»Harro, wann willst du denn das schönste Bild malen? Weißt du, ich sprach dir doch immer davon, als ich noch dein Seelchen war.«
»Mein schönstes Bild hab' ich schon gemalt, die Lindenprinzessin, und es ist mir einsam im Herzen, daß es heraus ist.«
»Harro, ich habe mir so brennend gewünscht, daß ich dir noch einmal zusehen darf...« Sie verbesserte sich ängstlich. »Ich meine, bei dem Bilde zusehen. Ich könnte so schön still dabei liegen und wäre bei dir und könnte dir so wundervoll drein reden. Du weißt, das tu ich so gern.«
»Dann ist's mir sehr schmerzlich, daß ich dir die große Freude nicht machen kann.«
»Aber warum denn nicht?« fragte sie mit ihrer alten Hartnäckigkeit.
»Liebe Rose, weil ich nicht weiß, was ich machen soll und weil man selbst dir zulieb Bilder nicht wie Ostereier malt. Wenigstens solche, die deine Kritik aushalten sollen. Ich weiß noch etwas anderes, was dich freut, Rose, wenn du das einmal anhören willst. Hans Friedrich schreibt mir. Sehr lieb, wie du dir denken kannst. Das alte Chorwerk! Er sitzt ja seit März daran, weil er zuvor immer wieder an der Arbeit erlegen ist. Da mußt du ihn einmal ermahnt haben, und für dich tut er alles. Es muß eine kleine Sisyphusarbeit gewesen sein. Die einzelnen Blätter waren in gar keiner Weise numeriert oder gekennzeichnet, sondern alles war durcheinander gekommen. Die Schreiberin oder der Komponist müssen von einem plötzlichen Ereignis überrascht worden sein, oder es kamen fremde Hände darüber, die keine Ahnung hatten, um was es sich handelte. Da hat er entwirren müssen. Mehr als einmal habe er alles zurückschicken wollen, um so mehr, als er ja gar nicht wissen konnte, ob sich die Riesenmühe auch lohnen würde. Aber er hat vor dir Angst gehabt, Rose. Du könntest unzufrieden mit ihm sein. Und schließlich fand er auch so eine Art Faden. Und es muß sich gelohnt haben. Er tut noch geheimnisvoll, und er fragt an, ob er dir einmal etwas daraus vorspielen dürfte. Er ist ja sehr bescheiden, fürchtet, uns jetzt ungelegen zu kommen und meint, er könne ganz gut im ›Stern‹ wohnen.«
»O Harro, wie ich mich freue! Wie ich mich freue. Du sprachest doch gestern von Hans Friedrichs Geige.«
»Ja, ich dachte mir, es wird dich freuen. Und wohnen wird er natürlich bei uns. Ich bin froh, wenn ich ihn habe. Und abends macht er dir schöne Musik. Ja, und dabei kannst du schon liegen; greift es dich zu sehr an, dann kannst du im Schmollwinkel sein. Da hörst du nur, was dich freut.«
Rosmarie hatte schon wieder ein wenig rote Wangen bekommen. »Ach, du hast mir eine Freude gebracht. Weiß Tante Uli es schon? Einen Morgenkuß hast du mir aber nicht gegeben, Harro!«
»Ich wußte nicht, ob ich es wagen dürfte.« Er beugte sich über sie, und seine Lippen brannten auf ihrer Stirne. Dann ging er schnell hinaus, es war doch noch zu gefährlich, sie zu küssen.
Vierundvierzigstes Kapitel.
Die Heilige und ihr Narr
Harro ist auf den Bahnhof gefahren, um Hans Friedrich abzuholen. Eine goldene Welt übersieht man von dem Break aus. Die Felder in ihrem Ernteglanz und darüber der schwer graublaue Himmel. Vom Raine nicken noch die Kornblumen und glüht der Mohn, aber ihre Zeit ist gekommen und das Lied vom Sichlein geht durch die Luft. Wie das wogt und rauscht, der goldene Segen.
Hans Friedrich läßt seine entzückten Augen darüber gleiten. Er hat es ja im Winter gesehen, aber wie verändert sich das Land, wenn der liebe Sommersegen darauf liegt.
Harro lenkt seine Pferde. Hans Friedrich hat noch nicht zu fragen gewagt. Mit einem Schnalzen und einem leichten Ruck hält Harro an...
»Du kannst die Pferde einen Augenblick halten, Hans!«
»Um Gottes willen, Harro... Es sollen sehr kluge Tiere sein, die Pferde, und es sofort merken, wenn ein Dilettant an ihnen ist, und dann springen sie in die weite Welt, und siehst weder deine Pferde noch mich jemals wieder...« Harro lachte. Es war nicht mehr sein altes Lachen, aber es klang doch noch ein wenig danach. »Wer hat dir diesen Bären aufgebunden, Hänschen? Ja, dann mußt du eben heruntersteigen. Sieh dort den Gänseblumenbusch. Den ganzen nehmen wir mit. Nicht säuberlich abpflücken, das dauert zu lange, sondern mehr en gros. Ei, du hast begriffen, Hänschen, sieh mal, zu was du dich hinauf entwickelst. Ich werde dich kutschieren lehren. Als erstes darfst du die Peitsche einmal halten. – So, den Busch legst du da hinein.«
»Harro, hast du so genug an deinen schönen Pferden? Sie tun mir leid, die freundlichen Tiere. Ich werde sie in einen Mühlgraben befördern, und aus Scham werde ich nicht wagen, selbst wieder herauszusteigen und muß in dem nassen Element verbleiben.«
»Das nasse Element! Aber hast du den Segen verwahrt? Er ist für die Frau.«
Nun mußte Hans Friedrich daran... »Wie geht es Ihrer Durchlaucht?«
»Ach, immer gleich, sie ist jetzt am Zürichersee. Ihre Nerven sind immer gleich schlecht, und sie muß zu einem Schatten abgemagert sein und Tag und Nacht keine Ruhe geben. Ihre Laune muß dementsprechend sein.«
»Harro, unmöglich!«
Harro sah ihn an, und diesmal lachte er ganz hell. »Ach, meine Schwiegermutter hast du gar nicht gemeint, sondern für meine Frau hast du dich so angestrengt.« Dann wurde er wieder ernst und sagte: »Es geht nicht schlechter, es geht vielleicht ein wenig besser... Hans, es wird dir einen Stoß geben, wenn du sie siehst.«
»Lieber Harro,« sagte Hans Friedrich mit der ihm eigenen zarten Bescheidenheit. »Es hat mir jedesmal einen Stoß gegeben, wenn ich sie sah. Verzeih, daß ich es dir sage. Aber schließlich mußt du wissen, wie sehr ich dir dankbar bin, daß ich in eurem Hause sein durfte. Wenn ich irgendwo ein schönes Gold funkeln sah, und wenn es nur an einem Rahmen war, dann trat mir in dem Goldglanz euer Haus entgegen. Obgleich ich nie mehr ein Gold gesehen habe, das so leuchtet wie das in eurem Empfangsraum, wenn die Lampen angezündet sind. Wenn ich die himmlische Seligkeit erreichte und sie würde nach meinem Geschmack eingerichtet, dann möchte ich durch euren Vorraum hinein gelangen, da blieb ich dann hängen.«
»Mon cher, doch nur mit den seligen Melodien, die im Innern sind, Hänschen... übrigens, Hans, schöne Tage willst du bei uns erlebt haben?«
»Schön, Harro, sagte ich so? Dann war es nicht richtig. Die schönsten Tage meines Lebens ...«
Harro sah ihn an. »Du bist eine Seele. Hast du auch gewiß genau gerechnet? Schön, schöner, am schönsten. Nicht, daß wir uns umsonst in die erste Reihe begeben. Wir wären nämlich mächtig stolz darauf... und auch diesmal wirst du schöne Tage erleben. Unsere Wälder im grünen Sommerrock, der Garten, der sich schon sehr schön herausgeputzt hat... Wir essen schon die ersten Früchte. Gelbe Sommerbirnen. Und Rosmarie freut sich auf deine Musik. Und ja, ich vergesse die Hauptsache, du wirst wohl die Ehre haben, den jungen Heinz zu begrüßen. Seine Erziehung ist zwar im Augenblick ziemlich vernachlässigt, seine Unarten sind sehr ins Kraut geschossen, er kann leider nicht mit dem Stolze gezeigt werden, mit dem das noch vor einiger Zeit möglich war. Er war ein Musterknabe, mit dem Akzent auf ›war‹. Und dann ist noch meine Tante Ulrike da. Erschrick nicht zu sehr, wenn du sie siehst; sie meint es nicht so schlimm. Sie hat übrigens die tiefste Altstimme, schade, daß sie so eine alte Dame ist.«
»Freilich schade. Für meine erste Sängerin in dem Chorwerk die eine Hälfte... Nun, das werd ich dir noch erzählen.«
»Darauf brennt meine Frau. Weißt du, das gehört zu ihrer Dichtung. Sie hat doch jetzt viel Zeit, sie muß viel liegen, und ihr Leben ist eben auf die paar Orte beschränkt, wo man sie hintragen kann. Ja Hans. Nie mehr einen Schritt, seit sie... Und da hat sie sich nun hineingedichtet, und ihr Dämon, du erinnerst dich?«
»Ja, Harro, gewiß.«
»Ihr Dämon, die Frau im Silberkleid, der sie ähnlich sehen soll,