Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740956721
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bist du los«, stellte Robert kopfschüttelnd fest. »Wie kannst du nur so geschäftsuntüchtig sein, kleiner Bruder? Du hättest einen Riesennutzen aus dem Artikel ziehen können. Ich verstehe einfach nicht, wie du dir das entgehen lassen kannst. Was hätte es Frau Baron geschadet, wenn auch du öffentliche Aufmerksamkeit bekommst?«

      »Nichts«, antwortete Daniel ruhig, »aber es wäre unhöflich und taktlos gewesen, dieses hier ist ihr Abend.«

      Robert lachte auf. »Du bist und bleibst ein Schaf, kleiner Bruder. Pass nur auf, dass du mit dieser Einstellung deine Firma nicht gegen die Wand fährst. Es ist wohl tatsächlich besser, du arbeitest für mich als Angestellter, dann musst du keine Verantwortung tragen; siehst du das nun endgültig ein?«

      Bei diesen Worten zog Lilly ihre Hand unter Roberts Arm hervor. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen.

      Daniel schaute immer noch seinen Bruder an. »Nein, das sehe ich ganz und gar nicht so«, entgegnete er ruhig. »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst? Ich sehe drüben Lorenz Breitner stehen, der noch etwas mit mir wegen der Sturmschäden besprechen will.«

      Nachdem sein Bruder zum Förster hinüber gegangen war, sagte Robert kopfschüttelnd zu Lilly: »Daniel ist und bleibt ein Träumer und Verlierer, er …«

      »Nein, er ist der Gewinner«, schnitt Lilly ihm das Wort ab. Sie machte eine ungeduldige Handbewegung, als Robert etwas sagen wollte. »Wir reden später weiter, wenn wir auf dem Gut sind. Und ich fahre mit meinen Pateneltern zurück, warte nicht auf mich.« Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und ging zu Leopold hinüber, der in ein angeregtes Gespräch mit Benedikt Seefeld vertieft war.

      Robert fühlte sich abserviert und machte seinem Ärger Luft, indem er Markus anfuhr, der angeblich die Sektgläser nicht gut genug auffüllte.

      *

      Bevor Lilly zu der fröhlichen Runde ging, die sich im Park von ›Silberwald‹ versammelt hatte, um gemeinsam den Abend ausklingen zu lassen, zog sie sich für einen Moment in Sybilles Zimmer zurück. Sie musste mit sich und ihren Gedanken allein sein.

      Roberts abwertende Worte über seinen Bruder und Daniels Gefühl für Takt und Rücksichtnahme hatten sie zu einer Entscheidung gebracht. Es war sinnlos, sich weiter um etwas zu bemühen, was nicht mehr existierte. Hier hatte sie Robert von einer Seite kennengelernt, die sie abstieß. Er konnte nicht mehr ihr Freund sein, sie würde sich von ihm trennen. Sobald die Gäste gegangen waren, würde sie es ihm sagen, ihre Sachen packen und endgültig aus dem gemeinsamen Zimmer ausziehen.

      »Es tut mir ehrlich leid, Sybille, aber dein Sohn Robert ist nicht der Richtige für mich«, sagte sie leise in die Stille hinein.

      Dann tauschte Lilly die High Heels gegen Ballerinas, mit denen sie bequem auf dem Rasen laufen konnte, griff nach ihrem Pashminaschal in der Farbe zarter Teerosen und ging zu den anderen in den Park hinaus.

      Familie Seefeld, Familie von Raven und noch einige andere Freunde ließen den Abend gemeinsam ausklingen. Es war eine freundliche und entspannte Atmosphäre, in der viel erzählt und gelacht wurde. Windlichter flackerten auf dem Tisch und in den Bäumen, es gab guten Wein, Wasser und Fruchtschorlen, und zum Essen hatten Rautende und Lilly kleine Blätterteigtaschen mit pikanter Füllung gezaubert, von denen man einfach nicht genug bekommen konnte.

      »Es ist so schön hier; ich freue mich, dass wir nach der Aufregung um die Ausstellung jetzt noch so entspannt zusammensitzen können«, sagte Alexandra glücklich.

      Inzwischen waren außer der Familie Seefeld die Gäste gegangen, und auch Robert hatte sich für mehrere wichtige Auslandstelefonate in sein Zimmer zurückgezogen.

      Benedikt schaute zu den Birken hinüber, die in der Dunkelheit schimmerten, und sagte versonnen lächelnd: »Es ist immer etwas Besonderes, wenn man in ›Silberwald‹ zusammensitzt. Das war es schon früher bei Ihren Eltern und das ist es auch jetzt bei Ihnen, Daniel.«

      »Und wir hoffen sehr für Sie, dass es auch in Zukunft so bleibt«, fügte Traudel warmherzig hinzu. »Hat sich denn inzwischen etwas wegen des fehlenden Testaments klären können?«

      »Leider noch nicht.« Daniel schüttelte den Kopf. »Wir haben morgen einen Termin mit unserem Anwalt. Es wird Zeit, dass das hier zu einem Abschluss kommt.«

      »Gibt es denn tatsächlich gar nichts Schriftliches? Vielleicht an einem Ort, an dem Sie noch nicht nachgesehen haben, weil er Ihnen zu unwahrscheinlich vorkommt?«, fragte Leopold nachdenklich. »Oder gibt es doch einen Zeugen für Franz Bergers mündliche Verfügung? Du bist doch bis zum Schluss bei ihm geblieben, Sebastian. Hat er nicht noch irgendetwas gesagt?«

      »Er hat es versucht, aber es war wegen der Störung durch den Schlaganfall kaum zu verstehen«, antwortete der junge Landdoktor bedrückt. »Für mich klang es nach dem Namen seiner Frau, Sybille, und ähnlich wie ›bei den alten …‹, aber das ergibt keinen Sinn.«

      »Nein, leider nicht«, sagte Daniel. »Ich habe diese Wortfetzen auch so gehört, aber nicht gewusst, was mein Vater damit meinte. Papa wirkte sehr unruhig, als er es zu sagen versuchte, es muss wichtig für ihn gewesen sein.« Überwältigt von der traurigen Erinnerung schaute Daniel vor sich hin ins Leere.

      Alexandra hoffte, dass ihn vielleicht die Beschäftigung mit den Arbeiten seiner Mutter trösten konnte. »Ist es Ihnen recht, wenn Sie mir jetzt die Bilder Ihrer Mutter zeigen? Ihre Kunst anzuschauen ist doch ein schöner Ausklang dieses Abends«, sagte sie freundlich.

      Daniels Miene hellte sich auf. »Das tue ich sehr gern«, antwortete er.

      »Bitte, wäre es Ihnen und Frau Baron recht, wenn wir auch mitkommen?«, fragte Emilia. »Meine Mutter hat zwar keine Kalligraphie gemacht, aber auch gemalt, Kunst interessiert mich.«

      »Mit den Bildern deiner Mutter ist der restaurierte Festsaal eröffnet worden«, antwortete Daniel lächelnd. »Natürlich könnt ihr gern mitkommen und schauen, was von Sybille Berger noch im Haus ist.«

      Alle standen auf und schlenderten zu den geöffneten Fenstertüren der Bibliothek hinüber. Dort verteilten sie sich in Grüppchen um den alten Schreibtisch, und Daniel öffnete die erste Mappe mit den ungerahmten Arbeiten. Es waren anrührende Bleistiftzeichnungen von Robert und Daniel, als sie noch ganz kleine Babys gewesen waren, Landschaftsansichten in Aquarellmalerei, einige Porträtstudien und Schriftübungen in Kalligraphie.

      »Wie schade, dass Ihre Mutter irgendwann damit aufgehört hat«, sagte Alexandra bedauernd. »Sie hatte großes Talent.«

      »Wahrscheinlich hat sie nicht mehr ausreichend Zeit zum Malen und die Kurse gehabt, in denen sie lernte und sich weiterbildete«, antwortete Daniel. »Mama hatte zwei Kinder in ganz unterschiedlichen Lebensaltern und hat sehr viel auf dem Gut gearbeitet. Damals hatten wir auch noch Pferde und einen kleinen Reitbetrieb, um den Mama sich gekümmert hat.«

      »Hier ist noch mehr. In dieser zweiten Mappe sind überwiegend Arbeiten aus der Kalligraphie«, sagte Lilly. »Eure Mutter hatte sie in ihrem Zimmer aufbewahrt, fast wären sie in ihrem alten Sekretär in Vergessenheit geraten.«

      »Das wäre schade gewesen, denn sie sind außergewöhnlich und sehr gut«, stellte Alexandra neidlos fest.

      Die Blätter gingen unter den bewundernden Blicken der anderen von Hand zu Hand, und man bestaunte die verschiedenen Techniken, mit denen Sybille Berger gearbeitet hatte.

      »Aber was ist das hier? Das sieht viel älter aus als alles, was in dieser Mappe ist«, stellte Alexandra fest und zog ein halb verborgenes Pergament aus einem Seitenfach der Ledermappe.

      Das Papier war alt und vergilbt und mit seltsam aussehenden Zeichen bedeckt, die auf den ersten Blick kaum als Kalligraphie zu erkennen waren. Das einzig Leserliche auf dem Bogen war die verschnörkelte Jahreszahl AD 1892.

      »In diesem Jahr haben unsere Ur-Großeltern ›Silberwald‹ erbaut. Ich kenne das Datum aus alten Kaufverträgen und Rechnungen, aber dieses Pergament habe ich noch nie gesehen«, sagte Daniel erstaunt. »Ich kann mit den Schriftzeichen nichts anfangen, für mich sind sie völlig unleserlich. Handelt es sich überhaupt um Schrift oder sind es nur kunstvolle