Da war sie endlich fertig mit dem Sammeln der Kräuter, und gedachte nun, sie alsbald in einem goldnen Fläschlein zu kochen, das sie bei sich trug, und so den wunderbaren Trank leichter und sicherer nach Hause zu bringen. Ihr erster, leisester Wink rief ihren Beschützer herbei, und kaum, daß er ihr Begehr vernommen hatte, so trug er schon Reisig und Äste zusammen, und im Hui loderte, des Mägdleins Gebote zufolge, die Flamme lustig durch den gründunklen Forst gegen den einsamen Nachthimmel empor. Aber das Kochen des Zaubergebräues währte lang, und als es nun endlich zustande war, fing wieder Schön-Sigrid bitterlich zu weinen an, denn sie fühlte wohl, daß sie den langen Heimweg nicht mehr unverzüglich zu beginnen imstande sei.
›Schlaf sicher, holde Maid‹, sagte darauf der Kriegsheld, ›ich werde dich schon bewachen, und dich auch wecken zur rechten Zeit.‹ Und aus seinem Mantel und vielem zusammengetragenen Moos bereitete er ihr ein weiches, warmes Lager, und als sie mit scheuem Blicke davor stand, wich er alsbald in die finstersten Schatten des Haines hinein.
Sie erwachte soeben in den Lichtern des Morgenrots vor dem Geruf einiger Kriegshörner aus der Weite, da stand der junge Held wieder neben ihr, und sagte: ›Du mußt machen, daß du nach Hause kommst, denn was von dorten bläst, sind Hakon Swendsohns Hörner, die rufen deinen Vater zur Schlacht. Nimm deinen Trank schnell auf, und komm.‹
Und da führte er das Mädchen durch wunderliche Schleifwege des Forstes bis dicht vor ihres Vaters Burg. Als sie nun dorten von ihm Abschied nahm, wollte sie gern seinen Namen wissen. – ›Ich bin Hakon Swendsohn‹, sagte er, ›und weiß recht wohl, daß du Schön-Sigrid bist, des alten Helden Tochter, und daß du den Trank im Gebirge gesucht hast und gebraut zu meinem Verderben. Aber ich bin schon gar zu lange in dich entbrannt gewesen, Schön-Sigrid, und die Feindschaft unsrer Geschlechter schlägt mir jedwedes Hoffen zu Tod. Nun will ich recht gerne sterben vor deines Vaters rühmlicher Klinge, und wohl bekomm' ihm der Trank.‹
Obzwar nun Hakon sich mit diesen Worten in das Dickicht hinein machen wollte, zu seinen Scharen zurück, ließ dennoch Schön-Sigrid nicht eher ab, als bis er ihr auf die Burg ihres Vaters nachkam. Da erzählte sie, was ihr widerfahren war, die beiden Feinde nahmen einander ihre Waffen ab, und Hakon Swendsohn und Schön-Sigrid wurden ein glückliches Paar.«
Die Gesellschaft hatte ihre Freude an der Geschichte, und ein edler Meister der Malerei sagte: »Die Spiele des Lichtes sind immerdar und überall ein holder Gruß; wo sich aber ein Regenbogen zwischen dräuenden Gewitterwolken gestaltet, geht erst die allerbeste Freude auf. So auch vor tiefen Blicken der Liebe und Mildigkeit, aus den raschesten Gegenden des Nordens erschossen. Das frohe Erstaunen, die Süßigkeit der Überraschung traten mit der Lust an den heitern Gebilden in einen erquicklichen Bund.« – »Ihr habt recht, mein edler Meister«, sprach der Graf Alessandro Vinciguerra, »wenn Ihr den Anblick der Rose wunderbarer nennt in den Nordlanden, als zum Beispiel in unsern blütenüberfüllten italischen Gärten. Aber überraschen können uns die edlen Blumen der Ritterlichkeit und feinen Sitte bei jenen Normännern nicht, ich meine uns, die wir die Normandie gesehn haben, und deren hohe Söhne und holdselige Töchter kennen.«
Verschiedne aus der Gesellschaft hatten sich indes an einen Mann von schönem Wuchs und sonnegebräuntem Antlitz gewandt, der ein Spanier war, Don Hernandez geheißen, und ihn gebeten, eine Geschichte aus seinem Vaterlande zu erzählen. Viel Wunderbares müsse dorten geschehen, hieß es von allen Seiten, in einer so reich erblühenden Gegend an Schönheit und Rittermut, und wo die christlichen Schwerter beständig wehrhaft ständen gegen sarazenische Heeresmenge und Schlauigkeit und furchtbare Pracht. Hernandez bat um eine Laute. Er wollte seine Geschichte lieber singen, als erzählen, sagte er. Es geschah nach seinem Begehren, und die Saiten mit großer Lieblichkeit rührend, sang er folgende Worte.
»Don Gayseros, Don Gayseros,
Wunderlicher, schöner Ritter,
Hast mich aus der Burg beschworen,
Lieblicher, mit deinen Bitten.
Don Gayseros, dir im Bündnis,
Lockten Wald und Abendlichter.
Sieh mich hier nun, sag' nun weiter,
Wohin wandeln wir, du Lieber?«
»Donna Clara, Donna Clara,
Du bist Herrin, ich der Diener,
Du bist Lenk'rin, ich Planet nur,
Süße Macht, o wollt gebieten!«
»Gut, so wandeln wir den Berghang
Dort am Kruzifixe nieder;
Wenden drauf an der Kapelle
Heimwärts uns, entlängst die Wiesen.«
»Ach, warum an der Kapelle?
Ach, warum beim Kruzifixe?« –
»Sprich, was hast du nun zu streiten?
Meint ich ja, du wärst mein Diener.«
»Ja, ich schreite, ja ich wandle,
Herrin ganz nach deinem Willen.« –
Und sie wandelten zusammen,
Sprachen viel von süßer Minne.
»Don Gayseros, Don Gayseros,
Sieh, wir sind am Kruzifixe,
Hast du nicht dein Haupt gebogen
Vor dem Herrn, wie andre Christen?"
»Donna Clara, Donna Clara,
Konnt' ich auf was anders blicken,
Als auf deine zarten Hände,
Wie sie mit den Blumen spielten?«
»Don Gayseros, Don Gayseros,
Konntest du denn nichts erwidern,
Als der fromme Mönch dich grüßte,
Sprechend: ›Christus geb' dir Frieden‹?«
»Donna Clara, Donna Clara,
Durft' ins Ohr ein Laut mir dringen,
Irgend noch ein Laut auf Erden,
Da du flüsternd sprachst: ›Ich liebe‹?«
»Don Gayseros, Don Gayseros
Sieh vor der Kapelle blinket
Des geweihten Wassers Schale!
Komm und tu' wie ich, Geliebter!«
»Donna Clara, Donna Clara,
Gänzlich muß ich jetzt erblinden,
Denn ich schaut' in