Marinas reicher Onkel. Alrun von Berneck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alrun von Berneck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711507483
Скачать книгу
Wasser brannte recht scharf.

      „Tut gut!“ sagte er, um seine Standhaftigkeit zu beweisen.

      „Das macht nichts“, erwiderte sie leichthin, ohne sich stören zu lassen. Dann wiederholte sie den Prozeß, bis ihrer Meinung nach die Wunde sauber war. Er biß die Zähne zusammen und sah trotz allem liebevoll auf ihren Scheitel herab. Es war doch prächtig, wie sie sich um ihn bemühte. Kora wäre das vermutlich gar nicht in den Sinn gekommen.

      Als er das dachte, warf er einen Blick auf seine Schwester. Sie sah aufmerksam zu und erwiderte seinen Blick. Er hatte das Gefühl, als ob sie Marina und ihn mit ganz besonderer Neugier beobachtete. Da nahm er sich zusammen und setzte eine betont neutrale Miene auf.

      Marina warf das beschmutzte Taschentuch fort. Doch schon hatte sie ein zweites hervorgezaubert, das sie ohne zu überlegen in Streifen riß.

      „Was machst du denn jetzt noch?“ fragte er. Es war ihm peinlich, daß wegen dieser Kleinigkeit solche Umstände gemacht wurden und er dazu auch noch stillhalten mußte.

      „Nur einen kleinen Verband“, erklärte sie ihm. „Damit stillen wir das Blut, und Schmutz kommt dann auch nicht mehr in die Wunde!“

      Als sie fertig war, beugte er sich über ihre Hand.

      „Vielen Dank, kleine Samariterin!“ sagte er leise. Um aber seine Rührung nicht offenkundig werden zu lassen, fügte er schnell hinzu: „Du solltest dich wirklich um eine Stelle im Roten Kreuz bewerben! Deine leichte Hand wäre eine Wohltat für die leidende Menschheit!“

      „Ich werde es mir überlegen!“ gab sie ihm zur Antwort. Seine burschikose Art hatte ihr schnell über die Verlegenheit, die über sie gekommen war, hinweggeholfen.

      Igor wandte sich wieder seiner Arbeit zu, und jetzt klappte der Reifenwechsel wie am Schnürchen. Zehn Minuten später saßen sie schon wieder im Wagen. Diesmal hatte sich Kora zuerst hineingesetzt und der Freundin damit den Platz neben ihrem Bruder eingeräumt. Marina sah sie erstaunt an, als auch sie einsteigen wollte.

      „Entschuldige bitte“, entgegnete Kora, die den Blick sehr wohl verstanden hatte. „Das ewige Hinausstarren auf die Straße macht mich ganz nervös. Hier hinten läßt es sich so gut träumen.“

      Diese Erklärung mußten die beiden anderen wohl hinnehmen. Sie freuten sich über diese Lösung, aber weder Igor noch Marina kam der Verdacht, daß Kora mit ihrer Platzwahl etwas Besonderes bezweckt haben könnte.

      Es wurde kaum etwas gesprochen auf der Rückfahrt durch den sinkenden Abend. Jeder hing seinen Gedanken nach, und die beiden jungen Menschen auf den Vordersitzen fürchteten insgeheim, daß der Nebenmann sein Herzklopfen hören könnte. Es war ihnen sehr eigen zumute, aber keiner hätte zu sagen vermocht, ob das an dem lauen Lenzabend lag oder an der berauschenden Fahrt in dem starken Wagen, dessen Motor beruhigend sein kraftvolles Lied sang.

      Oder sollte etwa ein Funke übergesprungen sein von Mensch zu Mensch und einen Kontakt geschlossen haben zwischen den beiden Herzen, die plötzlich in eine beklemmende und doch so beglückende Unruhe versetzt worden waren?

      II.

      Sie hatten Marina nach Hause gebracht und gingen die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Der neue Wagen stand schon wieder in der Garage, und draußen war es bereits dunkel geworden. Als Igor das Licht anknipsen wollte, machte er das so ungeschickt, daß er mit dem Verband am Schalter hängenblieb.

      Erst wollte er ärgerlich werden, doch dann lächelte er und sagte zu Kora:

      „An soviel Fürsorge muß man sich erst gewöhnen! Wäre es nach mir gegangen, hätte ich mir höchstens ein Heftpflaster auf die Hand geklebt.“

      „Und hättest wahrscheinlich morgen die schönste Blutvergiftung“, fuhr Kora fort. „Du solltest froh sein, daß Marina so schnell bei der Hand war.“

      „Zwei Taschentücher hat sie mir auch geopfert“, sagte er und schloß die Etagentür auf. „Die muß ich ihr natürlich ersetzen.“

      „Selbstverständlich!“ meinte Kora. „Und wenn du sie ihr bringst, nimmst du auch einen Blumenstrauß mit!“

      „Ich bin meinem Vormund zu unendlichem Dank verpflichtet!“ erwiderte er voller Ironie und machte vor Kora eine linkische Verbeugung. „Wie kommt es eigentlich, daß du dich so sehr bemühst, sobald es sich um Marina handelt?“

      Kora wurde verlegen und wußte nicht sogleich zu antworten. Sie konnte doch in diesem Augenblick nicht mit der Tür ins Haus fallen.

      „Na ja“, sagte sie leichthin, „bei euch Männern muß man immer achtgeben, daß ihr nichts anstellt oder etwas Wichtiges versäumt.“

      Er verzichtete darauf, ihr eine Antwort zu geben, denn dann hätte er zu diesem Thema vielleicht mehr gesagt, als ihm wünschenswert erschien. Oben angekommen, ging er sofort in sein Privatkontor, um nachzuschauen, ob etwas Wichtiges eingegangen war. Kora aber begab sich zu ihrem Hausmädchen in die Küche, denn es war an der Zeit, das Abendbrot vorzubereiten.

      Während sie in der Küche beschäftigt war, ging ihr aber das mit Igor geführte kurze Gespräch nicht aus dem Kopf, und sie beschloß, sich irgendwie Gewißheit darüber zu verschaffen, wie Igor denn nun eigentlich zu ihrer Freundin stand. Gerade weil er ein Mann war, mußte er doch längst Stellung bezogen haben, sie verkehrten nun schon im dritten Jahr mit Marina, und seit ihrem letzten Geburtstag duzten sich Igor und Marina sogar, was Kora nicht ohne Hintergedanken so arrangiert hatte.

      Als sie später bei Tisch saßen, hatte sie sich, wie sie glaubte, genügend auf das vorbereitet, was sie den Bruder fragen wollte. Dennoch schien es ihr nicht angebracht zu sein, direkt auf das Ziel loszusteuern. Kleine Umwege gehörten nun mal zur Diplomatie der Frau, und so sagte sie in möglichst gleichgültigem Ton:

      „Marina hast du mit deiner Einladung eine sehr große Freude gemacht. Das arme Kind hockt den ganzen Tag auf ihrem Malschemel und hat ein bißchen Abwechslung wirklich verdient.“

      „So, hat sie dir gesagt, daß es ihr gefallen hat?“ fragte Igor und war ganz Aufmerksamkeit und kaum verhohlene Neugierde.

      „Das brauchte sie nicht zu sagen, das sah man ihr doch an. Sie lebte doch richtig auf, als sie mit uns im Wagen saß!“

      „Den Eindruck hatte ich auch. Ob wir sie wohl öfter einmal mitnehmen? Ich meine, wird ihr das recht sein?“

      „Da fragst du noch, Igor? Sag mal, lebst du eigentlich hinter dem Mond, weil du gar nicht merkst, was mit den Menschen um dich herum los ist?“

      „Das sagst du mir? Dem Rechtsanwalt?“ fragte er und schaute sie maßlos erstaunt an. Er ließ sogar Messer und Gabel sinken, setzte die Ellenbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander.

      Sie belächelte sein Erstaunen und mehr noch seine Unmöglichkeit, ihre Worte zu verstehen. Sein Gesicht schien schon fast beleidigt, weil es jemand wagte, seine Menschenkenntnis und die dazu gehörende Beobachtungsgabe in Zweifel zu ziehen.

      „Ja, mein Lieber, darüber brauchst du dich gar nicht zu wundern!“ erwiderte Kora ungerührt. „Deine Klienten vermagst du sehr richtig und sicher einzuschätzen, weil da nur dein Berufsinteresse im Spiel ist, aber wenn es um die Personen geht, die dir nahestehen, versagt leider dein juristischer Instinkt.“

      „Das mußt du mir beweisen, Kora!“ antwortete er heftig, in seinen heiligsten Bezirken angegriffen und verletzt. An seiner Urteilsfähigkeit zweifeln hieß doch wohl, an den Grundlagen seiner Existenz rütteln.

      „Nehmen wir das Beispiel Marina, es bietet sich ja geradezu an, wo du sie nun doch schon einmal erwähnt hast!“ sagte Kora geschickt, obwohl nicht er, sondern sie es gewesen war, die Marina zuerst erwähnt hatte. Aber das merkte er überhaupt nicht.

      „Wieso ist Marina ein Beispiel für meinen Mangel an Menschenkenntnis?“ fragte er, setzte seine ironische Miene auf, welche seine Überlegenheit demonstrieren sollte und setzte sein Besteck wieder in Tätigkeit.

      „Du bemerkst nicht einmal