MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия: Matthew Corbett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355026
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Irgendwann tauchte der alte Hooper Gillespie auf, zeterte über einen Angriff der Holländer, wurde aber von niemandem beachtet, sodass er sich mit finsteren Blicken und um sich spuckend in Richtung Hafen davonschlich.

      Gebrüll und Rufe wurden laut, als die letzte Wand der Lagerhalle zusammenbrach. Die aufstiebenden Funken wurden dort, wo sie landeten, unter Stiefeln ausgetreten. Noch mehr Wasser wurde auf die nassen, dampfenden Holzwände der Häuser links und rechts geworfen, und endlich, als Stunden verstrichen waren und die Muskeln erschlafften, war der südlichste Zipfel der Stadt gerettet. Aber der Schiffstauhändler Johannis Feeg weinte über seinem Haufen schwelender Asche bittere Tränen.

      Endlich war die Arbeit beendet. Die Schänkenbesitzer rollten Bierfässer nach draußen und schlugen sie auf der Straße an; man konnte nie wissen, wann man eine Löschkette brauchen würde, und es war sicherer, sich die Bürger warmzuhalten als in solchen Zeiten zu knausern. Matthew holte sich mit der Holztasse, die man ihm in die Hand gedrückt hatte, etwas zu trinken, und marschierte mit anderen verdreckten Löschmännern auf die rauchende Ruine zu.

      Außer Rauch war nicht mehr viel übrig. Matthew sah andere Männer durch die Asche stapfen, der Glut in die Augen treten und sie dann auszudrücken, um ganz sicherzugehen. Der Geruch von bitterem Rauch, von Staub und Hitze klebte wie raues Flanell in den Lungen. Männer, die dem Feuer am nächsten gewesen waren, stolperten verrußt und halb gekocht umher, und nickten erschöpft, wenn andere ihnen Becher mit Bier in die Hände drückten.

      »Na, das war ein frohes Ereignis, nicht wahr?«

      Matthew drehte sich zu der Stimme um, hatte Gardner Lillehorne aber bereits am Ton erkannt, der an diesem Abend wie eine Wespe auf der Suche nach etwas klang, das sie stechen konnte.

      Der dürre Hauptwachtmeister gab bei Weitem keine so perfekt modische Erscheinung wie üblich ab, denn Asche verunzierte seinen dunkelgrünen Mantel, der am Kragen und den Ärmelaufschlägen mit lilafarbenen Borten verziert war. Leider waren die Ärmelaufschläge besudelt und sein weißes Hemd gelblich wie schmutzige Zähne. Sein grüner Dreispitz war dunkel von Asche und die kleine rote Feder daran zu einer Fluse verbrannt. Ruß lag in Striemen auf seinem langen, bleichen Gesicht mit den schmalen, schwarzen Augen, der kleinen spitzen Nase und dem akkurat getrimmten Ziegenbart und schwarzen Schnäuzer. Selbst der silberne Löwenkopf am Griff seines Ebenholzstocks sah versengt und dreckig aus. Lillehornes Blick schweifte kurz von Matthews Augen ab über die umherwandernde Menschenmenge. »Ein frohes Ereignis«, wiederholte er. »Für Mr. Feegs Konkurrenten zumindest.«

      Matthew spürte, dass jemand von hinten an ihn herantrat. Er drehte den Kopf und sah Berry, in einen braunen Mantel gehüllt, die Haare wild im rauchigen Wind und mit Asche auf ihren sommersprossigen Wangen. Sie blieb stehen, als er sie sah, wie von den unausgesprochenen Worten aufgehalten, sich nicht zu nähern.

      Fast gleichzeitig fiel Matthew der widerwärtige untersetzte Wachtmeister und Intrigant Dippen Nack auf, der wie ein kleines, krabbelndes Raubtier zum Hauptwachtmeister aufschloss, den er für dessen Arroganz und Eselshaftigkeit zu bewundern schien. Für Matthew war der breitbrüstige, rotgesichtige Nack ein brutaler Tyrann und, schlimmer noch, ein Feigling, der seinen schwarzen Schlagstock nur denen überzog, die nicht zurückschlagen konnten.

      »Was sagen die Leute?«, fragte Lillehorne; ein Indiz dafür, dass der Hauptwachtmeister seinem teuflischen Verehrer vor kurzem auf eine Mission geschickt hatte.

      »Viele Leute haben’s gehört, Sir«, antwortete Nack mit den hängenden Schultern unehrlicher Unterordnung. »Jawohl, Sir! Ein Kanonenschuss sei’s gewesen, sagen sie alle!« Und dann fügte er wie als letzten Schliff für wurmstichiges Holz hinzu: »Sir!«

      »Ein Kanonenschuss?« Wie der Pfeil an einem Wetterhahn richtete sich Matthews Neugierde sofort auf diese Information. »Von wo?«

      »Über diese Auskunft verfüge ich noch nicht, danke auch der Nachfrage.« Lillehornes Nasenflügel kräuselten sich und er betupfte sie sanft mit einem grünen Taschentuch. Durch den Rauchgestank hindurch nahm Matthew den Geruch von zu süßlichem Parfüm wahr.

      »Manche Leute meinten, sie glauben, dass es von da draußen kam.« Nack deutete mit seinem Schlagstock gen Süden. »Und dann ist das Ding in die Luft geflogen.«

      »In die Luft geflogen?«, fragte Matthew. Fast dieselben Worte, die Gilliam Vincent benutzt hatte. »Warum drückt Ihr das so aus?«

      »Na, guckt doch«, antwortete Nack, dessen Wut nie weit unter seiner sauren Oberfläche lag. »Das ist kein gewöhnlicher Brand! Es liegen ja Stücke die ganze Straße hoch und runter!« Extra für Lillehorne lächelte er spöttisch. »Ich dachte, Ihr wärt so ein Schlaukopf

      Obwohl die Gaukler aufgetaucht waren und unweit von ihnen auf kreischenden Fiedeln kratzten, während ihre dunkelhaarigen Mädchen unter den Biertrinkern für Münzen tanzten, hielt Matthew seine Aufmerksamkeit weiterhin auf Lillehorne gerichtet. »Ihr sagt also, eine Kanonenkugel hat das angerichtet?«

      »Ich sage, es wurde gehört, wie eine Kanone gefeuert wurde. Corbett, haltet Eure Neugierde im Zaum. Ich habe bereits einige Männer abbestellt, den Hafen zu bewachen, falls es tatsächlich das Signal von Oyster Island gewesen war. Heute Abend bezahlt die Stadt Euch nicht für Eure Fähigkeiten. Nicht so laut!«, schrie Lillehorne den Gauklergeigern zu, aber die Lautstärke senkte sich um keinen Deut.

      Matthew starrte auf die Aschefläche. Es gab Kanonen auf den Wällen des alten Fort William Henry, jetzt Fort Anne genannt, an New Yorks äußerstem Südzipfel. Sie waren Tag und Nacht bemannt und auf das Meer gerichtet. Die einsame Kanone auf Oyster Island war als Warnsignal einer drohenden Invasion der holländischen Flotte gedacht, obwohl Handel und Profit aus London und Amsterdam verlässliche Partner gemacht hatte. Niemand erwartete wirklich, dass eine holländische Armada versuchen würde, ihre alte Kolonie zurückzuerobern, aber … warum war die Kanone abgefeuert worden?

      »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte Lillehorne, und Matthew merkte erst jetzt, dass er die Frage laut gestellt hatte. »Aber ich werde das ohne Eure sogenannte fachmännische Hilfe aufklären, Sir.«

      In diesem Augenblick fiel Matthew eine weitere interessante Entwicklung auf dieser kalten, nächtlichen Bühne auf. Hinter Lillehorne, von den Lampen in ihren Händen beleuchtet, standen der gutaussehende Arzt Jason Mallory und die schöne Rebecca. Sie unterhielten sich leise und betrachteten die Ruinen, aber blickten sie jetzt beide in Matthews Richtung? Sprachen sie wieder, schauten erneut und drehten ihm dann den Rücken zu und gingen?

      Eine Trillerpfeife schrillte, laut genug, um selbst über das Katzengeschrei der gaukelnden Geiger hörbar zu sein.

      Dann schrillte sie erneut, lauter, mit beharrlichem Ton. Und ein drittes Mal, genauso herrisch.

      »Was zum Teufel ist los?« Lillehornes Blick schweifte auf der Suche nach der lästigen Lärmquelle ebenso wie Matthews, Nacks und Berrys Blick umher. Eine Gruppe Schaulustiger näherte sich, angelockt vom Lärm. Matthew sah Marmaduke Grigsby, den alten Schreiberling und Herausgeber des Ohrenkneifers, zu seiner Enkeltochter gehen. Seine Augen hinter der Brille im mondrunden Gesicht waren groß und voller Fragen. Die Trillerpfeife schrillte weiter, jetzt noch durchdringender.

      »Dort, Sir!« Es war Nack, der auf die andere Seite der Dock Street zeigte, etwas östlich von der zerstörten Lagerhalle.

      Matthew entdeckte Benedict Hamrick neben einer braunen Ziegelmauer, die zu einem Lager für Teerfässer, Anker, Ketten und anderen Schiffsbedarf gehörte. Hamricks Bart und schmutziger Mantel wehten in der aufkommenden Brise. Er bemannte seine Trillerpfeife als kommandierte er ein Angriffskommando von Grenadieren – mehr noch, er zeigte auf etwas, das auf die Ziegel geschrieben stand.

      Matthew lief hinter Lillehorne auf den Pfeifenbläser zu, dicht gefolgt von Nack. »Matthew!«, rief Berry, aber er blieb nicht stehen. Seltsamerweise fuhr ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sie meinte, er sollte nicht weitergehen.

      Mehrere Menschen hatten sich um Hamrick versammelt, der mit seinem Getriller abrupt aufhörte und mit einem dürren, knorrigen Finger auf die zwei Wörter deutete, die ungefähr in Kopfhöhe auf der Wand