Löwenfisch. Rudolf Trink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Trink
Издательство: Bookwire
Серия: Löwenfisch - Eine Rumpler Rosamunde Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960743781
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      „Schön, dass du da bist, Hans. Ich hab schon gedacht, du kommst überhaupt nicht mehr.“ Der Händedruck des Yeti war fest wie der eines jungen Mannes.

      „Danke, dass ich zu dir kommen darf.“

      „Ich hab dir doch damals vor …“ Der Yeti zögerte ganz kurz, bevor er fortfuhr. „… achtzehn Jahren gesagt, dass du zu mir kommen kannst, wennst was brauchst. Übrigens warst du in den letzten Jahren seit deiner Pensionierung bald noch erfolgreicher als vorher.“

      „Manchmal stolper ich in einen Fall hinein und dann lässt er mich nimmer los.“

      Der Yeti lachte. „Ich kenn das gut. Geht mir auch manchmal so. Aber bevor wir besprechen, was dich herführt, werden wir was trinken.“

      Der junge Mann, der sich während der Begrüßung diskret im Hintergrund gehalten hatte, trat näher, um ihre Wünsche aufzunehmen. Er war dabei freundlich, aber zugleich auch auf wohltuende Weise selbstbewusst, ohne jeden Anflug von Devotheit. Rumpler ersuchte um einen doppelten Espresso, der Yeti nahm Grünen Tee. In einer Nische des Pavillons war die komplette Technik zur Getränkezubereitung untergebracht, so gut wie unsichtbar.

      Der Kaffee begeisterte Rumpler mit seinen intensiven Aromen, er war mild und stark zugleich. Auf der Innenseite der Schale setzten sich deutliche Schlieren ab, die von dunklem Braun bis zu hellem Ocker reichten. Es tat ihm gut, hier mit diesem klugen alten Mann schweigend zu sitzen, einfach nur da zu sein und den Kaffee zu genießen. Nach ein paar Minuten kam der junge Araber wieder, mit einem kleinen Tablett handlich geschnittener, sehr sorgfältig gerichteter Gurkensandwiches.

      Rumpler kannte diese klassische Begleitung der Tea Time nur aus alten Filmen und freute sich sehr über die nostalgische Jause. Noch immer aßen und tranken sie schweigend, in stillem Einvernehmen. Während der junge Mann das Geschirr abservierte, hatte Rumpler Gelegenheit, die in ihren Farben und Formen perfekt ausgewogenen Blumenbeete in der näheren Umgebung des Pavillons zu bewundern.

      Schließlich ergriff der Yeti das Wort. „So. Jetzt können wir reden. Ich hab einen Vorschlag, Hans. Ich geb dir zu einigen Themen, die mich derzeit beschäftigen, ein paar Stichworte und du sagst mir, ob dich davon was interessiert.“

      Rumpler öffnete für einen Sekundenbruchteil den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Er war etwas ratlos und hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Er hatte sich Hilfe vom Yeti erhofft, zumindest einen guten Rat, aber da war wohl nichts zu machen.

      Während der Yeti unmerklich lächelte, begann er zu erzählen.„Da ist diese Sache mit den Kunstwerken, Bildern vor allem, auch ein paar Skulpturen, ziemlich viel Geld im Spiel, Preismanipulationen, vielleicht sind auch ein oder zwei öffentliche Stellen beteiligt. Das ist das erste Thema.“

      Rumpler begann sich einzugestehen, dass der Besuch beim Yeti ein Fehler gewesen war. Trotzdem behielt er aus Höflichkeit weiter seine Rolle als aufmerksamer Zuhörer bei.

      „Dann ist da diese Geschichte mit einem internationalen Baukonzern, der auch bei uns in Österreich erstaunlich schnell Erfolg mit seinen Projekten gehabt hat, obwohl seine österreichischen Mitbewerber auf ihre Baubewilligungen eher lange warten müssen, und bei dem Konzern läuft es wie geschmiert. Auch das Aufkaufen von interessanten Objekten, vor allem von Grundstücken, klappt viel besser als bei den Mitbewerbern. Aber ich glaub, das ist auch nichts für dich. Du bist sehr lange nicht zu mir gekommen, obwohl du gerade in den letzten Jahren ein paar wirklich schwierige Fälle behandelt hast. Ich hab das ziemlich genau verfolgt. Wenn du jetzt doch zu mir kommst, dann ist in diesem Fall etwas anders als sonst und das macht dir großes Kopfzerbrechen.“

      Rumpler horchte auf und der Yeti fuhr fort.

      „Ich glaub, es geht um einen Verdacht, der sich direkt oder indirekt gegen jemand bei der Polizei oder im Innenministerium richtet. Sehr, sehr unangenehm. Du kannst dich nicht an deine ehemaligen Kollegen wenden, weil sie vielleicht selbst involviert sind.“

      Mittlerweile starrte Rumpler den Yeti wie gebannt an, der seine Überlegungen fortspann.

      „Kleine Schwachstellen gibt es immer bei der Polizei, hat es immer gegeben und wird es immer geben. Das ist nicht schön, aber es ist normal. Das Gesetz der großen Zahlen. Aber wegen so etwas würdest du nicht zu mir kommen. Das ist ein großer Fall.“ Der Yeti lehnte sich zurück und schloss die Augen, bevor er weitersprach. „Ich glaub, du kommst zu mir wegen der einzigen wirklich großen Geschichte, die ich derzeit verfolge, und bei der geht es um Drogen, genauer gesagt um Drogenrecycling.“

      Nach einer längeren Pause, die Rumpler die Möglichkeit gab, seine Fassung wieder einigermaßen zu gewinnen, öffnete der Yeti seine Augen und blickte ihn an.

      „Hab ich recht? Treffer?“

      In seinem Gesichtsausdruck las Rumpler keine Frage, sondern Gewissheit. „Volltreffer.“

      „Gut. Dann erzähl einmal, worum es genau geht und was das Ganze mit dir zu tun hat.“

      Rumpler holte tief Luft. „Sonja, die Tochter meiner Lebensgefährtin Alma, betreibt mit ihrem Mann Max eine Firma für IT-Sicherheitsfragen.“

      Der Yeti unterbrach ihn kurz. „Almas verstorbener Mann war Bildhauer?“

      Rumpler nickte und der Yeti fuhr fort. „Ich hab die Alma vor ungefähr acht Jahren kennengelernt. Eine zauberhafte Person. Meine Frau und sie haben sich auf Anhieb sehr gut verstanden und sehen sich auch immer wieder.“

      Gleichzeitig wies er, quasi zur näheren Erklärung, auf eine etwa einen Meter große Steinskulptur, die in einer gemauerten, mit wildem Wein überwucherten Nische stand – offensichtlich ein Werk von Almas verstorbenem Mann. Rumpler kam aus dem Staunen nicht heraus.

      „Aber entschuldige, Hans, ich hab dich unterbrochen.“

      Rumpler fuhr mit seinem Bericht fort. Als er zum tödlichen Absturz auf der Rax kam, blickte der Yeti kurz auf.

      „Davon hab ich gar nichts gehört.“

      „Es war auch nur eine ganz kleine Meldung in den Zeitungen über einen Bergunfall. Kein Verdacht auf Fremdverschulden. Ich hab aber noch ein bissl vor Ort recherchiert und dann auch mit einem Ex-Kollegen darüber gesprochen.“

      „Wer war das?“ Die Frage des Yeti klang wesentlich schärfer, als sie beabsichtigt war.

      „Ein gewisser Moser, Alois Moser, mit dem ich fast zwanzig Jahre zusammengearbeitet hab.“

      „Moser, Moser.“ Der Yeti runzelte die Stirn. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. „Der Stinker!“

      Rumpler lachte. „Genau.“

      „Guter Mann. Großartiger Pistolenschütze. Ein bissl schnell manchmal, aber ganz in Ordnung. Und sonst weiß niemand bei der Polizei davon?“

      „Nein, niemand.“

      „Das ist gut. Schau drauf, dass das so bleibt. Das Ganze ist eine heikle Geschichte. Die Drogen, die von der Polizei aufgegriffen und beschlagnahmt werden, müssen ja nach einer gewissen Zeit unter Aufsicht vernichtet werden. Dafür haben wir früher immer nur Polizeibeamte eingesetzt. Dann hat irgendein Berater des vorherigen Innenministers die grandiose Idee gehabt, die diesbezüglichen Kosten zu senken, indem die Verwahrung und die gesicherte Vernichtung der Drogen an eine externe Firma ausgelagert wurden. Diese Firma ist natürlich nach allen Regeln der Kunst kontrolliert worden. Das neue Modell hat sich offiziell sehr bewährt. Es funktioniert wirklich gut, aus meiner Sicht fast zu gut. Inoffiziell hat es noch vor ein paar Jahren immer wieder Gerüchte gegeben, dass da was nicht ganz in Ordnung ist. In letzter Zeit hat man aber nichts mehr davon gehört. Es traut sich keiner mehr, etwas dagegen zu sagen. Insgesamt sind die Aufgriffe von Drogen seit der Einführung des neuen Modells angestiegen. Nicht schlagartig, aber doch, und auf längere Sicht wirklich signifikant. Damit hat die beauftragte Firma mehr Arbeit bekommen, als ursprünglich angenommen, und verdient natürlich auch wesentlich mehr. Also sind alle zufrieden und es gibt keinen Grund, an diesem Erfolgsmodell irgendwas zu ändern. Da will keiner als Nestbeschmutzer dastehen.“