So viel Gefälligkeiten, als seit dieser Zeit dem alten Kriegsherren Dimetri durch Donatello widerfuhren, waren ihm wohl Zeit seines ganzen erfahrungsreichen Lebens noch im Pausch und Bogen nicht begegnet, und das auf eine so geschickte Weise, daß dennoch nie eine absichtliche Zudringlichkeit dabei sichtbar ward. Was aber dem Jünglinge bei der holden Porzia sehr behilflich gewesen sein mochte, war ihm bei dem alten Dimetri sehr hinderlich; die große Schönheit nämlich, in welcher er vor allen seines Alters hervorleuchtete. Ohne diese hätte wohl Dimetri schon längst einen so behaglichen und ergötzlichen Gesellen in seine Wohnung eingeladen, aber jetzt erschien ihm das Wagestück noch immer zu furchtbar, und so freundlich er auch beständig gegen Donatello blieb, so blieb Donatello doch auch seinerseits immer beständig vor der Tür. – Der junge Verliebte hatte schon einen bedeutenden Teil seines Vermögens in Gefälligkeiten für Dimetri aufgewandt, und war noch immer seinem Ziele um keinen Schritt näher gekommen. Da gedieh endlich bei ihm zum Plan ein Gedanke, welcher bisher nur Träumerei gewesen war, der Wunsch nämlich, Dimetri möge doch bald in eine große Lebensgefahr geraten, und er, ihn errettend, sich seines Zutrauens und seiner Freundschaft unwiderruflich bemächtigen. Er bestellte einige Meuchelmörder, welche den alten Kriegsherrn an einem entlegnen Orte unversehens überfallen mußten. Sobald aber in dessen scheinbar größter Gefahr Donatello herbeieilte, ließen sich die erkauften Bursche von dem Jünglinge nach verstelltem Widerstande in die Flucht jagen. Das Spiel ward täuschend gespielt, Dimetri glaubte sich durch Donatello gerettet, dankte ihm aufs ernstlichste, aber seine Schwelle blieb verschlossen nach wie vor; ja er zeigte sich seitdem mürrischer und unzufriedner, als jemals sonst.
Das hing aber also zusammen. Den Glauben, Madonna Porzia könne ihn, einen alten, in allen Künsten des Gefallens unbeholfnen Mann nicht eben lieben, suchte Dimetri vor sich selbsten niederzustreiten, indem er sich alle seine, in Wahrheit berühmten und sehr außerordentlichen Kriegstaten ins Gedächtnis rief, und zu gleicher Zeit auch dasjenige, was große Dichter über die Liebe der schönen Frauen zu Kriegshelden gesagt hatten. Dabei ermangelte er nicht, der jungen Dame alle seine Kämpfe und Begebenheiten recht lebhaft vorzuerzählen, auch ihr Bücher in die Hände zu spielen, worin mancherlei davon geschrieben stand. Aber es kam ihm doch immer vor, als höre und lese sie dergleichen mit keiner andern Bewegung, als sie die Historien vorlängst zu Staub gewordener Helden las, und er hätte schon längst die veralteten Ehren durch irgend einen neuen Kriegszug wieder aufgefrischt, seiner schwächlichen Gesundheit ungeachtet, nur daß ihm die Eifersucht nicht gestattete, sich so lange von Porzias Seite zu entfernen. Wenn er dann bisweilen im Hofe seines Palastes junge Rosse vorführen ließ, oder Armbrüste herbeibringen, um die Geschicklichkeiten seiner vielbewunderten Jugend vor der jungen Schönen zu üben, so fühlte er nur allzuwohl, wie wenig er jetzt in diesen Übungen glänze, und eine gewisse ängstliche Besorgnis dabei in Madonna Porzias Blicken sahe mehr nach der Angst einer Tochter aus für ihren gebrechlichen Vater, als nach der Besorgnis eines Weibes für ihren wagehalsigen Gatten. – Wie mußte nun erst das sieglose Kämpfen mit den Meuchelmördern, und die Rettung aus ihren Händen durch den Arm eines so zierlichen Jünglinges, das Herz des alten Kriegeshelden verwunden! Er machte sich mehr und mehr von Donatello los, und an dessen Einführung in sein Haus war auf keine Weise mehr zu denken.
Mit so vielfach verfehlten Hoffnungen konnte zuletzt bei dem Gemüte des jungen Verliebten die Geduld nicht mehr bestehen. Zwar hielt ihn ein Schimmerlicht dereinstigen Gewährens noch immer gegen Dimetri mild und freundlich, aber für alle andre Leute in der Stadt ward er ein wahrer Plageteufel, vermeinend, wenn ihm sein bestes Wünschen mißlinge, dürfe auch niemand sonst zu dem seinigen gelangen. So geschah es denn endlich, daß er, wie ehemals von ganz Napoli geliebt und gepriesen, jetzo von ganz Napoli gehaßt ward und verwünscht, und endlich einige junge Männer, die er allzuoft feindselig verhöhnend auf ihren Wegen gekreuzt hatte, sich kurz entschlossen, ihm aufzulauern, um ihn, wo nicht zu ermorden, doch wenigstens dermaßen zu verwunden, daß er auf immer eine Scheu vor seinen eignen Neckereien bekommen sollte. Er fiel eines Abends in die Schlinge, denn weil er nicht umhin konnte, wenigstens bei Nacht in der Nähe jener geliebten Wohnung umherzustreifen, war es leicht, ihn dorten zu fassen, und so tapfer er sich auch verteidigte, brachten ihm Überraschung und Mehrzahl des Feindes dennoch bald zwei bedeutende Wunden bei.
Da hörte der alte Haudegen aus seinem Palaste das Rufen und Waffenklirren der Kämpfer, und in der Begier, vor sich selbsten und seiner schönen Madonna Porzia den Orlando zu spielen, gürtet er sich, und läuft, sein großes Schlachtschwert in beiden Händen, hinaus. Mochte er nun, also zum Kampf vorbereitet, wirklich noch ein furchtbarer Fechter sein, oder tat der Schrecken bei Donatellos Gegnern das beste, – genug sie flohen vor dem alten Hünengebilde, und Donatello war errettet. Da schwand dem triumphierenden Sieger jede mögliche Bedenklichkeit aus den Augen. Als eine Trophäe brachte er den geretteten Freund zu Madonna Porzia herein; ließ nicht eher ab, bis sie die Pflege des Verwundeten selbst übernahm, und weil Donatello seinen Vorteil gut genug verstand, um in Dimetris Gegenwart von nichts anderem gegen Madonna Porzia zu sprechen, als von der Heldentat ihres Gemahls, und alle dessen Fechterkünste, und bedrohliche Stellungen, und unerhörte Wagstücke mit endloser Beredsamkeit auseinandersetzte, blieb er auch nach seiner Genesung der unwandelbare Hausfreund. Dimetri fand ihn oftmals allein mit seiner Frau, aber jeder aufsteigende Verdacht schwand zusammen, weil er immer dabei die Geschichte seiner Heldentat von Donatello erzählen, von Porzia bewundern hörte.
Man kann aus dieser Geschichte lernen, daß die Klugheit eines Menschen wenig über das Gemüt eines andern vermag, daß aber, wenn sich der Narr in unsers Gegners Brust einmal für uns erklärt, unser Spiel auch ganz von selber gewonnen ist.«
Es wurden viel Stimmen über die Begebenheit des alten Kriegsherrn Dimetri und des jungen Messer Donatello laut, und man hörte bald den Verliebten wegen seiner klugen Verschwiegenheit und Zurückhaltung preisen, bald Madonna Porzia loben, daß sie ein so feines Werben zu verstehen und zu würdigen gewußt habe, bald wieder alle Personen der Geschichte, selbst den Dimetri miteingeschlossen, glücklich nennen, weil ja doch jedem ein lang gehegter Wunsch erfüllt worden sei; kurz, man wußte des Lachens und der mannigfachen Bemerkungen kein Ziel zu finden.
Herr Folko von Montfaucon ließ während dessen die freundlich leuchtenden Augen mit achtsamer Wirtlichkeit um die Tafel kreisen, und weil es ihm vorkam, als sitze Otto in trüben und verdrießlichen Gedanken da, vermeinte er, ihn aufzuheitern, und ihn der Gesellschaft bekannter zu machen, indem er sagte: »Mein edler deutscher Gast, Ihr hört, wie man bald dies bald jenes an der Geschichte des Grafen Alessandro lobt; was dünkt nun Euch das Preisenswürdigste dabei zu sein? Und findet Ihr's am Ritter oder an der Dame?«
Mit dunkelglühenden Augen, mit tiefer Stimme und einem strengen Aussehen, das seltsam gegen die witzige Lustigkeit der Gesellschaft abstach, erwiderte Otto: »Ich weiß nicht, ob an solchem Ritter oder an solcher Dame auf irgendeine Art das mindeste zu preisen sein kann. Wenn Ihr mich frügt, bei welchem von beiden das Abscheulichste, Schmachwürdigste und Teufelmäßigste zu finden sei, hätt' ich wohl eher eine Antwort, und auch alsdann würde mir die Wahl schwer fallen! Pfui! Hat über all ihr Verdienst der rühmliche Kriegsheld die glatte Puppe gewählt, hat seine Ehr' in ihre Hand gelegt, ihr vertrauend, daß sie den edlen Friedensabend seines tapfern Lebens mit frommen Lichtern der Lieb und Herzigkeit und Treue bestrahlen werde, und sieht die schlechte Kreatur von ihrer hohen Bestimmung weg nach leckern Buhlen aus! – Pfui! Mag es dem zierlich nichtstuerischen Burschen gelingen, daß ihn der alte Held gern um sich hat – eine Ehre, davor einem rechten Kerl das Herz aufhüpfen müßte vor Lust – und braucht er's nur, ihm seine Fallen desto listiger zu stellen! Gibt sich mit Meuchelmördern ab! Warum nicht lieber gar mit Giftmischern auch! Und endlich rettet ihn der alte Kampfesfürst im Ernst, wie er's mit jenem frevelhaft gespielt, braucht treu und brav für ihn, vielleicht zum letztenmale, das ruhmgekränzte Schwert, und statt vor Scham in die Erde zu sinken – erlaßt mir, liebe Herrn, die Müh, es weiter auseinanderzusetzen. Ich habe schon länger hingeschaut, als es gesunden Augen zuträglich sein mag.«
Es war still geworden an der