Der Mann atmete auf. „Rufen Sie Ihr Hauptquartier an! Eine Großfahndung muss in Gang gesetzt werden. Die Grenzen sind abzuriegeln. Flughäfen zu überwachen. Wir müssen die beiden kriegen. Außerdem soll Ihre Geheimpolizei die westlichen Botschaften genau beobachten, damit sie sich nicht dorthin flüchten.“
Assad nickte. „Wir werden sie kriegen.“
11.
Leila Khalef blickte starr nach vorn, wo die Scheinwerfer eine helle Schneise in die Dunkelheit fraßen.
Steve wollte möglichst schnell eine große Strecke zwischen sich und Latakia bringen, um eventuelle Verfolger abzuhängen und Straßensperren zu entgehen, noch bevor sie errichtet wurden. Er musste ohnehin wieder nach Damaskus, denn sein Hauptauftrag lag noch vor ihm.
„Ich werde Sie mit in mein Hotel nehmen“, sagte Steve McCoy. „Dort sucht man Sie bestimmt nicht. Wir werden Ihr Äußeres verändern und dann baldmöglichst das Land verlassen.“
Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu. „Ich muss noch jemand mitnehmen. Ich hoffe, dass ich diesen Mann morgen treffe, dann hält uns hier nichts mehr.“
Er merkte, dass sie ihn anstarrte. „Glauben Sie, dass ich mein Land verlassen muss?“, fragte sie. „Das ist meine Heimat. Ich kann doch nicht einfach weggehen. Und ich weiß auch gar nicht, wohin. Ich habe keine Verwandten oder Freunde im Ausland und auch kein Geld.“
„Darüber machen Sie sich keine Sorgen, wir kümmern uns um Sie.“
„Wer sind Sie eigentlich?“
„Nennen Sie mich Steve“, sagte er. „Mehr brauchen Sie zunächst nicht zu wissen. Ich bin Amerikaner, das hören Sie an meiner Sprache. Im Übrigen arbeite ich ähnlich wie Sie, das werden Sie sich schon gedacht haben. Ist ja auch nicht schwer zu erraten.“
Steve konzentrierte sich auf die Straße. Allmählich spürte er, wie er müde wurde. Leila war tief in ihren Sitz gerutscht und hatte die Augen geschlossen. Es gab genug, worüber sie nachdenken musste.
„Festhalten!“, rief McCoy plötzlich. Mit einer heftigen Bewegung riss er das Steuer herum und bog in eine Seitenstraße ab. Es war inzwischen so hell geworden, dass man Einzelheiten erkannte. Eine davon war das blaue „Police“ Schild etwa hundert Meter voraus gewesen, unter dem einige Polizisten standen, die seinem Wagen gespannt entgegensahen.
Er hatte natürlich keine Ahnung, ob es schon eine Fahndung nach ihnen gab oder ob die Polizisten sich nur langweilten und jeden Wagen um diese Zeit stoppten.
Da er aber keine Lust hatte, das genau zu wissen, zog er die schnelle Flucht vor.
„Wissen Sie, wo wir hier sind?“, fragte er Leila.
„Ja.“ Sie warf ihm einen Blick zu. „Diese Straße führt zur libanesischen Grenze. Dort kommen wir bestimmt nicht durch. Die Grenzübergänge sind scharf bewacht.“
Steve unterdrückte nur mühsam einen Fluch. „Das fehlt uns noch!“, knurrte er. „Dann sehen wir zu, dass wir schleunigst wieder in die andere Richtung fahren.“
Als er in den Rückspiegel sah, erkannte er zwei dunkle Punkte, die langsam näherkamen. „Verdammt, das sind sie! Wir werden doch verfolgt! Zwei Motorräder. Die werde ich kaum abhängen können, denn die kommen mit ihren Maschinen schneller durch.“
Leila hatte sich umgedreht und sah auf die Verfolger. Sie war ruhig, ihre Stimme klang fest. „Da Sie ein guter Fahrer sind, können wir es versuchen. Ich kenne diese Gegend sehr gut. Es gibt ein paar Möglichkeiten, um die Motorräder auszuschalten.“
Steve grinste. „So kenne ich Sie gar nicht. Da bin ich gespannt.“
„Ich habe mir alles überlegt“, sagte sie ruhig. „Ich habe Fehler gemacht, und wenn die mich da hinten kriegen, ist alles aus. Aber ich habe keine Lust, in einem schmutzigen Verlies zu enden und vorher noch tagelang verhört zu werden.“
Ihre Stimme klang bitter. „Ein solches Verhör kann eine Frau schnell altern lassen. Aber ich bin noch jung und will etwas vom Leben haben. Sie sind meine einzige Chance, die ich im Augenblick habe. Eine kleine Chance wahrscheinlich, aber wir müssen es riskieren!“
Ein tapferes Mädchen, dachte Steve und umklammerte das Lenkrad fester. „Wohin soll ich fahren, Sie haben das Kommando!“
Leila drehte sich um und sah wieder nach vorn. Die Verfolger waren schon erheblich nähergekommen. Man erkannte die Sturzhelme und die dunklen Brillen der beiden Polizisten deutlich.
„Da vorn“, sagte Leila plötzlich. Sie deutete mit der Hand auf eine schmale Straße, die sich einen Berghang hinaufwand. „Das sind die Ausläufer des Antilibanon-Gebirges. Dort ist die Grenze zwischen Syrien und Libanon.“
„Aber ich möchte eigentlich nicht in den Libanon“, wandte Steve McCoy ein.
„Fahren wir auch nicht“, entgegnete sie kurz, „konzentrieren Sie sich auf die Straße, der Weg wird ziemlich schlecht!“
Steve grinste und begann ein Lied zu pfeifen.
„So komisch ist das nun wieder nicht“, sagte sie wütend. „Unsere Verfolger sind schon ziemlich nahe. Sehen Sie zu, dass der Abstand wieder größer wird! Wir müssen erst in den Bergen sein, bevor wir etwas unternehmen.“ Schweigend fuhren sie weiter. Steve nutzte jede Gelegenheit, die ihm die Straße bot. Er beschleunigte den Wagen bis zum Grenzbereich, wenn ein einigermaßen ebenes Stück vor ihm lag. Ebenso hart bremste er ab, wenn die Straße Löcher hatte, in denen er einen Achsenbruch riskierte.
Die Polizisten auf ihren Motorrädern hatten es besser. Sie konnten schneller ausweichen. Sie waren schon dicht hinter ihm, vermochten aber nicht zu überholen, weil die Straße zu schmal war.
Seit einiger Zeit ging es bergauf, und sie fuhren durch bewaldetes Gelände. Bisher war ihnen noch niemand entgegengekommen, und Steve fragte Leila; woran das läge.
„Dieser Weg wird nur von Bauern und Schafhirten benutzt, aber es ist dafür nicht die richtige Jahreszeit. Vermutlich werden wir auch weiterhin niemanden begegnen.“
Er musste oft schalten, es kamen einige Serpentinen, und die schmale Straße ging steil aufwärts.
„Passen Sie auf, es ist bald so weit“, sagte Leila.
„Was ist so weit?“, fragte er erstaunt.
„Holen Sie jetzt alles aus dem Wagen raus und versuchen Sie einen Abstand zu unseren Verfolgern zu erzielen! In einer der nächsten Kurven gebe ich Ihnen ein Zeichen. Sie bremsen den Wagen scharf ab und stellen ihn quer zur Straße. Den Rest können Sie dann der Schwerkraft überlassen.“
„Okay“, sagte er, „probieren wir es aus.“
Der Motor röhrte auf, und der Abstand wurde wieder größer. Steve McCoy war bereits schweißüberströmt. Sein Hemd klebte am Sitz. Er musste aufpassen, dass ihm das Steuer nicht aus den nassen Händen glitt.
Die nächste Kurve war haarnadel-scharf.
„Jetzt!“, rief sie.
Steve trat mit aller Gewalt auf die Bremse und riss das Steuer herum, in einer Staubwolke verlor der Wagen augenblicklich seine Fahrt, schleuderte zur Seite und blieb quer zur Straße stehen. Er hatte das Manöver genau berechnet. Bis zur Felswand waren es noch etwa zwanzig Zentimeter.
„Aussteigen!“, rief Leila.
Steve war schon draußen, als sie am Türschloss fingerte. Er rannte um den Wagen und riss die Tür auf ihrer Seite auf. Sie rollte heraus und rannte gleich ein paar Meter weiter in Deckung.
Obwohl er das Dröhnen der Motorräder schon aus der Nähe hörte, ließ Steve sich Zeit. Er erkannte auf den ersten Blick, was das für eine perfekte Falle war. Die beiden Verfolger hatten keine Chance. In der winzigen Zeitspanne, in der sie die Gefahr sahen, würden