Marinas reicher Onkel. Alrun von Berneck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alrun von Berneck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711507483
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      Aber damit durfte ihre Aktivität nicht erschöpft sein, sie mußte versuchen, auf irgendeine Weise ein Zusammensein der beiden zu arrangieren, das sie einander näherbringen sollte. Sie war sicher, daß ihr rechtzeitig etwas einfallen würde.

      Als sie ihrem Bruder die bei Marina gekaufte Vase auf den Schreibtisch stellte, sagte sie:

      „Ich habe übrigens Marina für übermorgen eingeladen. Es ist dir doch recht?“

      „Und sie hat zugesagt?“ fragte er hastig, ohne Koras Frage zu beantworten.

      „Natürlich! Es blieb ihr doch gar nichts anderes übrig!“ erwiderte Kora. „Du weißt doch, wenn ich mir vorgenommen habe, jemand zu überreden, gibt es kein Ausweichen mehr!“

      „Das weiß ich!“ meinte er und lachte laut auf, denn er kannte die Hartnäckigkeit der Schwester. „Du hättest Marktfrau werden sollen, die wären bestimmt keine Apfelsinen schlecht geworden!“

      „Vielen Dank für das Kompliment!“ sagte sie und setzte eine hoheitsvolle Miene auf, als habe sie seine Worte ernst genommen. Doch dann fuhr sie fort: „Das war übrigens das einzige, was ich für dich tun konnte. Alles andere mußt du schon selber in die Hand nehmen!“

      „Untersteh dich, dich in meine Angelegenheiten zu mischen!“ drohte Igor. „Du weißt, wie ich darüber denke, und ich möchte nicht, daß da etwas verpatzt wird!“

      Kora schürzte die Lippen und sah ihn ironisch an.

      „Na, Brüderchen, ob du aber der richtige Mann für so etwas bist — ich wage daran zu zweifeln! Du hast ja Hemmungen wie ein Primaner!“

      „Nun aber hinaus!“ rief er und griff nach einem Kissen, das neben ihm auf dem Stuhl lag. Kora wartete den Wurf nicht ab und zog schleunigst die Tür hinter sich zu. Mit sturem Ernst kam man der Sache nicht bei, das hatte sie längst eingesehen. Vielleicht war es gut, Igors Ehrgeiz ein wenig anzustacheln. Beim Manne wirkte das oft Wunder, hatte sie sich sagen lassen, wenn es um den Besitz einer Frau ging.

      Am übernächsten Tag holten sie Marina zur Fahrt nach Limburg ab. Diesmal saßen die beiden Mädchen hinten, denn Kora wußte, daß ihr Bruder auf der Fahrt zum Gericht nicht gern gestört sein wollte. Er stellte sich schon unterwegs auf die Verhandlung ein und wäre für Marina gewiß kein guter Gesellschafter gewesen. Die Freundinnen aber unterhielten sich während der Fahrt großartig. Und als Igor dann im Gericht zu tun hatte, schlenderten sie durch die Straßen, betrachteten die Schaufenster und gingen schließlich in die Konditorei Haas am Ende des Marktplatzes, wo sie mit Muße die vielen Vorübergehenden betrachten konnten. Denn es war ihr besonderes Vergnügen, den Menschen bei ihrem Alltagsleben zuzuschauen.

      „Das kann sich entweder nur ein Krösus erlauben oder ein Rentner, der sein Leben schon gelebt und seinen Existenzkampf hinter sich gebracht hat“, erklärte Kora lachend, als sie Igor bei seiner Rückkehr wegen dieser Vorliebe zu hänseln versuchte.

      Nachdem er sich zu ihnen gesetzt hatte, fragte er Marina:

      „Es gefällt dir doch hier in Limburg? Oder bist du nur mitgefahren, weil dich Kora dazu überredet hat?“

      „Oh, es gefällt mir großartig!“ antwortete sie begeistert. „Es ist ein wunderbares Gefühl, mitten in der Woche, wenn die anderen arbeiten müssen, einen freien Tag einlegen zu können. Leider muß ich das am Samstag und Sonntag, wenn die anderen spazieren gehen, wieder nachholen.“

      „Hast du denn soviel zu tun mit deiner Malerei?“

      „Im Augenblick habe ich ein ganzes Service in Arbeit, das zu einem Hochzeitstermin Anfang Juni fertig werden muß.“

      „Und ich hatte mich schon der Hoffnung hingegeben, dich in den nächsten Wochen öfter einmal mitnehmen zu können. Jetzt wirst du mir sicher einen Korb geben, nicht wahr?“

      „Ich muß ja wohl, wenn ich fertig werden will!“ antwortete sie und schenkte ihn ein reizendes Lächeln. „Aber wenn du zufällig einmal in der nächsten Zeit nach Wetzlar fährst, darfst du mich mitnehmen. Ich will dort nämlich Malerfarben einkaufen, die ich nur dort bekommen kann.“

      „Das soll ein Wort sein!“ stimmte er freudig zu. „Kora wird dir rechtzeitig Bescheid geben. Ich glaube, ich kann es schon am nächsten Dienstag einrichten.“

      „Stimmt das auch, Igor?“ fragte Marina skeptisch.

      „Aber gewiß, daß stimmt! Warum sollte ich dir denn etwas vorschwindeln?“

      „Ich habe dich in Verdacht, daß du eigens für mich nach Wetzlar fahren würdest, wenn ich den Wunsch äußerte!“

      „Igor ist eben Kavalier!“ warf Kora lachend ein, bevor sich Igor melden konnte.

      „Das weiß ich! Und darum scheue ich mich auch, einen Wunsch zu äußern. Man soll doch immer mit den Beinen auf der Erde bleiben, auch als Kavalier!“

      „Das sowieso“, meinte Igor lakonisch. „Man muß schließlich einen festen Halt haben, wenn man die Dame seines Herzens auf Händen tragen will!“

      „Geht das auf mich?“ fragte Marina schelmisch.

      „Das zu beurteilen, überlasse ich deiner weiblichen Klugheit!“ parierte Igor geschickt.

      Kora verfolgte das Geplänkel mit wachen Sinnen. Mit dem Ergebnis ihrer Beobachtung war sie aber nicht sehr zufrieden. Wenn Marina wirklich der Meinung war, daß Igors Bemerkung auf sie abzielte, hätte sie dazu geschwiegen und wäre vielleicht rot geworden vor Verlegenheit. Da sie sich aber zu der Frage verstand, um ihn in lustigem Wortstreit herauszufordern, war es wohl kaum etwas anderes als ein Spiel an der Oberfläche.

      Um der Fahrt einen kulinarischen Höhepunkt zu geben, lud Igor die beiden Damen in das Restaurant „Zur alten Post“, gleich um die Ecke, zum Mittagessen ein.

      „Es gibt dort Rehrücken mit Apfelmus!“ erklärte er genießerisch. „Ich habe schon auf der Karte nachgesehen!“

      Marina wollte zwar gegen die Ausgabe protestieren, aber Kora ließ keinen Einwand gelten, und als die Freundin gar drohte, in Zukunft nicht mehr mitzufahren, machte Kora sie freundlichst darauf aufmerksam, daß Igor und sie gern auch mal zum Kaffee zu ihr kämen, wenn sie unbedingt die Absicht habe, sich zu revanchieren. Da erst gab sie nach und nahm die Einladung an.

      Nach dem Essen erhob sich die Frage, ob man gleich heute nach Wetzlar fahren sollte oder nicht. Marina wollte es nicht vorschlagen, um Igor das Konzept nicht zu verderben. Kora aber hütete sich, ein Wort darüber verlauten zu lassen, weil sie sich von der erneuten Verabredung etwas versprach. Als Igor aber darauf anspielte, ließ sich Kora von der Freundin schleunigst bestätigen, daß sie die Farben so eilig auch wieder nicht benötigte. Also fuhren sie wieder über Herborn und Dillenburg nach Wildungen zurück.

      Und da der Nachmittag nun doch angebrochen war, verbummelten sie die restlichen Stunden des Tages und machten in einer Weinkneipe noch einmal Station. Marina war zum Schluß lustig bis zum Uebermut, als sie das letzte Stück der Heimfahrt hinter sich brachten. Selbstverständlich hatte es Kora wieder so eingerichtet, daß sie neben dem Bruder saß. Aber die Unterhaltung der beiden, so lustig sie auch sein mochte, war völlig unbefangen. So benahmen sich entweder nur junge Menschen, die auf rein kameradschaftlichem Fuß verkehrten, oder Liebesleute im zehnten Semester.

      Währenddessen saß Kora im Fond des Wagens und brütete über einem Plan, der ihre Wünsche fördern sollte. Und da sie keiner in dieser Beschäftigung sonderlich störte, machte der Plan solche Fortschritte, daß er bei der Heimkehr nach Wildungen bereits feste Formen angenommen hatte. Und weil sie an seine Durchführung und auch an seinen Erfolg glaubte, war auch Kora mit dieser Autofahrt restlos zufrieden.

      Da Marina den Geschwistern beim Abschied noch einmal versichert hatte, am Wochenende arbeiten zu müssen, nahm sich Kora für den Sonntag auch nichts Besonderes vor. Sie konzentrierte ihr Augenmerk ganz auf den kommenden Dienstag, an dem Igor mit ihnen nach Wetzlar fahren wollte.

      Aber sie hatte sich die Sache anders gedacht, als es Igor und Marina ahnen konnten. Mit der