geworden sein. Aber jetzt ist es zu spät, da ist nix mehr zu kitten…!«
*
»Super, daß du gekommen bist.« Steffi strahlte, sie freute sich riesig, als Mizzi ihr Zimmer betrat.
»Das war versprochen, und was ich versprech’, halt ich auch«, erwiderte diese.
»Hast du noch mit der Mutti geredet?« wollte Steffi wissen. »Ich mein’, ich hätt’ euch eben kurz gehört.«
Mizzi nickte. »Ja, hab’ ich.«
»Um was ging’s denn?« fragte Steffi. »Oder darf ich das net wissen?«
»Sicher kannst es wissen«, antwortete Mizzi, »wir haben über dich geredet.«
»Wußt’ ich’s doch.«
»Deine Mutter macht sich Sorgen«, sagte Mizzi, »und ich hab’ versucht, diese Sorgen zu zerstreuen.«
»Was dir aber nicht gelungen ist.«