Der große Fluss im Meer. Hans Leip. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Leip
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711467176
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sah fast aus wie Gold und war weitaus verwendbarer, so wie die Bronze, und bedingte zugleich ein Beigeschäft in Putzpomade bei all den Beschlägen, Kesseln, Pfannen und Armringen, die auf der Kupfergrundlage hergestellt wurden.

      Hinzu trat die Arbeiterfrage. Die Indianer hatten sich als ungeeignet für die Vierzehnstundenschicht, zumal unter Tag, erwiesen. Sie waren teils sowieso hingeschlachtet, soweit sie nämlich gewagt hatten aufzumucken, teils hatten sie den Selbstmord der Sklaverei vorgezogen oder waren an Entkräftung oder Grippe eingegangen. Die letzten zwei Dutzend auf Haiti standen unter Denkmalsschutz. Somit erwirkte die Firma Gebr. Welser ein Monopol auf die Einfuhr von viertausend Negersklaven jährlich. Sie verlegte ihr Kontor überdies nach Sevilla, um der neuen Sache näher zu sein.

      Als Karl V. noch einiges Geld mehr brauchte, waren beide nicht knickerig. Der strenge Katholik romanischen Blutes, in Flandern erzogen, in Spanien beheimatet, in Deutschland beunruhigt durch den Hitzkopf Luther, sah mit der konfessionell abfallenden Küste und dem hansischen Rest keine ertragreiche Zusammenarbeit. Er hielt sich an die schwäbischen Handelshäuser, die am Warenumschlag vom Orient nach dem Norden über Venedig und Tirol reich geworden waren und nun – da die alten großen Geschäftswege über Land von den neuen Ozeanstraßen verdunkelt wurden – dicht am Fett zu bleiben gedachten. Fuhr man doch nach den Ländern der begehrten Tropengewürze sowohl ums Kap der Guten Hoffnung wie ums Kap Hoorn. Die Deutschen Hans Aleman und Hans Barge hatten davon erzählt. Sie waren mit dem gewaltigen Käptn Magellan auf der ersten Weltumsegelung gewesen. Es war nun klar, daß Kolumbus nicht Ostindien und Asien, sondern viel mehr, nämlich einen unwahrscheinlichen Zuwachs an Ausbeutungs- und Handelsmöglichkeit angesteuert hatte.

      Somit begann die glorreiche und schmachvolle Zeit der Kolonialpolitik. Es war, als sei der ganze Organismus der europäischen Gestalt durch den unbeirrt weiterkreisenden Lauf des Golfstroms in Fieber geraten. Ein Wettlauf begann, voller urmenschlicher Beutegier und -lust, getarnt mit den Weisungen der Bibel, Heiden zu Christen zu machen. Bald stellte sich heraus, daß massive Gewalt nötig war, um sich an diesem Geschäft zu beteiligen. Oder aber Kapital.

      Umsichtig hatte man von Augsburg Fühler vorgestreckt, so wie man heute Unternehmungen ungewisser Art „Beobachter“ beizugeben pflegt. Gelegentlich nennt man solche Beiwohnungen auch Werkspionage. So war, mit schwäbischen Reisespesen und Richtlinien wohlversorgt, schon im Jahre 1500 der deutsche Magister Johannes bei dem Portugiesen Alvarez Cabral als nautischer Berater an Bord gegangen, ausgerüstet mit den neuesten Nürnberger „Ephemeriden“ und Seekarten. Gerade war ja höchst glücklich Vasco da Gama mit dreizehn schwerbeladenen Schiffen von Kalikut zurück. Als nun Cabral – der auch nach Kalikut wollte – sich bei den Kapverdischen Inseln vom Golfstromkreis (man nannte ihn zwar noch nicht so) gen West gedrückt sah, veranlaßte der deutsche Magister ihn, die Fahrt noch eine Weile fortzusetzen. Und so gelangte man zum ersten Male an die Küste Brasiliens.

      1505/06 fuhren drei große Frachtschiffe für oberdeutsche Rechnung mit der Portugalflotte nach Ostindien. Kein Hamburger, kein Lübecker und Bremer war an Bord, wohl aber sogar ein Tiroler namens Balthasar Sprenger, und der schwäbische Faktoreischreiber Hans Mayer hat Nachrichten über die Reise hinterlassen, die uns leider über das erste Brasilunternehmen fehlen.

      Karl V. aber verpachtete 1528 Venezuela an die Firma Welser. Das Haus schickte alsbald auf gecharterten Schiffen rasch zusammengelesene Trupps von Bergknappen, Landwirten, Handwerkern und Verwaltungsbeamten nebst einer gehörigen „Schutztruppe“ in jenes „Klein-Venedig“, wie die romanischen Enthüller die Küste wegen der Pfahldörfer nannten, in denen die Eingeborenen hausten. Doch verlegten sich die leitenden Stellen, anstatt auf eine rechte Siedlungs- und Verwaltungsarbeit, bald auf die Suche nach dem Goldland Dorado, von dem rund um den Atlantik gemunkelt wurde.

      Das Privileg von 1528 ermächtigte die Firma, „das Land einzunehmen und das Volk zu Christen zu machen, taufen zu lassen und kais. Maj. zu untertänigen; neben diesen mögen sie gegeneinander ihren besten Nutzen schnifen, doch daß allwege kais. Maj. ihren Teil mit habe“.

      Ohne Zweifel waren die geeigneten Golfstromtypen auf den Plan gelangt. Da war als erster der Konstanzer Ehinger, genannt Ambrosius Dalfinger. Er hatte als Prokurist in Augsburg den eigentlichen Anstoß zu dem kolonialen Abenteuer gegeben und war als Faktor und Minenaufseher mit nach Haiti gegangen, hätte dort auch erträglich leben können, folgte aber dem Wink der Chefs gen Coro, wo er die Vorbereitung leitete für die Siedler, die im Jahre 1530 mit Pferden, Geräten und Frauen auf beachtlicher Flotte unter Führung Hans Seißenhofers eintrafen und Maracaibo gründeten – womit sie den Mixern der Bordbars bis auf heute einen Titel in die Liste der Drinks geliefert haben.

      Eben sind die Leute untergebracht, da beordert Dalfinger – nunmehr Statthalter – einen Trupp der mitgelandeten Landsknechte und marschiert mit ihnen in den Urwald. Irgendwo soll dort die goldene Stadt liegen, wo Menschen ganz aus Gold oder doch immerhin völlig mit Gold bedeckt umhergehen sollen. Die schlichte Feierhandlung, die der Kazike von Guatavita im Heiligen See einmal im Jahre beging, indem er sich, vorher geölt und mit Goldstaub gepudert, gehörig abspülte, war der Anlaß einer ungeheuren Aufbauschung geworden. El Dorado, das weiter nichts heißt als „Der Vergoldete“, wurde zum Märchenland massiver Goldbarren von Zentnerstärke. Dalfinger gelangte bis an den Magdalenenstrom, wo ihn die Pfeile der gestörten Eingeborenen erledigten.

      Das hielt seine Nachfolger nicht ab, die „Forschungsarbeit“ fortzusetzen. Statthalter Georg Hohermuth aus Memmingen entdeckt das Quellgebiet des Guaviare, bleibt vier Jahre im Busch und legt mit seinen Getreuen an dreitausendfünfhundert Kilometer zurück. Alle seine Mühsal ist vergebens. Die wenigen, die noch leben, kehren am Steilfuß der Kordilleren um. Bei der alsbaldigen Vorbereitung eines neuen Zuges rafft 1539 das gelbe Fieber den Mann zu Coro hin.

      Einer, der mit ihm von der Partie gewesen, Philipp von Hutten, Bruder des Bischofs von Eichstätt, wurde nunmehr mit der kolonialen Leitung betraut. Nur ein Jahr hielt er den Büro- und Inspektionsdienst aus. Dann hatte er dem jungen Barthel Welser, der als Wirtschaftssekretär bei ihm arbeitete und als bester Sohn des Stammhauses galt, so viele goldene Flöhe ins Ohr gesetzt, daß kein Halten mehr war und beide mit einem ausgesuchten Haufen Hartgesottener auf Doradosuche zogen. Wie sie es volle fünf Jahre im Busch aushielten, in den tropischen Urwäldern und Gebirgswüsteneien des Hinterlandes, wird ewig ein Rätsel bleiben. Erfolglos und verzweifelt, von Moskitos zernagt, fiebergeschüttelt und zerlumpt – so sollte man annehmen – begaben sich die beiden mit den letzten noch nicht elend zugrunde gegangenen Gefährten auf den Heimweg. Es kann aber gut sein, daß in so langer Zeit sich die zähen Burschen, die dann überhaupt noch lebten, durchaus den Unbilden der Tropen angepaßt hatten. Es scheint sogar, daß sie gerade den richtigen Weg gefunden hatten, den gen Bogota aufs Hochland, den schon vor ihnen der Ulmer Federmann, allerdings vergebens, gegangen war. Dort aber waren die Spanier längst am Werke, den Raub zu bergen. Jedenfalls hatte das mißtrauische Indienkontor zu Sevilla einen Wink nach Venezuela gehen lassen, den Alemanos den Wind abzukneifen. Ein gedungener militärisch bewaffneter Trupp Wegelagerer überfiel den Rest der Expedition und schleifte die beiden Anführer vor ein Scheintribunal, wo sie der Verletzung fremder Hoheitsrechte angeklagt wurden. Der andalusische Patriotismus ergoß sich in voller Wut über die „gotischen Eindringlinge“. Und um der blauäugigen, blondbärtigen Konkurrenz die allerniedrigste Schmach anzutun, ließ man den beiden Deutschen von einem Neger die Gurgel durchschneiden.

      Dieser grinsende Scharfrichter, der vom weißen Mann selbst gezüchtete Ahne aller Mau-Maus, war allerdings womöglich einer jener Sklaven, die kraft kaiserlicher, gut bezahlter Vollmachten die Augsburger Zentrale von Afrika importiert hatte. Niemand wird den deutschen Konquistadoren Tatkraft und Heldentum absprechen. Ihnen fehlte nur der staatliche Hintergrund, auf dem sich ungestraft großsündigen läßt, und also der Erfolg, der nicht erst seit Loyola die Mittel heiligt.

      Hier nun eines entfernten Verwandten des unglücklichen Philipp, nämlich Ulrichs von Hutten, zu gedenken, ist keinesfalls abwegig. Übrigens scheint die ganze Familie aufs bedrohlichste in den golfischen Strudel der Zeit geraten zu sein. Ein Vetter namens Hans war hinterrücks von württembergischer Herzogshand im Walde erschlagen worden. Und Moritz, der Bischof, quälte sich mit vergeblichen Maßnahmen gegen die Reformation vorzeitig ins Grab. Ulrich aber war mit siebzehn aus dem Benediktinerkloster zu Fulda ausgerückt,