Löwenfisch. Rudolf Trink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Trink
Издательство: Bookwire
Серия: Löwenfisch - Eine Rumpler Rosamunde Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960743781
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Legts aber bitte die Untersuchungen sicherheitshalber so an, dass es keinen Verdacht auf Fremdverschulden gibt. Falls nämlich doch was dran sein sollte, dann hat vielleicht auch jemand von der Polizei die Finger im Spiel und das wär dann ganz heikel.“

      „Ok. Ich glaub eigentlich, das ist alles nur heiße Luft, aber wenn du meinst …“

      „Danke, Stinker. Die Sonja hat noch erwähnt, dass sie auf dem Schreibtisch vom Zargl einen Zettel mit einem gezeichneten Dreieck und etwas Text gesehen hat, der ihr interessant vorgekommen ist. Kannst du wen in die Wohnung schicken und den Zettel holen lassen?“

      „Das wird kein Problem sein. Ich sags dir, wenn ich ihn hab.“

      „Bestens. Seid ihr mit dem Handy vom Zargl schon weitergekommen?“

      „Ja. Es war zwar vom Sturz beschädigt, drum hat das Ganze ein bissel gedauert, aber die Kollegen haben es trotzdem auswerten können. Es waren ein paar Fotos drauf, die er noch auf der Wanderung gemacht hat, weißt eh, nur Blumen und solche Sachen, nichts Brauchbares. Von den Zeitpunkten der Fotos her wissen wir, dass er um elf Uhr vier noch gelebt haben muss. Wann er dann gestorben ist, wissen wir nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, aber es wird sicher nicht sehr viel später gewesen sein, weil das letzte Foto zeigt ein Bild von der Absturzstelle, das wir örtlich genau zugeordnet haben. Wir wissen natürlich nicht, wie lang er sich dort aufgehalten hat.“

      „Kannst mir die Fotos per E-Mail schicken?“

      „Geht nicht. Nicht mehr. Unsere E-Mails werden intern sehr oft kontrolliert. Aber papieren kannst du die Fotos natürlich haben. Ich hab dir einen Satz Kopien mitbracht.“ Er öffnete seine Aktentasche und übergab Rumpler eine dünne Mappe.

      „Danke Stinker.“

      „Die Sonja muss ich ja dann auch noch befragen, aber halt nur informell. Ich seh sie eh morgen, weil da besucht sie die Anna. Ich halt dich am Laufenden, Hans, falls sich irgendwas Interessantes ergibt. Ich glaub aber nicht. Auf den ersten Blick gibt’s überhaupt keinen Hinweis für ein Fremdverschulden. Aber weißt ja eh, grad in die Berg’ is so was immer schwierig, speziell wenns keine Zeugen gibt.“

      „Ist schon klar. Schau ma mal.“

      *

      6.

      Nach dem Kaffeehausbesuch beschloss Rumpler, noch einen kurzen Abstecher auf den Naschmarkt zu machen, um seine Vorräte an Käse, Oliven und sonstigen Antipasti aufzufüllen. Auf dem Weg dorthin kam er an einer jener Hundezonen vorbei, die mangels Alternativen von zahlreichen Hundebesitzern genutzt wurden, obwohl sie in ihrer Trostlosigkeit kaum zu überbieten waren. In ihrem Randbereich war ein überquellender Mistkübel, aus dem offensichtlich eine benützte Spritze herausgefallen war. Dieser Fund kam für Rumpler nicht unerwartet. Immer wieder hatte er in den letzten Jahren da und dort Zeichen von Drogenkonsum gesehen, wohl wegen seiner speziell geschulten Augen, die auch jetzt noch, Jahre nach seiner Pensionierung, imstande waren, Dinge, die andere meist gar nicht bemerkten, blitzartig zu erfassen.

      Wie meistens bei seinen Naschmarkt-Besuchen weitete Rumpler seine ursprünglich recht karge Einkaufsliste kräftig aus, unter anderem um kleine schwarze, besonders aromatische Oliven, einige frische Feigen, eine Handvoll Kumquat, deren Zusammenspiel von Süße, Säure und einer leicht bitteren Note er sehr schätzte, und ein gutes Fladenbrot. Für Rosamunde kaufte er als besonderen Leckerbissen einige Shrimps. Rosamunde hatte nämlich Geburtstag, nicht wirklich, weil ihr tatsächlicher Geburtstag natürlich unbekannt war, aber Rumplers verstorbene Frau Elsa hatte schon bald nach Rosamundes Auffindung darauf bestanden, dass ein bestimmter Tag ersatzweise als ihr Geburtstag festgelegt und auch gehörig gefeiert wurde. Rumpler hatte das damals für völlig absurd erklärt, es aber nichtsdestotrotz nach Elsas Tod eisern beibehalten. Vor einigen Jahren hatte er, obwohl er selbst Meeresfrüchte eigentlich nicht so gerne aß, für einen Gast auf dessen speziellen Wunsch eine Portion gebratener Shrimps zubereitet und war damals von Rosamunde trotz ihres schon etwas fortgeschrittenen Alters mit unglaublichen Sprüngen verfolgt worden, als er das Essen von der Küche ins Wohnzimmer getragen hatte. Daran hatte er sich beim Kauf der Shrimps erinnert.

      Als er mit seinen Einkäufen zu Hause eintraf, wurde er von Rosamunde sofort einer gründlichen Untersuchung unterzogen, die aus ihrer Sicht sehr vielversprechend verlief. Er briet die Shrimps leicht an und sie verströmten einen so verführerischen Duft, dass er doch selbst das eine oder andere Stück kosten musste. Es schmeckte ihm wider Erwarten so gut, dass nur Rosamundes strenger Blick ihn wieder zur Ordnung rief, und er nahm sich vor, in näherer Zukunft vielleicht auch für sich selbst ein diesbezügliches Koch-Experiment zu wagen. Mit einem Hauch Chili. Rosamunde fraß ihre Geburtstags-Shrimps mit einer Gier, als ob sie tagelang überhaupt kein Futter bekommen hätte.

      „Happy Birthday, Luxuskatze“, knurrte er. Aber lächelnd.

      Er ging zu seinem Schrank, und während er ihm eines der wenigen neuen Moleskine-Bücher entnahm, die er dort vorrätig hatte, wurde ihm bewusst, dass er mit diesem Akt Sonjas Sorge bezüglich Zargl zu einem seiner Fälle gemacht hatte. Ein erster Schritt war gesetzt, viele weitere würden folgen.

      Er setzte sich an seinen Schreibtisch, öffnete das Buch, zeichnete auf die erste Seite ein großes Dreieck und legte das Blatt mit Zargls Zeichnung, das Sonja für ihn ausgedruckt hatte, vor sich hin. Sie wirkte insgesamt chaotisch, wie in großer Eile entstanden. Dominiert wurde sie durch ein großes Dreieck, dessen Eckpunkte an der Basis mit X und Z, an der Spitze mit Y markiert waren. Bei den Buchstaben standen jeweils einige hingekritzelte Wörter, manches war durchgestrichen. Bei Z stand Mann fürs Grobe, bei X technische Umsetzung und bei Y Leitung, Finanzen und zusätzlich noch in Großbuchstaben mit drei Rufzeichen INSIDER!!!. Im Zentrum des Dreiecks war eine seltsame Zeichnung von zwei nebeneinandergestellten, identen Figuren, die Rumpler Rätsel aufgaben. Die Basis stellte jeweils ein kleines Dreieck dar, an dessen Spitze ein Querbalken mit drei kurzen senkrechten, nach oben gerichteten Ästen war, was Rumpler an ein liegendes E erinnerte. Es konnten aber auch stilisierte Frauenfiguren sein, mit einem unten weiten bodenlangen Rock und oben einem kantigen Kopf samt links und rechts beschwörend emporgehobenen, ebenso kantigen Armen. Plötzlich begann eine Idee in ihm zu keimen. Sonja hatte erwähnt, dass Zargl ein Schachspieler war. Die seltsamen Figuren konnten daher auch gut und gerne stilisierte Türme eines Schachspiels darstellen, vielleicht genau jene Türme, von denen Zargl behauptet hatte, dass sie im Endspiel wichtig werden.

      Rumpler machte sich bezüglich des Blattes, das vermutlich eine Ideenskizze Zargls für seinen geplanten Artikel gewesen war, einige Notizen in seinem Moleskine-Buch. Anschließend informierte er wie versprochen Sonja über das, was er von Moser bezüglich Zargl erfahren hatte, vor allem natürlich über dessen Tod. Sonja war sehr betroffen, aber nicht wirklich überrascht.

      Gleich nach dem Gespräch schaltete er seine Kaffeemaschine ein. Während er darauf wartete, dass die Kontrollleuchte für die Vorwärmphase erlosch, wählte er aus seiner umfangreichen Sammlung von Mokkaschalen eine kleine, dickwandige weiße Espressoschale, die er aus einem Italienurlaub vor über zehn Jahren mitgebracht hatte. Seine Gedanken wanderten rückwärts, zu einem sonnendurchglühten Kirchenplatz in Sizilien. Die dortige Kirche war sehr groß gewesen, geradezu übermächtig für den kleinen Ort, an dessen Namen er sich nicht mehr erinnerte. Er war vor einem winzigen Café unter einem Sonnenschirm gesessen und hatte einen Espresso getrunken, aus genauso einer Schale wie eben jetzt. Dann war da plötzlich eine fast unwirkliche, filmartige Szene. Einige Autos langten ein, offenbar eine Hochzeitsgesellschaft. Während die Braut aus dem Auto stieg, einer überlangen Limousine mit abgedunkelten Scheiben, kam ihr der Brautvater mit ausgestreckten Armen entgegen. Rumplers geschulter Blick hatte bereits vorher die an allen strategisch wichtigen Stellen des Platzes positionierten drahtigen jungen Männer bemerkt, die offenbar zum Schutz der Hochzeitsgesellschaft abkommandiert waren. Der Hochzeitszug formierte sich und verschwand in der Kirche, die Bewacher behielten ihre Standorte bei. Alle blieben todernst, nur ein Jüngerer grinste Rumpler kurz verschwörerisch zu, wurde aber sofort von einem offensichtlich höherrangigen Kollegen durch eine winzige abschneidende Geste mit der linken Hand so zur Ordnung gerufen, dass seine Miene schlagartig