Löwenfisch. Rudolf Trink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Trink
Издательство: Bookwire
Серия: Löwenfisch - Eine Rumpler Rosamunde Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960743781
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sie sich so perfekt bewegte.

      Um irgendeine Wolke auf Rumplers heiterem Himmel zu finden, hätte man vielleicht auf seine Kinderlosigkeit verweisen können, aber Sabine, die junge Witwe seines Neffen Karl, hatte vor knapp einem Jahr ein entzückendes Mädchen zur Welt gebracht, sodass er sich beinahe als Großvater fühlen konnte. Nein, ihm fehlte wirklich überhaupt nichts, auch finanziell war er dank einer größeren Erbschaft sehr gut abgesichert. Trotzdem war er während des Wartens im Sperl nicht glücklich, sondern irritiert darüber, dass er doch eigentlich glücklich sein müsste, bei all dem Schönen, das ihm widerfuhr. Immerhin war er aber alt und erfahren genug, sich nicht gegen diese aufkeimende Unzufriedenheit zur Wehr zu setzen. Kaum hatte er nämlich begonnen, sie mit Interesse zu betrachten, als ihm auch schon bewusst wurde, was ihm fehlte. Er war ein Jagdhund, ein ziemlich alter, keine Frage, aber eben doch ein Jagdhund, dem das Jagen im Lauf der Zeit abhandengekommen war. Seine Gedanken wanderten in sein Wohnzimmer, dorthin, wo der von seiner Großmutter geerbte Jugendstilschrank mit seinen filigranen Schnitzereien und den schönen Messingbeschlägen stand. In ihm ruhten zahlreiche Moleskine-Notizbücher mit den persönlichen Aufzeichnungen zu allen seinen Fällen und es war gut möglich, ja sogar höchst wahrscheinlich, dass kein Buch mit einem neuen Fall hinzukommen würde. Aus und vorbei.

      Frau Maria, die ihm sein Frühstück brachte, sah ihn von der Seite her an. „Alles in Ordnung, Herr Kommissar?“

      „Passt schon, Frau Maria.“

      „Ja, das Älterwerden ist manchmal ein Hund. Auch wenn alles passt. Ich weiß, wovon ich red.“

      Volltreffer.

      „Da haben S‘ Recht, Frau Maria.“

      Eben, als Rumpler begann, sich seinem Frühstück zu widmen, läutete sein Mobiltelefon mit jenem nur ganz kurzen Signalton, der das Einlangen einer SMS anzeigte. Sonja, Almas Tochter, bat ihn um einen Rückruf. Das überraschte ihn ein wenig. Normalerweise war das nämlich immer umgekehrt gewesen. Rumpler hatte schon öfters ihre Hilfe in Anspruch genommen. Als IT-Spezialistin hatte sie für ihn bei Bedarf die Tür zu einer ihm sonst verschlossenen Welt öffnen können. Gemeinsam mit ihrem Mann Max betrieb sie eine kleine, aber sehr erfolgreiche Firma, die sich mit IT-Sicherheitsfragen befasste. Sofort stand Sonjas Bild vor ihm, ihre unglaubliche Ähnlichkeit mit ihrer Mutter Alma, das lange schwarze Haar, das aufgrund seiner gepflegten Wildheit so attraktiv war, die sportlich schlanke Figur, die ausdrucksstarken graublauen Augen und ihre überschäumende Vitalität. Sonja versprühte Lebensfreude und Rumpler freute sich auf das Gespräch mit ihr.

      *

      4.

      Auf dem Heimweg vom Sperl schaute Rumpler bei seinem Fleischhauer vorbei und kaufte ein ordentliches Stück Putenbrust. Als er schließlich bei seiner Wohnungstür angelangt war, sah Frau Kratochvil, seine gegenüber wohnende Nachbarin, die schon über achtzig Jahre alt war, mit schief gelegtem Kopf wie eine freundliche Knusperhexe zur Tür hinaus. „Hams schon ghört, Herr Kommissar? Unser Haus is angeblich verkauft worden.“

      Nicht gut.

      „Ich hab schon so was läuten ghört, aber ich hab gedacht, das dauert noch.“

      „Das hab ich auch ghofft, aber jetzt hab ich ghört, die fangen womöglich schon in ein paar Wochen mit dem Umbauen und Wohnungen Herrichten an. In den alten Liftschacht wollen S’ auch wieder an Lift einbauen.“

      Das war mehr als nur unangenehm. Zwei Wohnungen auf Rumplers Stiege waren schon länger frei, von denen die eine unmittelbar unter seiner lag. Wenn es größere Sanierungsarbeiten gab, womit zu rechnen war, würde es nicht nur staubig, sondern für einige Wochen, wenn nicht sogar Monate, wohl auch unerträglich laut werden.

      „Hoff ma’s Beste.“

      „Schönen Tag noch.“

      „Ihnen auch.“

      Rosamunde musste sein Kommen bemerkt und hinter der Wohnungstüre gewartet haben. Nach einer kurzen Begrüßung, bei der sie ihm betulich um die Beine strich, eskortierte sie ihn in die Küche, damit er seinen kulinarischen Pflichten nachkommen konnte. Er schnitt etwas Putenfleisch klein auf, dünstete es gemeinsam mit einem Stück fein geriebener Karotte weich und stellte ihren Napf auf den Boden. Während sie fraß, ging Rumpler ins Wohnzimmer zu seinem Schreibtisch, den er trotz seiner schon sehr deutlichen Abnutzung keinesfalls ausbessern oder gar neu aufpolieren lassen wollte. Gerade die zahlreichen Gebrauchsspuren waren es, die diesen Tisch für ihn so einzigartig und damit unentbehrlich machten. Während er Sonjas Nummer wählte, hatte Rosamunde mithilfe des Kartons sowie eines Beistelltisches den Schreibtisch erstiegen und sich treffsicher auf den Schreibblock, den Rumpler in der Zwischenzeit für das Gespräch hergerichtet hatte, fallen gelassen. Er lächelte und holte eben aus seiner Schreibtischlade einen weiteren Block, als sich Sonja meldete.

      „Hallo Hans, vielen Dank für deinen Rückruf.“

      „Hallo Sonja. Schön, dich zu hören. Was kann ich für dich tun?“

      Das Zögern vor ihrer Antwort war nur minimal, aber es bewirkte doch, dass Rumplers Aufmerksamkeit sofort anstieg, ein Ergebnis jahrzehntelangen Trainings, derartige vermeintliche oder tatsächliche Auffälligkeiten präzise zu registrieren.

      „Es tut mir leid, dass ich dich wegen einer Kleinigkeit stör. Wahrscheinlich ist gar nichts dran, aber ich bin trotzdem ein bissel verunsichert.“

      Jetzt war er wirklich hellwach. Sonja war eine hochintelligente junge Frau, die zudem noch über ein sehr gutes Gespür verfügte. Wenn sie beunruhigt war, dann gab es dafür aller Wahrscheinlichkeit nach einen guten Grund.

      „Erzähl!“

      „Ich würd eigentlich lieber bei dir vorbeikommen. Hättest du in gut einer Stunde Zeit für mich?“

      „Ja, klar. Magst bei mir was essen?“

      „Höchstens eine Kleinigkeit, vielleicht einen Salat?“

      „Gerne. Ich denk mir was aus. Bis bald.“

      „Danke, dass ich kommen kann. Bis bald.“

      Rumpler inspizierte seinen Kühlschrank. Nachdem er eine kleine Dose mit Granatapfelkernen vorrätig hatte, beschloss er, sie mit Oliven und Jungzwiebeln vermischt zu einem Salat zusammenzuführen. Einige grob gehackte Walnusskerne und ein kräftiger Schuss Olivenöl sowie Meersalzflocken und etwas frisch gemahlener Pfeffer würden den Granatapfelsalat geschmacklich abrunden.

      Eine gute Stunde später saß Sonja auf einem von Rumplers etwas schäbigen, aber sehr bequemen Lederfauteuils, vor sich den verführerisch duftenden Salat, und erzählte.

      „Vor drei Wochen hat mich ein ehemaliger Schulkollege angerufen, ein gewisser Anton Zargl. Ich hab schon länger nichts von ihm gehört und ihn nur gelegentlich bei einem Maturatreffen gesehen. Er ist Journalist, nach seiner eigenen Einschätzung ein Aufdeckungsjournalist. Ich hab aber das Gefühl, dass er nicht wirklich erfolgreich ist. Er hat ja schon in der Schule immer ein bissel angegeben mit seinen Entdeckungen, zum Beispiel, dass der Schulwart eine Freundin gehabt hat, obwohl er verheiratet war, und solche Sachen halt. Er hat damals alle etwas genervt, aber eigentlich war er ziemlich harmlos. Ein komischer Vogel.“

      „Und was wollt er von dir?“

      „Wie er mich angerufen hat, hat er ganz geheimnisvoll getan. Er hat gesagt, dass er an einer ganz großen Sache dran ist, etwas mit Drogen, und dass er seinen Computer schützen muss, damit ihn niemand ausspionieren kann.“

      „Und hast du den Auftrag angenommen?“

      „Ja, letztlich schon. Eigentlich hab ich nicht wollen, weil bei dem Anton war das meiste nur heiße Luft, aber er hat mir auch ein bissel leidgetan und mich so lang bekniet, bis ich nachgeben hab. Wir haben uns dann bei ihm getroffen und ich hab mir seinen PC flüchtig angeschaut. Das Sicherheitsniveau insgesamt war katastrophal, aber er hat gemeint, dass er bei seiner aktuellen Recherche durch eine geniale Verschlüsselung seines wichtigsten Dokuments