Pommerle brachte den Hund bis an den Hauseingang, dann lief es davon.
An dem Teiche spielten noch immer die Kinder, als Pommerle wieder zurückkehrte.
»Frau Pommerle hat dich schon zweimal gerufen, du sollst zum Essen kommen.«
Da nahm das Kind den Frosch und die Puppe und ging langsam dem Jägerschen Hause zu.
Am nächsten Morgen gab es schon wieder eine Überraschung für das Kind. Professor Bender las beim Frühstück seiner Pflegetochter die kurze Notiz vor, die in der Neuendorfer Zeitung stand. Mit glänzenden Augen hörte Pommerle zu.
»Lies noch 'mal, Onkel,« bat Pommerle mit leuchtenden Augen.
Der Professor las: »Durch das beherzte Zugreifen der achtjährigen Hanna S., einem Neuendorfer Kinde, wurde gestern ein großes Unglück verhütet.«
»Gib mir 'mal die Zeitung. – Es steht noch mehr drin?«
Herr Bender reichte der Kleinen das Blatt. Pommerle las immer wieder die wenigen Zeilen und schaute schließlich strahlend auf.
»Die Zeitung hebe ich mir auf – ja?«
»Freilich, mein Pommerle, die zeigst du daheim dem Jule und der Anna.«
»Hat der Jule auch schon einmal durch ein beherztes Zugreifen ein kleines Mädchen gerettet?«
»Nein, Pommerle.«
»Oh – was wird dann der Jule dazu sagen? Kann ich die Zeitung 'mal der Frau Jäger zeigen und der Hella?«
»Frau Jäger wird es auch schon gelesen haben und Hella desgleichen. Hella fährt morgen wieder heim.«
Pommerle ließ einen Seufzer hören. »Ach je – und wir fahren dann auch bald. – Dann höre ich die liebe Ostsee nicht mehr rauschen.«
»Aber du siehst dann wieder die hohen Berge, du gehst wieder in die Schule – –«
»Kann ich allen Kindern in der Schule die Zeitung zeigen?«
»Ja, Pommerle, aber du darfst dich nicht zu sehr rühmen, denn es ist Pflicht eines jeden Menschen, dem anderen zu helfen.«
»Aber wenn es doch in der Zeitung steht? – Die Anna tut auch zu Hause immer ihre Pflicht, und das steht nicht in der Zeitung.«
»Ein Menschenleben zu retten, ist auch etwas Besonderes, mein Kleines. Aber nun laufe noch 'mal hinunter zum Strand, vielleicht ist Hella dort, dann kannst du dich gleich von ihr verabschieden.«
Den Frosch und ihre Puppen im Arm, ging Pommerle zum Strande, wo es gar bald seine Spielgefährten fand. Heute hatte sich auch Herbert Affmann wieder eingefunden, der die Nachricht erhalten hatte, daß es seiner Mutter bedeutend besser ginge und daß sie in etwa vierzehn Tagen wieder nach Neuendorf zurückkehren könne.
Nochmals wurde der Unglücksfall durchgesprochen, und die kleine Grete Bauer behauptete, daß Pommerles schöne Geburtstagspuppe unartig sei, und daß man ihr auch den Kopf einschlagen müsse. Schon holte sie einen großen Stein herbei, aber Pommerle nahm angstvoll das Puppenkind in den Arm.
»Durch das beherzte Zugreifen habe ich dich vor dem Krankenhause bewahrt,« sagte es zu seinem Puppenkinde. Die Notiz in der Zeitung wollte gar nicht mehr aus dem Kinderköpfchen herausgehen.
So vergingen die nächsten Tage. Hella Wangler war mit ihren Eltern abgereist, nochmals war alles genau verabredet worden, und Hella sowie Pommerle freuten sich herzlich auf das Wiedersehen in Berlin. Benders wollten in einem Hotel Wohnung nehmen, den nächsten Tag für ihre Besorgungen freihalten, Pommerle sollte in der Zeit bei Wanglers sein. Am nächsten Tage wollte man nach Hirschberg weiterfahren.
So kam denn auch für Pommerle der Tag der Abreise von Neuendorf immer näher heran, und Frau Bender begann bereits mit dem Einpacken. In Begleitung Pommerles machte man noch einige Einkäufe, denn man wollte Anna, Jule und einigen Bekannten etwas mitbringen und erwarb verschiedene niedliche Sachen.
»Kann ich dem Jule nicht auch was mitbringen, Tante?« fragte Pommerle.
»Aber freilich, mein Kind.«
»Und meiner lieben Lehrerin?«
»Auch der.«
»Dann muß aber die Anna auch noch was von mir haben.«
»Hast du denn so viel Geld, Pommerle?« fragte Professor Bender lachend.
»Ja, Onkel – ich habe fünfzig Pfennige.«
»Was willst du denn kaufen?«
»Recht was Schönes!«
Aber in den Geschäften, die in Neuendorf waren, fand Pommerle nichts Geeignetes, obwohl es alles genau besah. Frau Bender mußte mehrfach mahnen, daß die Kleine endlich käme.
»Ich muß doch noch einkaufen.«
»Du kannst dir heute nachmittag überlegen, was du kaufen willst.«
Da saß nun Pommerle am Tische und zählte nochmals ihre Barschaft.
Am Strande war eine kleine Bude aufgeschlagen, dort gab es wunderschöne Dinge. Da waren große Muscheln, schöne bunt bemalte Flundern aus Holz, Bilder – ach, es war eine Pracht! Pommerle hatte schon oftmals davorgestanden und sehnsüchtig all die Herrlichkeiten angestaunt. Dort fand es gewiß etwas Geeignetes, was Jule erfreuen würde.
Aber ehe es des Nachmittags ans Einkaufen ging, mußte Pommerle noch einen Brief an Hella schreiben, in dem es der Spielgefährtin mitteilte, daß es am Donnerstag gegen Mittag zu ihr kommen werde.
Pommerle schrieb den Brief, klebte ihn zu, klebte auch die Marke auf und eilte dann zu dem kleinen Strandbazar. Dort stand, wie immer, Herbert Affmann, denn auch er bewunderte die schönen Dinge, die hier zu kaufen waren. Besonders ein Säckchen mit Muscheln interessierte Pommerle. Ob sie dieses Säckchen der Lehrerin schenkte?
Hanna Ströde beriet mit Herbert.
»Nimm ihr einen Beutel mit Sand mit,« sagte der Knabe, »in der Stadt haben sie keinen Sand. Meine Tante aus Breslau hat sich auch 'mal Sand mitgenommen, als sie hier war.«
Aber Pommerle gefiel eine Holzflunder, auf der das Meer und einige Strandkörbe gemalt waren, viel besser.
»Das ist sehr schön,« meinte das Kind.
Als es nach dem Preise fragte, stellte es sich heraus, daß die Flunder fünfzig Pfennige kostete.
»Das geht nicht,« sagte Pommerle, »ich muß noch drei andere Sachen kaufen und habe nur fünfzig Pfennige.«
Die freundliche Verkäuferin legte der Kleinen verschiedene Sachen vor, aber Pommerle schaute immer wieder sehnsüchtig nach der Holzflunder. Es griff in sein Täschchen – da steckte ja noch der Brief an Hella.
»Wollen Sie eine Briefmarke?«
»Die laß lieber auf dem Briefe kleben, mein Kind. Ich gebe dir die Flunder für vierzig Pfennige und dann nimmst du noch ein Säckchen mit Muscheln dazu.«
Pommerle war überglücklich. Die Lehrerin bekam die Flunder, Jule die Muscheln, und Anna bekam ein Säckchen mit Sand. Sie mußte jetzt schnell heimlaufen und von der Tante ein Säckchen erbitten.
»Vielleicht freut sich dein Jule auch über schöne Steine?«
Herbert bückte sich, suchte mehrere runde Steine aus und hielt sie Pommerle hin.
»O ja,« meinte das Kind.
Es stopfte sich die Tasche voller Steine.
»Nun hat er doch Steine und Muscheln,« meinte Herbert, »da könntest du mir vielleicht die Muscheln schenken.«
»Meinst du, daß er sich über die Steine toll freut?«
»Da hat er doch viel mehr als an den paar Muscheln.«
Auch dieses Geschäft wurde gemacht. Herbert erklärte sich noch bereit, Pommerle eine ganze Menge Steine ins Haus zu bringen,