MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия: Matthew Corbett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355026
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      Das zweite Corbett.

      Matthew spürte, wie sein Herz ins Stottern kam, als Hamricks Hand sich bewegte und der Finger auf ihn zeigte.

      Lillehorne nahm dem nächstbesten Bürger eine Laterne ab und hob sie, um mit dem Licht in Matthews Gesicht zu leuchten. Mit verengten Augen machte Lillehorne einen Schritt auf ihn zu, als musterte er etwas, das er noch nie zuvor gesehen hatte.

      Matthew war wie gelähmt. Er brachte kein Wort heraus.

      »Ja«, sagte der Hauptwachtmeister. Er nickte. »Seid gewiss, dass ich dies aufklären werde.«

      Kapitel 4

      »Ich möchte liebend gern eine Erklärung haben«, sagte der Mann im lilafarbenen Kleid, das am Halsausschnitt mit blauer Spitze verziert war. Seine geschminkten Lippen lächelten hauchdünn in die Stille, die seinen Worten folgte. Der Blick seiner blaugeschminkten Augen unter der opulent gelockten Perücke huschte von einer Person im Raum zur anderen. »Bitte«, sagte er und hob seine weißen Seidenhandschuhe. »Es sollten nicht alle auf einmal sprechen.«

      Gardner Lillehorne räusperte sich; vielleicht ein wenig zu explosiv. Er hielt seinen kürbisfarbigen Dreispitz in den Händen; es war seine Farbe des Tages. »Lord Cornbury«, sagte er. »Die Fakten sind, wie ich Euch berichtet habe.« Matthew fand, dass er ein wenig nervös klang, und man spürte auch tatsächlich sein Frühstück im Bauch Purzelbäume schlagen, wenn einem Edward Hyde Lord Cornbury, der Gouverneur der Kolonie New York und Vetter von Queen Anne höchstpersönlich, ins Gesicht sah.

      »Berichtet«, wiederholte der gutgekleidete Mann hinter dem Schreibtisch. »Aber erklärt habt Ihr sie nicht.« Die weißen Seidenfingerspitzen pressten sich aneinander. Das Pferdegesicht hätte jeden Spiegel in der Stadt zerspringen lassen. »Dieser faselnde Dummkopf hat auch nichts Verständliches gesagt. Was ist mit diesen roten Lampen und einer holländischen Invasion und aus dem Boot gestohlenen Fischen?«

      Hooper Gillespie hatte kurz zuvor Bericht erstattet, bis ihn seine nervöse Aufregung ins Stolpern brachte und flach zu Boden fallen ließ. Man hatte ihn auf einer Leinwandbahre aus Lord Cornburys Arbeitszimmer hinaustragen müssen. Und sein Bericht? Der schien Matthew ebenso schwer tragbar oder vielleicht gar nicht tragbar zu sein.

      Der vierte Mann im Raum spitzte die Lippen und gab ein Geräusch wie einen nassen Furz von sich.

      »Ihr wünscht zu sprechen, Mr. Greathouse?«, fragte der Gouverneur.

      »Ich wünsche mich zu beschweren«, antwortete der große Mann. An diesem Morgen stützte er sich nicht auf seinen Stock; der lag über seiner rechten Schulter. Matthew fielen die dunklen Ringe unter seinen schwarzen Augen auf. Anscheinend hatte Hudson letzte Nacht mit seinem eigenen Feuer gekämpft, nachdem er durch den Brand und Lärm aus Abby Donovans Häuschen gescheucht wurde, wo ihn die intim entfachte Glut bereits fast in Asche gelegt hatte. »Ich kann Matthews aufrechten Charakter bezeugen und …«

      »Warum genau seid Ihr hier, Sir?«, wurde er unterbrochen. Matthew wusste, Greathouse zu unterbrechen forderte Gewalt heraus, selbst gegen einen Lord in Weiberkleidern.

      »Ich bin hier«, kam die gefährlich spöttisch klingende Antwort, »weil ich gerade in unserer Amtsstube war, als der allmächtige Wachtmeister hereingestürmt kam und meinen Kollegen praktisch verhaftete. Und ihn dann hierher zu einer Vernehmung, wie er es nannte, schleifte. Ich bin freiwillig mitgekommen.«

      »Hab ihn nicht davon abhalten können, befürchte ich«, sagte Lillehorne.

      »Hab mich nicht abhalten lassen«, sagte Greathouse, den grimmigen Blick weiter auf den Gouverneur im femininen Gewand gerichtet. »Ich weiß nicht, was letzte Nacht vorgefallen ist, und Matthew weiß es ebenfalls nicht. Ja, sein Name war auf eine Wand gegenüber von dem Brand gepinselt worden. Aber er hatte nichts damit zu tun! Mit gar nichts davon! Wie könnte er denn, schließlich war er in Sally Almonds Schänke am Tanzen, als das Gebäude … in die Luft flog, oder was auch immer da passiert ist.«

      »Gestern Abend fand ein Tanz statt?«, fragte Lord Cornbury Lillehorne in jammerndem Ton. »Meine Gattin und ich lieben das Tanzen.«

      »Es war ein Tanz für die Bürgerlichen, Mylord. Ganz sicher nicht nach Eurem Geschmack.«

      Angesichts dieses Austauschs entfuhr Matthew ein Seufzen. Es stimmte, vor ungefähr dreißig Minuten war er aus der Amtsstube der Herrald-Vermittlung in der Stone Street 7 von Lillehorne abgeholt worden. Um sich dieses Kasperltheater nicht ansehen zu müssen, starrte er aus dem Fenster zu seiner Rechten, von dem aus er eine Aussicht auf den Teil der Stadt entlang des Broad Way hatte. Vor der Morgendämmerung hatte es zu schneien begonnen, und jetzt, im grauen neun-Uhr-Licht, waren die Dächer weiß. Ein paar Pferdewagen rollten über den Broad Way und in ihre Mäntel vermummte Menschen gingen ihrem Tageswerk nach. Der Turm der Trinity Church trug weiß, und weiße Decken lagen über den Schläfern auf dem Kirchfriedhof. An der Wall Street erhielt der kuchengelbe Anstrich des Rathauses einen weißen Zuckerguss, und Matthew fragte sich, ob der exzentrische Leichenbeschauer Ashton McCaggers oben in seiner Dachkammerwunderwelt der Skelette und Grotesken gerade mit der Pistole auf eine seiner Schneiderpuppen schoss, um die Größe des Einschlaglochs zu messen.

      »Woher kommt es, dass Ihr beide die reinste Plage …« Cornbury stockte und tippte sich mit dem Finger ans Kinn, um das gesuchte Wort freizuschütteln. »Plage … immer geplagt werdet«, fügte er rasch hinzu, als er sah, wie Greathouses Gesicht sich verfinsterte. »Warum werdet Ihr ständig von Ärgernissen heimgesucht, wollte ich sagen.«

      »Das ist unser Lebensunterhalt«, antwortete Greathouse. »Genau wie Eurer darauf besteht, hier zu sitzen und zu versuchen, Matthew Corbett die Schuld an etwas zu geben, mit dem er nichts zu tun hat.«

      »Hütet bitte Eure Zunge!«, warnte Lillehorne, auch wenn es eher wie eine zittrige Bitte herauskam.

      »Ich beschuldige niemanden, Sir.« Wenn es sein musste, konnte Cornbury beachtliche Selbstkontrolle an den Tag legen. Auch sein Brustkorb sah an diesem Tag sehr beachtlich aus, aber Matthew entschied sich, weder länger hinzuschauen noch genauer darüber nachzudenken. »Ich versuche lediglich zu verstehen, warum sein Name dort steht. Also, wer hat das auf die Ziegel geschrieben. Und auch, aus welchem Grund? Ihr müsst zugeben, dass es sich um eine sehr eigenartige Situation handelt. Zuerst, dass dieser … dieser Gillespie-Mensch von einer vernichtenden Ohnmacht befallen wird, als er mir davon berichtet, dass er eine rote Signallampe gesehen hätte, die eine holländische Armada zum Angriff ruft. Und dann, dass er … wie sagte er? … dass seine Kanone ein Blindgänger ist und das Phantom von Oyster Island seinen Kabeljau gestohlen hat.«

      »Drei Makrelen und einen Barsch«, korrigierte Greathouse.

      »Von mir aus, was auch immer. Dann brennt diese Lagerhalle nieder und auf der gegenüberliegenden Mauer steht der Name des jungen Mannes. Und ich kann Euch sagen, Sir, dass Johannis Feeg heute Morgen der Erste an der Tür meines Arbeitszimmers war, und zwar in Begleitung seines Anwalts und voller Verlangen, mit einer beachtlichen Summe entschädigt zu werden.«

      »Entschädigung?« Greathouses zusammengezogene Augenbrauen waren ein angsteinflößender Anblick. »Von wem? Matthew? Feeg und sein Paragraphendiener werden sich durch meine Leiche bohren müssen, um das an mir vorbeizukriegen!«

      »Lasst mich den bisher Schweigenden hören«, sagte Cornbury leise. »Mr. Corbett, habt Ihr irgendetwas dazu beizutragen?«

      Matthew starrte noch immer aus dem Fenster und beobachtete die fallenden Schneeflocken. Er wünschte sich tausend Meilen weit weg von diesem Zimmer. Wieder fiel ihm auf, wie klein und unbedeutend alles schien, seit er zu einem Mörder geworden war. Ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass Professor Fell nicht nur Lyra Leka und Tyranthus Slaughter in der Hand gehabt hatte, sondern jetzt auch Einfluss auf sein Schicksal nahm. Matthew war nicht mehr derselbe, und er fragte sich, ob er jemals wieder zu sich zurückfinden würde.

      »Mr. Corbett?«, drängte Cornbury.

      »Ja?« Erst jetzt