Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207022
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eben diese Jugend und Arglosigkeit für einen helfenden Engel. – »Wart Ihr nicht jener Jüngling am Donaustrand?« – »Das war ich«, entgegnete Otto mit -leiser Stimme, »und stehe nun hier, mein Gelübde von damals zu lösen.« – Gabriele sah wohlgefällig, aber, wie es schien, noch immer zweifelnd auf ihn hin. Da trat Ritter Montfaucon wieder herzu, sprechend: »Dame, wollet diesen edlen Herrn zu Euerm Kämpfer erkiesen. Ich stehe nicht eben in dem Ruf, ohnmächtige Widersacher zu begehren. Diesen in den Schranken mir gegenüber hätt' ich gern.« – Und alsbald zog Fräulein Gabriele den zierlichen Handschuh von der schwanenweißen Hand, knüpfte ihn an Ritter Trautwangens Feldbinde fest, und sagte: »Mein Recht und meine Hoffnung bind' ich an Euer tapfres Schwert.« Dann mit gesenkter Stimme setzte sie hinzu: »Und Gabriele wird des Siegers Dank.« – Er gedachte zu antworten, da girrte es neben ihm, wie zarter Turteltaubenlaut. Und aufblickend sahe er eine wunderholde Gestalt an Ritter Folkos Schulter gelehnt, eine Gestalt, in der er nach der Beschreibung Fräulein Blancheflour erkannte, und nun von Herzen alles glaubte, was ihm der Freiherr von der unverwelklichen Schönheit seiner Mutter gesagt hatte. Blühte ja dieser Huldreiz noch über das Grab her in die Welt herein! Blancheflour aber neigte sich demütig gegen Gabriele, und flüsterte: »O, eine Bitte, edle Maid! Ich habe nur den einen, einen Bruder, und soll er denn bis an sein Lebensende für mein Ringlein fechten? Und nimmer ich des jungen Helden mit Gewißheit froh sein? O, laßt doch den jetzigen Zweikampf für immerdar entscheiden. Erliegt mein lieber Bruder, Herrin, ach, so ist der Ring ja Euer. Drum, wenn Eu'r Kämpfer fällt, so laßt auch Euern Anspruch fallen, ein für allemal. O bitte! Ihr seid der Großmut allzuvoll, um fort und fort so gar ungleiches Spiel zu spielen.« – Man konnte wohl sehn, daß Gabriele ein ernstes Streiten mit sich selbst bestand. Zuletzt aber schaute sie freundlich in die Höhe, und sagte: »Es sei! – Herr Ritter«, fuhr sie fort, gegen Trautwangen mit einer Mischung von Würde und Ängstlichkeit gewandt, »nun liegt mein ganzes Wohl und Weh in Eurer Hand und in Euerm kühnen Herzen.« – »O darf ich denn nicht noch in dieser Stunde fechten?« fuhr der begeisterte Otto auf. – »Nicht also«, sagte Gabriele ernst. »Ich kenne die Rüstung, die Ihr tragt, sehr wohl. Vielleicht ist sie bestimmt, in meinem Dienst mein frühres Unheil wiedergutzumachen, vielleicht, es zu vollenden. Doch wenn ich damals eilig war, zu dem unheilvollen Rennen, so will ich mich heute zügeln. Drum morgen, um die Mittagsstunde, fechtet auf dem Burgplatz. Und bis dahin von all den ernsten Angelegenheiten nichts. Vielmehr, – wenn ich hier irgend um etwas bitten darf – so gehe Fest und Spiel in sorgenfreier Lust vor uns auf.«

      Folko neigte sich, und alsbald hatte er die Gesellschaft mit anmutiger Leichtigkeit unter den grünen Laubgewölben geordnet. Weine und Speisen wurden in köstlicher Mannigfaltigkeit umher gereicht, und dazu bald von dem, bald von jenem anmutige Lieder gesungen. Da erhob sich vielfach die Bitte, Fräulein Blancheflour möge das Lied von Abælard und Heloise mit irgendeinem der edlen Meister singen. Sie suchte sich dazu einen Jüngling von ihres Bruders Gefolge aus, der Meister Aleard geheißen war, und ihr Wechselgesang begann in folgenden Worten:

       Blancheflour

      »Über Wald und Flur und Wiese

       Streut der Abend Blumen aus;

       Eine nennt man Heloise,

       Doch die welkt allein im Strauß.

       Klostergarten

       Hält im harten

       Zwinger dieses Blümleins Pracht;

       Kann nicht fliegen,

       Muß erliegen,

       Sagt zum Leben: gute Nacht!«

       Aleard

      »Lieber Gott, das Spätrot funkelt,

       Nachtigall führt süßen Streit,

       Lüfte kühlen, Abend dunkelt,

       Ach, das war ja sonst die Zeit.

       Still, du Locken!

       Klosterglocken

       Gehn den mahnend ernsten Gang.

       Liebeszungen

       Sind verklungen,

       Was noch klingt, ist Leichensang.«

       Blancheflour

      »Willst hinaus du, Heloise?

       Sehnst dich nach der blühnden Schar?«

       Aleard

      »Willst du über Feld und Wiese,

       Wieder wandeln, Abælard?«

       Beide

      »Nein, der Erde

       Grambeschwerde

       Sagen wir fortan Ade!

       Wer im Sinne

       Klagt um Minne,

       Dem tut Einsamkeit nicht weh.«

       Blancheflour

      »Über ferne Seen klingt es;

       Kommt's von dir, mein Abælard?"

       Aleard

      »Über ferne Wälder singt es;

       Heloise, tönst so klar?«

       Beide

      »Nachtigallen –

       Lieder schallen,

       Sagen schon dem Lenz Ade!

       Klosterzelle,

       Schleuß die Schwelle;

       Mir tut Einsamkeit nicht weh.«

      Es standen Tränen in manchen schönen Augen, ja, auch wohl an den Wimpern tapfrer Kriegshelden, so beweglich hatten Blancheflour und Aleard gesungen. Otto fühlte die Töne in seines Herzens Tiefen widerhallen; es kam ihm vor, als sei das ganze Lied auf ihn gemacht, so wenig es sich auch für seine gegenwärtige Lage schicken wollte, und er mußte immer heimlich bei sich selbst welche von den Schlußzeilen des Gesanges wiederholen. Herr Folko von Montfaucon sahe indessen finster vor sich nieder, viel anders, als man es sonst wohl von dem freundlichen Ritter gewohnt war. Endlich wandte er einen strengen Blick nach Fräulein Blancheflour hinüber, die soeben sehr angelegentlich mit Meister Aleard sprach, und sie kam eilig zu dem Bruder, und setzte sich neben ihn, und wich den ganzen Abend lang nicht mehr von ihm. Dagegen liebkosete ihr nun Folko auf das artigste und heiterste, tausend anmutige Dinge aussinnend, um sie zu ergötzen. Dennoch war es bisweilen, als perle in Blancheflours milden Augen ein helles Tränlein, und Meister Aleard wich unter die tiefsten Lauben des Forstes zurück.

      Der Abend zog kühl über die Gegend, feuchte Nebel stiegen aus den gefaltnen Buchenblättern herauf, und man erhob sich, mit einem lustigen Marsche, nach der Burg emporwandelnd. Wunderlich schimmerten die Kerzen und Fackeln, welche der Gesellschaft leuchteten, auf dem vielfach gewundnen Bergpfade durch das hereinbrechende Dunkel.

      Mit den Morgenlichtern des andern Tages regte sich ein vielfaches Treiben auf dem geräumigen, von frischem Rasen begrünten, von hohen Linden beschatteten Burghofe. Pfähle wurden eingerammt, und Balken darin eingefugt, zum Gitter, welches den Kampfplatz vor der zudringenden Menge sichern sollte, reiche Teppiche über die Verzäunung hingehängt. Im Runde selber luden einige Wagen feinen, sehr weißen Sand ab, und eine Menge von Knechten breitete ihn geebnet und sorgfältig aus, damit die Streitrosse festen Tritt fassen könnten, und sich freudig tummeln, ohne auf dem schlüpfrigen Rasen zu gleiten; auch, falls die Herren zum Fußkampf mit geschliffnen Schwertern kämen, die beerzten Fersen sichern Halt gewännen. Auf und ab gingen dabei Don Hernandez und Graf Vinciguerra, welchen man, schon gestern alles verabredend, die Oberaufsicht als Kampfesrichtern anvertraut hatte. Sie maßen den Rund, sie ordneten und bezeichneten die Stellen der Fechter zu gleicher Sonne und gleichem Wind, alles nach sehr reiflichem Erwägen. Für die Frauen ward eine hohe, herrliche Bühne erbaut, recht zwischen das Gezweig der alten Lindenbäume hinein, so daß sie mitten in der Beschattung und dem Schutze der dichten Blätter zu sitzen kamen, dennoch an der freien Aussicht über die Rennbahn ungehemmt, und wie himmlisch belebte Früchte anzusehn, oder vielmehr wie Engel aus Paradieseslauben hervor. Eine Menge von Zuschauern