Folko neigte sich, und alsbald hatte er die Gesellschaft mit anmutiger Leichtigkeit unter den grünen Laubgewölben geordnet. Weine und Speisen wurden in köstlicher Mannigfaltigkeit umher gereicht, und dazu bald von dem, bald von jenem anmutige Lieder gesungen. Da erhob sich vielfach die Bitte, Fräulein Blancheflour möge das Lied von Abælard und Heloise mit irgendeinem der edlen Meister singen. Sie suchte sich dazu einen Jüngling von ihres Bruders Gefolge aus, der Meister Aleard geheißen war, und ihr Wechselgesang begann in folgenden Worten:
Blancheflour
Ȇber Wald und Flur und Wiese
Streut der Abend Blumen aus;
Eine nennt man Heloise,
Doch die welkt allein im Strauß.
Klostergarten
Hält im harten
Zwinger dieses Blümleins Pracht;
Kann nicht fliegen,
Muß erliegen,
Sagt zum Leben: gute Nacht!«
Aleard
»Lieber Gott, das Spätrot funkelt,
Nachtigall führt süßen Streit,
Lüfte kühlen, Abend dunkelt,
Ach, das war ja sonst die Zeit.
Still, du Locken!
Klosterglocken
Gehn den mahnend ernsten Gang.
Liebeszungen
Sind verklungen,
Was noch klingt, ist Leichensang.«
Blancheflour
»Willst hinaus du, Heloise?
Sehnst dich nach der blühnden Schar?«
Aleard
»Willst du über Feld und Wiese,
Wieder wandeln, Abælard?«
Beide
»Nein, der Erde
Grambeschwerde
Sagen wir fortan Ade!
Wer im Sinne
Klagt um Minne,
Dem tut Einsamkeit nicht weh.«
Blancheflour
Ȇber ferne Seen klingt es;
Kommt's von dir, mein Abælard?"
Aleard
»Über ferne Wälder singt es;
Heloise, tönst so klar?«
Beide
»Nachtigallen –
Lieder schallen,
Sagen schon dem Lenz Ade!
Klosterzelle,
Schleuß die Schwelle;
Mir tut Einsamkeit nicht weh.«
Es standen Tränen in manchen schönen Augen, ja, auch wohl an den Wimpern tapfrer Kriegshelden, so beweglich hatten Blancheflour und Aleard gesungen. Otto fühlte die Töne in seines Herzens Tiefen widerhallen; es kam ihm vor, als sei das ganze Lied auf ihn gemacht, so wenig es sich auch für seine gegenwärtige Lage schicken wollte, und er mußte immer heimlich bei sich selbst welche von den Schlußzeilen des Gesanges wiederholen. Herr Folko von Montfaucon sahe indessen finster vor sich nieder, viel anders, als man es sonst wohl von dem freundlichen Ritter gewohnt war. Endlich wandte er einen strengen Blick nach Fräulein Blancheflour hinüber, die soeben sehr angelegentlich mit Meister Aleard sprach, und sie kam eilig zu dem Bruder, und setzte sich neben ihn, und wich den ganzen Abend lang nicht mehr von ihm. Dagegen liebkosete ihr nun Folko auf das artigste und heiterste, tausend anmutige Dinge aussinnend, um sie zu ergötzen. Dennoch war es bisweilen, als perle in Blancheflours milden Augen ein helles Tränlein, und Meister Aleard wich unter die tiefsten Lauben des Forstes zurück.
Der Abend zog kühl über die Gegend, feuchte Nebel stiegen aus den gefaltnen Buchenblättern herauf, und man erhob sich, mit einem lustigen Marsche, nach der Burg emporwandelnd. Wunderlich schimmerten die Kerzen und Fackeln, welche der Gesellschaft leuchteten, auf dem vielfach gewundnen Bergpfade durch das hereinbrechende Dunkel.
Mit den Morgenlichtern des andern Tages regte sich ein vielfaches Treiben auf dem geräumigen, von frischem Rasen begrünten, von hohen Linden beschatteten Burghofe. Pfähle wurden eingerammt, und Balken darin eingefugt, zum Gitter, welches den Kampfplatz vor der zudringenden Menge sichern sollte, reiche Teppiche über die Verzäunung hingehängt. Im Runde selber luden einige Wagen feinen, sehr weißen Sand ab, und eine Menge von Knechten breitete ihn geebnet und sorgfältig aus, damit die Streitrosse festen Tritt fassen könnten, und sich freudig tummeln, ohne auf dem schlüpfrigen Rasen zu gleiten; auch, falls die Herren zum Fußkampf mit geschliffnen Schwertern kämen, die beerzten Fersen sichern Halt gewännen. Auf und ab gingen dabei Don Hernandez und Graf Vinciguerra, welchen man, schon gestern alles verabredend, die Oberaufsicht als Kampfesrichtern anvertraut hatte. Sie maßen den Rund, sie ordneten und bezeichneten die Stellen der Fechter zu gleicher Sonne und gleichem Wind, alles nach sehr reiflichem Erwägen. Für die Frauen ward eine hohe, herrliche Bühne erbaut, recht zwischen das Gezweig der alten Lindenbäume hinein, so daß sie mitten in der Beschattung und dem Schutze der dichten Blätter zu sitzen kamen, dennoch an der freien Aussicht über die Rennbahn ungehemmt, und wie himmlisch belebte Früchte anzusehn, oder vielmehr wie Engel aus Paradieseslauben hervor. Eine Menge von Zuschauern