Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207022
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zu locken, und fürder harrend und starr schritten sie ihren feierlichen Mordtanz umeinander herum. Da sausete plötzlich Heerdegens Speer durch die Luft, und zugleich drehte der Nordmann sein riesigleuchtendes Schild, wie einen wirbelnden Mond, fing das Geschoß mit der festen Mitte der Schutzwaffe auf, und schleuderte es so im Bogen geschnellt gegen den Werfer zurück. Und zugleich zischte auch seine Lanze fort und fuhr durch Heerdegens Schildrand mit so krachender Gewalt, daß sie den überraschten Fechter, eben da er zum Schwerte fassen wollte, mit sich zur Erde riß, den Schild in den rasigen Boden einpfählend. Noch eh' sich der Gesunkne davon losmachen konnte, war ihm der Seeritter gewaltigen Sprunges, wie ein geflügeltes Raubtier, auf dem Nacken, hielt ihm mit einem geschickten Griff beide Arme gegen den Rücken zusammen, und gewann gleich darauf mit der einen Hand des Schwertes Knauf, das er aus der Scheide riß, und weit über den Kampfesrund hinausschleuderte. Während dieses Ringens sang er mit lauter, fröhlicher Stimme:

      »Hat den kräftigen Holmgang

       Heiß gekämpft der Nordmann,

       Kniet noch kaum sich regend

       Fremder Kämpfer lautlos!«

      Bertha aber sahe mit wachsendem Entsetzen, wie ihr Bruder erlag, sahe, wie die goldnen Geierflügel vom Helme des Siegers über das zornbleiche Antlitz Heerdegens hervorragten, und des gräßlich erfüllten Gesichtes im Zauberspiegel gedenkend, schrie sie laut auf: »O Geier, o mächtiger Geier, so schone des edlen Wildes!« – Da lächelte der Seeritter freundlich gegen sie empor, und sagte: »Ich tu' ihm nichts.« – Dann neigte er sich wieder zu Heerdegen, sprechend: »Du bist wehrlos. Willst du dich geben? Dann hast du's mit einem ehrlichen Feind zu tun.« – Heerdegen senkte in Beschämung und Ingrimm sein Haupt. Da ließ ihn der Nordmann los, ging lächelnd zu Bertha, und sprach: »Laßt es euch beide nicht gereuen, daß ihr mich eine Zeitlang begleitet auf meinen Fahrten durch die salzige Flut. Ich hab' Euch rühmlich gewonnen, und es ist für Euch und ihn nichts weiter, als hättet Ihr noch einen Bruder dazu. Der ist aber freilich der älteste, oder gilt doch dafür, und da müßt Ihr hübsch folgen, wie er's gebeut.« Dann kehrte er sich zu seinem Gefolg, und rief: »Boot heran! Segel bereit. Wir müssen heut noch viele Meilen schiffen beim Sternenlicht.«

      Und noch war die Sonne kaum ganz hinab in die Flut, da fuhren die Geschwister schon mit der Flotte des Seeritters, – drei schnelle, wunderlich gebaute Fahrzeuge waren's, und sie mit ihm in demselben Schiffe, – auf und davon. Bertha aber stand auf dem Verdeck, und mußte bitterlich weinen, wie die Abendnebel am verschwindenden Ufer sich kräuselten, und mit ihren weißen Armen nach ihr zu fassen schienen, wie abgesandt von der verlassenen freundlichen Drude. »Ich käme ja gern, ich käme ja gern«, sagte sie leise unter ihren quellenden Tränen. »Ich kann ja nicht wieder zurück.« Eine weiße Taube flog girrend über sie hin, und die Küste verschwand in den Schleiern der Dunkelheit und des Meeres.

      Einige Zeit, nachdem sich die letzterzählten Begebenheiten an dem Strande der Nordsee zugetragen, saßen Otto und Tebaldo in der Mitte des schönen Landes Frankreich unter den Schatten eines tiefdunkeln Forstes auf schwellendem Rasen beieinander. Die Sonne stand hoch am wolkenleeren Himmel, und schickte, ohne die Kühlung zu unterbrechen, nur heiter spielende Lichtlein durch das saftgrüne Laubengezweig. Die Rosse der beiden Gefährten graseten friedlich nebeneinander, denn des Ritters lichtbrauner Hengst hatte sowohl den gelben Polacken als dessen Herrn auf der langen Reise kennengelernt, und tat keinem von ihnen mehr etwas zuleide. Während nun Otto in ernsthaften Gedanken rückwärts gelehnt durch das Waldesgrün emporblickte nach dem Himmelblau, ergriff Tebaldo eine zierliche Mandoline, welche er immer mit sich zu führen pflegte, stimmte sie, und sang mit anmutiger Stimme folgende Worte zu seinem Spiel:

      »Die Lande fliehn, die Reise schwingt die Flügel,

       Im süßen Schwindel saust man durch die Lüfte,

       Umkränzung immer neu, und nie Begrenzung!

       Gehabt euch wohl, entschwundne Seen und Hügel,

       Seid schön gegrüßt, ihr fern geahnten Düfte,

       Einfassend ihr der Gegenwart Umglänzung!

       O Wechsel, gaukelnd Kind der zart'sten Feien,

       Führt endlos fort den lust'gen Lebensreihen!«

      »Nein, ich kann dir dein Lied nicht nachsingen!« fuhr Otto aus seinem tiefen Sinnen auf, und Tebaldo entgegnete lächelnd: »Wer verlangt denn das auch von Euch? Singt ein anders. Die wenigsten Menschen können einerlei Lieder singen, kaum einerlei Lieder vertragen, weshalben es eben so viele Sänger und Dichter gibt, und geben muß.«

      »Ich mag gar nicht singen«, sagte Otto. »Die Sehnsucht in mir überschwillt das holde Maß, in welchem sie ein tönend Meer des Liedes wird. Sag' mir, Tebaldo, ist es nicht unbegreiflich, daß man zwei so leuchtenden Gestalten, als Folko und Gabriele, zweien Namen, denen das ganze Frankreich zum Echo dient, noch immer vergeblich nachziehen kann, wenn man so lange und so eifrig bemüht ist, sie zu suchen, als wir?«

      »Eben die vielen Spiegel, draus sie widerleuchten«, erwiderte Tebaldo lachend, »eben die zahllosen Echos, die von ihnen widerklingen, machen uns irre, und unsre Bemühungen zunicht. Sind die beiden nicht etwa schon ganz geworden, wie Erscheinungen aus der alten Sagenzeit, von deren wundervollen Taten jedermann erzählt, was ihm am wundervollsten vorkommt, und sich berechtigt glaubt, auf ihre Rechnung zu lügen, was er sich irgend erdenken kann? Sie sind gewissermaßen schon bei ihren Lebzeiten vergöttert, und eben deshalb auf Erden nicht mehr gut ausfindig zu machen.«

      »Du willst mich zu lachen machen«, sagte Otto, »aber gib mir die Mandoline. Ich will doch lieber ein Lied singen.«

      »Seht Ihr nun wohl?« sprach Tebaldo, ihm das Instrument hinreichend. »Ach ja, singt, lieber Ritter, singt. Gesang ist wahrlich der reinste Engel, der sich in unsre Welt herein verfliegt. Es müßte denn den Düften einmal einfallen, Paradies spielen zu wollen, die nehmen's wohl mit jenem auf.«

      Otto rührte die Saiten und sang folgendes Lied:

      »Vöglein dort im klaren Blauen,

       Zeigt mir an

       Rechte Bahn,

       Wo sie führt zu meiner Frauen!

       Ach, ihr fliegt so kreuz und quer

       Irr umher,

       Habt sie selbst noch nicht gefunden;

       Bang' im Leib

       Unterm bunten Federkleid

       Tragt auch ihr der Sehnsucht Wunden.«

      »Es ist seltsam«, sagte der Italiener, als Otto schwieg, »wenn Ihr deutsch redet und vollends etwas ungestüm, scheinen sich diese Bäume und Gräser und Gewässer ordentlich zu verwundern, ja wohl gar ein wenig zu erschrecken; aber so wie Ihr singt, ist alles wieder gut, und sie schauen ganz befreundet drein. Und seht einmal, was sie Euch jetzo gar, wie zur Belohnung, Wundervolles und Schönes bescheren wollen.«

      Die Augen emporrichtend, sahe Otto, daß auf einem schlanken weißen Pferd ein junger Mann durch die Hainesschatten geritten kam. Er trug ein faltiges grünes Sängerkleid, und eine prächtige Goldkette darüber, an der ihm die blanke Zither vor der Brust herunterhing. Er spielte während des Reitens darauf, denn das Rößlein war so artig und wohlgezogen, daß es ordentlich den tiefer hängenden Zweigen aus dem Wege zu gehen suchte, damit sein Reiter nicht dadurch in seiner anmutigen Beschäftigung gestört wurde. Angekommen bei den Reisenden, fragte der Fremde: »Wart ihr es, die eben so ergötzlich gesungen habt?« Und auf Ottos höflich bejahende Antwort stieg er ab, sprechend: »So erlaubt, daß ich mich ein wenig zu euch setze. Gleich und gleich gesellt sich gern.« – Damit nahm er seinem Pferde das Hauptgestell ab, und ließ es über die frische Waldwiese hinlaufen. Alsbald kam Ottos Streithengst herbei, und stellte sich kampfheischend dem fremden Weidegesellen gegenüber, daß davor das zarte Tier erschrak, und Schirm suchend zu seinem Herrn zurücktrabte. Otto aber rief den zornigen Lichtbraunen mit strengen Worten an, und sogleich begab er sich ruhig zu dem Polacken, worauf denn des Sängers Rößlein wieder dreist ward, und sich in allerlei zierlichen Sprüngen auf dem Anger ergötzte.

      »Wir ziehen vielleicht eines Weges«, sagte der freundliche Fremde, »ja ich hoffe es sogar stark. Denn wo ich