Black Heart - Die gesamte erste Staffel. Kim Leopold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kim Leopold
Издательство: Bookwire
Серия: Black Heart - Die gesamte Staffel
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783958344129
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reagiert sofort, folgt meinem Blick und schiebt sich beschützend vor mich. »Wenn ich sage, dass du läufst, läufst du und hältst nicht an, okay?«, flüstert er mir zu.

      »W-was?« Meint er das ernst? Also sieht er den Mann auch? Wieso soll ich weglaufen? Wovor? Und wieso reagiert er so ernst? »Aber ...«

      »LAUF!«, brüllt er mich an, bevor ich weitersprechen kann. In dem Moment rennt auch der Mann los. Ich reiße meinen Blick los und sprinte in die entgegengesetzte Richtung, so gut es mit meinen hohen Absätzen eben geht. Den dunklen Korridor entlang, vorbei an unseren Klassenräumen, bis zum Notausgang.

      Kurz bevor ich die Tür erreiche, verheddere ich mich mit einem Absatz im Saum meines Kleides und knalle der Länge nach hin. Schnell rapple ich mich auf, ignoriere den stechenden Schmerz in meinem Handgelenk und drücke die Tür auf.

      Der Regen fängt mich auf, als wäre ich sein verlorenes Kind. Ich renne über den Schulhof bis hin zum Tor, nur um festzustellen, dass es verschlossen ist. Schwer atmend bleibe ich stehen und sehe mich um. Immerhin ist mir niemand gefolgt. Alexander muss ihn aufgehalten haben.

      Mein Herz klopft so stark, dass es unmöglich noch in meiner Brust stecken kann. Schnell gehe ich die Möglichkeiten durch, die ich habe, um zum Auto zu gelangen. Ich könnte über das Tor klettern und den langen Weg wählen, oder die Tür nehmen, die der Aula am nächsten ist, um zumindest unter Menschen zu sein.

      Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht mal weiß, wovor ich davonlaufe. Wer war das? Wieso sehe ich Dinge, die nicht da sind? Und warum scheint Alexander zu wissen, wer dieser Mann ist?

      Die Notausgangtür fliegt auf, und ein Mann tritt heraus.

      Scheiße.

      Scheiße, scheiße, scheiße.

      Ohne nachzudenken, werfe ich meine Tasche über das Tor und springe hoch, um mich mit beiden Armen hochzuziehen. Dabei habe ich nur leider nicht mit meiner eigenen Unsportlichkeit gerechnet. Ich kann mich kaum festhalten. Gott sei Dank finde ich mit meinen Schuhen Halt und kann mich doch noch hochdrücken. Auf der anderen Seite falle ich wie ein nasser Sack hinunter und prelle mir die Hüfte auf dem harten Boden.

      Ein Blick auf die andere Seite offenbart mir, dass der Mann mittlerweile fast das Tor erreicht hat. Ich raffe mich auf, schnappe mir meine Handtasche und renne weiter. Warum habe ich nicht daran gedacht, dass ich durch den Wald muss? Weil ich wiederholt mit den Schuhen im Schlamm stecken bleibe, streife ich sie kurzerhand ab und lasse sie einfach liegen.

      Dünne Äste knallen mir gegen die nackten Arme und das Gesicht, während ich durch den Wald hechte. Immer wieder bleibe ich an Wurzeln hängen. Meine Lungen fühlen sich an, als stünden sie kurz vor dem Explodieren.

      Bald kann ich nicht mehr. Mit schmerzenden Rippen werde ich immer langsamer. Irgendwie sieht alles gleich aus. Der Vollmond ist so gut hinter den dicken Regenwolken versteckt, dass ich kaum etwas erkennen kann. Ich presse mich hinter einen Baum und lege eine Hand auf meinen Mund, damit man mein Keuchen nicht hört.

      Dieser Mann ist hinter mir her.

      Mein Herz hört nicht auf zu rasen. Es ist so laut, dass der Mann es unmöglich überhören kann. Meine Hand ist feucht, ob vom Regen oder von den Tränen weiß ich nicht. Hinter mir knackt das Unterholz. Ich erstarre, halte den Atem an und schließe die Augen.

      Bitte. Bitte, geh weiter.

      Das Knacken kommt näher.

      Bitte.

      Mir wird schlecht vor Angst. Das Blut rauscht in meinen Ohren.

      Ich will noch nicht sterben.

      Ich kann seinen Atem hören. Im Gegensatz zu meinem geht seiner hektisch und laut. Er muss sich keine Mühe machen, ihn zu verbergen. Im nächsten Moment steht er neben mir. Nur noch ein paar Schritte, und er hat mich entdeckt. Ich kann die Luft nicht länger anhalten. Vorsichtig atme ich aus und drücke mich dichter an den Baum, doch es ist zu spät.

      Er macht die paar Schritte und steht plötzlich vor mir. Ich schreie, als er mich berührt, und versuche mich loszureißen, doch sein Griff ist eisern. In meinen Adern pulsiert das Blut, und in meinem Bauch erwacht ein Gefühl, das ich noch nie gespürt habe. Die Angst in meiner Stimme bahnt sich ihren Weg aus meiner Kehle und wird nur noch übertönt von einem Krachen und Tosen um uns herum. Im nächsten Augenblick wird der Mann zurückgeschleudert. Er knallt gegen einen Baum, der einfach abknickt und umfällt.

      Erschrocken blicke ich mich um und sehe, wie nach und nach auch die anderen Bäume um uns herum krachend umkippen. Das Brennen in meinem Hals nehme ich nur unterschwellig wahr.

      Was zur Hölle ...?

      Ich habe den Schock kaum verdaut, da rührt sich der Mann wieder. Also nutze ich die Chance, die mir dieses seltsame Geschehnis gegeben hat, und renne weiter, ohne zurückzuschauen. Vor mir blitzen vereinzelt die Lichter der umliegenden Häuser auf, doch mein Schrei nach Hilfe bleibt unbeantwortet.

      Es ist zwecklos. Er wird mich kriegen, bevor mir jemand helfen kann.

      Die bittere Wahrheit vergiftet meine Lungen und presst sämtlichen Lebenswillen aus mir heraus. Ich stolpere über eine Wurzel und falle mit dem Gesicht voran in eine Pfütze. Ich will aufstehen, doch mich hat sämtliche Kraft verlassen.

      Die Lichter sind jetzt so nah. Ich habe es fast geschafft, denke ich und hebe schwach den Kopf. In der Pfütze erkenne ich, wie der Mann mit erhobenem Messer über mir steht.

      Ich schließe die Augen und warte auf die Schmerzen, doch sie bleiben aus.

      Blinzelnd suche ich nach seinem Spiegelbild, aber ich bin mir sicher, dass er verschwunden ist. Mit einem leisen Keuchen stütze ich mich ab und schaue mich um.

      Alexander!

      In einer Hand hält er ein Messer und in der anderen ...

      Oh Gott.

      Ich würge, als er den körperlosen Kopf achtlos in den Dreck wirft und sich anschließend über mich beugt.

      Norwegen, 1768 n. Chr.

      Freya

      ❤

      Ich könnte mich daran gewöhnen, auf einem Pferd zu reisen. Vor allem, wenn Mikael hinter mir sitzt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, mir die Welt zu beschreiben. Er erklärt mir, wie Pflanzen aussehen und Tiere, woran ihn die Farbe des Himmels erinnert und wie der Dreck auf dem Boden für ihn aussieht. Im Gegenzug erzähle ich ihm, wie sich die Dinge für mich anfühlen. Ich bedeute ihm anzuhalten, wenn ich ein Tier höre, und warte geduldig darauf, dass es näherkommt, damit er es sehen kann. Sein Atem in meinem Nacken wird dann tiefer und ruhiger, als würde er angestrengt daran arbeiten, seinen Herzschlag zu beruhigen, um das Tier nicht zu verschrecken. Wenn die Zeit reif ist, reiten wir weiter, und er beschreibt mir das Tier, das ich gehört habe und er sehen konnte. Wir entdecken die Welt gemeinsam neu.

      Irgendwann verändert sich seine Haltung. Er wird wachsamer, unruhiger. Sorgenvoll lausche ich in die Umgebung.

      »Was ist los?«, frage ich leise. Die Anspannung ist kaum auszuhalten.

      »Wir sind kurz vor Christiania.« Seine Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. »Die Strecke ist berüchtigt für ihre Überfälle. Ich will nur nicht, dass uns etwas zustößt.«

      Ich erschaudere und halte mich unwillkürlich besser am Sattel fest, bis schließlich der erste Ast knackt. Ich zucke zusammen und deute in die Richtung.

      »Festhalten«, raunt Mikael mir ins Ohr, bevor er die Zügel umgreift und sich halb über mich beugt. Durch den Druck seines Körpers verliere ich den Halt am Sattel und schlinge stattdessen meine Arme um Sagas Hals. Im nächsten Augenblick treibt Mikael sein Pferd an. Es zögert nicht, sondern rennt los.

      Er hat mir gesagt, wir galoppieren, und jetzt tun wir es. Sagas Hufe fliegen über den Boden, der Wind peitscht mir ins Gesicht, meine Hände krallen sich in ihre Mähne, auch wenn ich nicht befürchten muss, vom