"Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS. Armin Born. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Armin Born
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170371248
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wissenschaftliche Untersuchungen, in denen die Probleme und die Belastungen in Familien mit einem ADHS-Kind mit denen anderer Familien verglichen wurden. In Deutschland untersuchten u. a. Döpfner und Mitarbeiter, wie sich eine Familie mit einem ADHS-Kind von anderen Familien unterscheidet (Döpfner, Schürmann, Frölich, 1997). In dem nachfolgenden Schaubild sind die häufigsten Probleme von 6- bis 10-jährigen Kindern angeführt. Die dunkelblauen Balken stellen die Häufigkeit des belastenden Problems in ADHS-Familien dar, die hellblauen Balken dessen Ausmaß in nicht betroffenen Familien. Die Grafik macht auf einen Blick klar, um wie viel mehr Familien mit einem ADHS-Kind belastet sind.

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      Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. In den USA erfasste z. B. Barkley, einer der renommiertesten ADHS-Forscher, in einer Untersuchung zum einen die Häufigkeit des durch ADHS bedingten Problemverhaltens, zum anderen das Ausmaß der Belastung durch das Problem für die jeweilige Familie. Die Hausaufgabensituation fehlt bei Barkley, da die Kinder in den USA Ganztagsschulen besuchen.

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      Problemhäufigkeit bei Kindern mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS

      Tab. 1.1: Problemhäufigkeit bei Kindern mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS (Nach Barkley, Taking charge of ADHD. The complete, authorative guide for parents. New York, London 2000, S. 96)

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      Durchschnittlicher Ausprägungsgrad* der Probleme bei Kindern mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS

      * Eingeschätzt auf einer Skala von 1 (gering) bis 9 (stark)

      Tab. 1.2: Durchschnittlicher Ausprägungsgrad bei Kindern mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS (Nach Barkley, Taking charge of ADHD. The complete, authorative guide for parents. New York, London 2000, S. 96)

      Die Schaubilder sollen Ihnen als Eltern noch einmal verdeutlichen, dass Sie mit Ihrem persönlichen Belastungserleben keineswegs alleine sind. Andere Familien, andere Mütter bzw. andere Kinder müssen sich vielleicht sogar mit noch ausgeprägteren Problemen auseinandersetzen.

      Fazit

      Obwohl Mütter häufig von ihrem sozialen Umfeld dafür verantwortlich gemacht werden, dass ihr Kind problematische Verhaltsweisen zeigt, sehen Sie, dass dies nicht nur bei Ihrem Kind so ist, sondern dass auch andere von ADHS betroffene Kinder dessen Schwierigkeiten teilen – dies haben zahlreiche Untersuchungen in unterschiedlichen Ländern festgestellt. Weltweit scheint die Erziehung von ADHS-Kindern um ein Vielfaches schwieriger als bei anderen Kindern zu sein. Auch die Ausprägung der Erziehungsprobleme ist um ein Vielfaches erhöht. Als Mutter und Vater sollten Sie deswegen die Schuld für die Probleme nicht bei sich selber suchen.

      Was bedeuten diese Aussagen nun aber für Sie persönlich? Weil es so ist, wie es ist, und diese Schwierigkeiten bestehen, müssen Sie im alltäglichen Umgang mit Ihrem Kind besonders engagiert, durchhaltefähig und konsequent nach dem richtigen und passenden Erziehungsweg suchen. Was bei Ihren anderen (nicht von ADHS betroffenen) Kindern möglicherweise erfolgreich war, muss aufgrund seiner besonderen Voraussetzungen beim ADHS-Kind nicht unbedingt wirken.

      Die Verhaltensprobleme Ihres Kindes werden also zum großen Teil von dem Krankheitsbild ADHS hervorgerufen. Nichtsdestotrotz bzw. gerade deshalb ist es besonders für Mütter, die in der Familie die Hauptlast der Erziehung tragen, wichtig, einen erfolgreichen und für sie passenden Weg aus der Dauerbelastung heraus zu finden.

      1.2 Ihr Erfahrungsschatz

      Manchmal, besonders wenn die Probleme überhand nehmen, der Alltag voller Konflikte und keine Verbesserung erkennbar ist, gerät in Vergessenheit, dass Sie als Eltern über Jahre hinweg wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Ihrem Kind gesammelt haben. In dieser Zeit sind Sie Fachfrau bzw. Fachmann für Ihr Kind geworden. Sie kennen Ihr Kind am allerbesten und Sie haben auch einen wirklichen Erfahrungsschatz darüber erworben, welche Maßnahmen bei Ihrem Kind erfolgreich und welche wirkungslos sind.

      Sie verfügen über sehr viel Wissen über den Umgang mit schwierigen Problemsituationen zu Hause. Was haben Sie bisher schon an erfolgreichen Maßnahmen im Umgang mit Ihrem Kind ausprobiert und was war weniger wirkungsvoll? Dieses Wissen möchten wir nun zusammentragen.

      Da nur Gedachtes oder Gesprochenes allzu schnell in Vergessenheit gerät, möchten wir Sie als Mutter und Vater wiederum bitten, sich über ein paar Tage Zeit zu nehmen und Ihren Erfahrungsschatz aufzuschreiben (image Abbildung 1.2).

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      Expertenwissen aus jahrelanger Erziehungsarbeit

      Arbeitsblatt 1.2: Expertenwissen aus jahrelanger Erziehungsarbeit

      Versuchen Sie sich anschließend wieder mit Ihrem Mann bzw. einer anderen Mutter zu verabreden und vergleichen Sie Ihre Listen. Was stimmt überein? Wo erkennen Sie Unterschiede, wo Zusätzliches? Es ist ganz normal, dass Sie neben Übereinstimmungen auch Unterschiede feststellen. Jedes Kind ist anders. Was bei dem einen taugt, muss nicht bei dem anderen wirksam sein. Auch als Vater und Mutter sind Sie unterschiedlich. Macht der eine etwas, ist es nicht das Gleiche, wie wenn der andere grundsätzlich genauso handelt. Wählen Sie deswegen bewusst aus, was vielleicht eine Anregung für Sie sein könnte bzw. was nicht zu Ihnen passt.

      Vergleichen Sie auch Ihre eigenen Erfahrungen mit den Erfahrungen, die wir in den Elterntrainingsgruppen gesammelt haben. Hierzu finden sie zwei Plakate («Erfolgreiche Maßnahmen«/«Maßnahmen, die nicht erfolgreich waren«), die in diesen Gruppen entstanden sind (image Abbildung 1.3).

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      2.1 Die Selbstbeobachtung Ihres Verhaltens dem Kind gegenüber – Die »Strichliste«

      Selbstbeobachtung stellt eine wichtige Voraussetzung dar, um zunächst Ihr eigenes Verhalten und später sodann auch jenes Ihres Kindes zu verändern. Dabei gilt es als erstes, den »Ist-Stand« festzuhalten und damit bewusster zu machen. Aus diesem Grund besteht die nächste Aufgabe für Sie darin, zwei Wochen lang zu beobachten, wie Sie sich Ihrem Kind gegenüber verhalten. Ist Ihr Umgangston, Ihr Verhalten Ihrem Kind gegenüber freundlich oder eher aggressiv? Sind die Rückmeldungen, die Sie Ihrem Kind geben, eher positiv oder negativ?

      Was ist nun unter einem positiven und negativen Rückmelden und Zuwenden eigentlich genau zu verstehen? Auf was müssen Sie als Eltern achten? Zum einen können es verbale Äußerungen wie die folgenden negativen sein: »Wann machst du endlich …«, »Warum hast du nicht …« oder »Muss ich es dir denn hundertmal sagen, dass du …«. Oder positive Äußerungen wie: »Toll«, »Es hat mich gefreut, dass du …« oder »Das war lieb von dir«.

      • Bei der Einschätzung Ihrer Äußerungen gelten sachliche Hinweise (»Räumst du bitte deine Jacke auf«, »Das Essen ist fertig«, »Putz dir bitte