Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207022
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zu preisen.« – »Oben bei der Frau Minnetrost soll es ja nicht schneien und heulen?« fragte dann öfters Bertha, und Heerdegen antwortete verdrießlich: »Ja, ja, man sagt's; ich selbsten bin zu Winterszeit nicht dort gewesen.« – Dann zog er schweigend des Weges weiter, und je mürrischer er aussah, je mehr wuchs Berthas herzinnige Sehnsucht nach der sanften, geheimnisreichen Muhme, die aller liebefrommen Hulden kräftig war.

      Eines Tages war des Bruders Antlitz noch weit nachdenklicher, als zuvor, und Bertha meinte daraus abnehmen zu können, das Ziel ihrer Reise müsse ganz nahe sein. Ihr schlug das junge Herz vor träumerischem Erwarten, während Heerdegen gegen Abend fast ängstlich nach einer Herberge umherschaute, ohne doch etwas anders entdecken zu können, als einsam gelegne, moosige Bauerhütten. Beide Reisige sandte er hier und dorthin aus, und als sie nach einer ganzen Weile noch immer nicht zurück waren, hieß er die Führer der Saumrosse seiner auf der Stelle, wo man angehalten hatte, warten, und ritt mit Bertha nach einer andern Richtung suchend aus. Aber in den Gewinden von Hecken und kleinen Hügeltälern verlor man sich bald gänzlich, und die Sterne zogen golden am Himmel herauf, ohne daß die Reisenden ein Nachtlager antrafen, ja, ohne daß sie auch nur gewußt hätten, sich nach dem angegebnen Sammelplatze zurückzufinden. Da hielten sie plötzlich vor einer steilen Höhe, und der Bruder sagte: »Mein Gott, irr' ich mich, oder sind wir dennoch früher zur Stelle, als ich wollte? Wie gern, wie gern, o du liebe Bertha, hätt' ich dich erst morgen von der Hand gelassen. Sieh doch einmal recht scharf nach dem dunkeln Berge hinauf, ob denn wirklich eine Veste droben steht.« – Und im selbigen Augenblicke stieg der Mond hinter ihnen voll und goldig über die Hügel herauf, und die Fenster der Burg leuchteten vor seinem Scheine festlich hell in schöner, geordneter Reihe, und blanke Kreuze schimmerten von den Türmen gegen den Himmel empor, und ein süßes Tönen schlich die Gräser und Gebüsche herab, während Bertha sehnend ihre Arme ausbreitete nach der milden Herrlichkeit, ihr Bruder aber mißmutig mit der beerzten Faust gegen den Küris schlug.

      Da trat hinter einigen Birkenstämmen eine Frauengestalt hervor, weiß und schlank wie die Birkenstämme selbst, und auch eben so einen lichtgrünen Schleier um Haupt und Schultern hergehangen. Bertha dachte gleich, es müsse wohl Frau Minnetrost sein, und als nur der Schleier zurücke flog, und aus einem freundlich ernsten Antlitze gegen den Mond an zwei milde lichtbraune Augen, unschuldig und freundlich, wie die eines Rehes, strahlten, da ward sie ihrer Sache gewiß, und sank von ihrem Zelter herab, freudig weinend, vor der hohen Gestalt in das Gras. Auch Heerdegen vergaß alles Unwillens. Er stieg sittig vom Roß, neigte sich ehrerbietig gegen die Frau, und wollte ihr Berthas Gesuch anbringen. Aber sie sagte: »Ich weiß schon. Gerngesehenen Gästen geht man mit Freuden entgegen, und bis an die Burg, lieber Heerdegen, darfst du mit.« – Damit reichte sie beiden Geschwistern die Hände, und riet ihnen, sie möchten die Pferde nur hier grasen lassen; sie ständen in guter Hut. So schritten sie alle drei Hand in Hand den Schloßberg hinauf, und Frau Minnetrost sang unterweges mit höchst anmutiger Stimme:

      »Was hat die gute Muhme?

       Sie hat, was nur Eu'r Herz begehrt,

       Hat Spiel und Fest und sichern Herd,

       Hat auch des Friedens Blume,

       Die ist den Menschen wert.

      Ei, folgt der guten Muhme!

       Wenn gute Ding' Eu'r Herz begehrt:

       So blüht Euch Heil auf ihrem Herd,

       Und auch des Friedens Blume,

       Die ist dem Himmel wert.«

      Sie kamen vor der Burg an, und Heerdegen nahm ganz freundlich und ohne alles unmutige Widerstreben von seiner Schwester Abschied. Es war, als hätte er im Leben nichts von schroffem oder heftigem Wesen gewußt. Sie redeten ganz heiter miteinander ab, zu welchen Tagen er vor die Burg kommen solle, um Bertha zu besuchen. Dann wandelte er grüßend die Höhe hinab, und die Jungfrau schritt mit der lächelnden Muhme in die Burg.

      Ein klarer Weiher tat sich jenseits der wiedergeschloßnen Pforten vor den beiden Frauen auf, und wie sie in eine Barke stiegen, welche sie von selbst an die feierlichen Gebäude jenseits hinüberwogte, stand der Vollmond hell am Himmel, und sahe mit fast noch vermehrter Klarheit aus dem Gewässer herauf, seine goldne Herde von lichten Sternenfunken um ihn her. Und auf den Zinnen rings wehten und flüsterten im Nachtwinde die hohen weißen Blumen, von welchen Bertha ihren Bruder damals auf dem Krankenbett hatte erzählen hören. Sie sahe nun erst eigentlich was alle seine Worte gemeint hatten, auf dem stillblauen Spiegel des Sees schwebend, die Düfte der weißen Blumen wie ein süß verschlungnen Reigen um ihre Schläfe hin. Aus den Gebäuden klang es grüßend wie Cymbelklang und Harfenrauschen, und wie die Frauen ausstiegen, und die vielfach gewölbten Hallen entlängst wandelten, tönte der holde Laut immer vernehmlichen ihnen entgegen. Es war alles hell in der Burg, aber sehr mild, denn die Erleuchtung strömte einzig vom Vollmonde herab, der, in verschiednen Gläsern und Spiegeln kunstreich aufgefangen, die Gegenstände zumal wie mit einem schneeweißen verklärenden Teppich überzog. Eintretend in einen großen, von reichen Schwibbogen durchzogenen Saal, konnte nun Bertha sehen, woher die schöne Musika komme, welche hier mit ungehemmt wogenden Fluten einherdrang. An dem hohen Gewölbe nämlich kreiseten reingoldne Reifen über- und durcheinander, mit herrlichem Getöne sich berührend, und teils silberne Cymbeln klingen lassend, welche daran hingen, teils Harfensaiten streifend, die sich wie ein goldnes Netz zwischen den Pfeilern hinwebten. Da wußte Bertha erst recht, wie der entführten Braut zumute gewesen war, als sie vor diesen Himmelsklängen getröstet in Schlummer sank, und sich auf die weichen Teppiche zurücklehnend schwebte auch sie ins Land anmutiger Träume hinüber; wenn sie noch bisweilen zwischen Schlaf und Wachen aufsah, erblickte sie die goldnen Reifen im Kreistanz über sich, und das holde Mondscheinauge der sie bewachenden Drude.

      Ein Leben, zwischen kindlichen Spielen und höherer Weisheit schwankend, führte Bertha auf dem Schlosse. Sie stand wie auf einer Schwelle, und konnte sich doch mit süßer Behaglichkeit darauf lagern, von Lüften einer zwiefachen Welt angeweht. Die geheimen Künste der Muhme boten sich der Jungfrau willig zum Spielwerke dar, und deuteten doch immer zugleich auf unerhörte Heimlichkeiten in der Ferne. Wenn ihr Bruder vor die Burg kam, erzählte sie ihm gern über die blumigen Zinnen hinaus, wie wohl es ihr gehe, und was für unerhörte Wunder sie schaue. Er dagegen freute sich, daß ihr holdes Antlitz immer rosiger zwischen den weißen Blüten hervorblickte, und so schieden sie beständig in Zuversicht und Freude voneinander.

      Vor allem andern Zeitvertreib hatte Bertha einen wunderlichen Spiegel lieb, der zwischen unbekannten Zeichen in die Wand eines abgelegenen Gemaches eingefügt war. Als ihn ihr die Drude zum erstenmal zeigte, und den Vorhang davon zurücke zog, sagte sie: »Da bildre ein bißchen, Kind. Ich habe jetzt Hochwichtiges zu tun.« – Und wie nun Bertha allein vor dem Glase stehn blieb, wußte sie erst gar nicht, wie sie es mit dem Bildern anfangen sollte, aber sie ward dessen bald inne, denn ganz von selbsten fing es in dem Spiegel an zu leben von mannigfachen Gegenden, Tieren, Menschen und Gebäuden. Bald sah man in eine weite Meeresfläche hinaus, und Schiffe zogen drauf hin und her in Handel oder Krieg, unter heiterm Sonnenhimmel oder Nachtsturm. Dann wieder taten sich weite Kirchenhallen auf, und viele betende Menschen drin, oder große Marktplätze mit Schranken und turnierenden Rittern. Die sah aber Bertha weniger gern, denn sie mußte dabei an den Kampf zwischen dem Freiherrn von Montfaucon und dem Grafen von Walbeck denken, und wie viel sie dabei verloren hatte. Wieder wandelte der Spiegel seine Gestaltung in das Innere einer prächtigen Pfalz, und ein großer König saß auf dem Thron, und herrliche Frauen und Ritter um ihn her. So auch ließen sich mohrische Städte schauen, mit ihren seltsamen Einwohnern in langen, reichen Kleidern auf den Gassen. Woran aber Bertha vorzüglich gern ihre Augen weidete, das war eine einsame, es schien hoch nordliche Gegend, voll unerhörter Felsengebilde, und auf einer der höchsten Klippen eine alte, moosige Warte, und durch die Fenster der Warte schimmerte ein Lichtlein heraus, nur ganz dämmrig und verstohlen, aber es kam der Jungfrau vor, als müsse dorten ein wundersam stilles Glück zu finden sein. Sie hatte auch dessen gegen die Muhme kein Hehl; und diese sagte ihr oftmalen: »Was dir so wohl gefällt, liegt weit, weit von hier, hoch in das kalte Schwedenland hinauf. Ich reise auch bald hinüber nach der einsamen Warte; doch kann ich dich leider nicht mitnehmen.« – Diese Reden machten der Jungfrau die nordliche Felsgegend nur noch lieber, und nie lächelte sie anmutiger und zufriedener, als wenn sich ihr beim Bildern