Black Heart - Die gesamte erste Staffel. Kim Leopold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kim Leopold
Издательство: Bookwire
Серия: Black Heart - Die gesamte Staffel
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783958344129
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die er mir um die Schultern legt. Sie riecht nach Saga.

      »Wir bleiben über Nacht hier«, erklärt er, bevor er aufsteht, um sich um Saga zu kümmern und mir die Zeit zu geben, die ich so dringend brauche.

      Düsseldorf, 2018

      Louisa von Stein

      ❤

      Auf dem Weg durchs Haus komme ich an der geöffneten Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters vorbei. Er sitzt in seinem großen Ohrensessel und ist in ein Buch vertieft, die Brille auf die Spitze seiner Nase gerutscht, die Hand in den schütteren Locken vergraben, würde er mich nicht einmal bemerken, wenn ich ein Elefant wäre.

      Er liest sicher wieder einen Krimi eines italienischen Autors. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das seine einzige Möglichkeit ist, für ein paar Stunden in die Heimat zurückzukehren. Warum sonst liest er kaum deutsche Bücher?

      Ich lasse ihn allein, bringe meine Sachen in mein Zimmer und suche dann nach Alina, um ihr Bescheid zu sagen, dass ich wieder da bin. Ich finde meine Schwester im Kräuterzimmer meiner Mutter, wo sie sich gerade einen Tee kocht. Sie ist schon komplett fertig und verspricht mir, in fünfzehn Minuten zu kommen, um mir mit dem Make-up und meiner Frisur zu helfen.

      »Danke«, erwidere ich und schnappe mir ihre Tasse Tee. Sie flucht mir hinterher. Grinsend gehe ich zurück in mein Zimmer und stelle die Tasse auf meinem Schreibtisch ab, bevor ich meine Tasche auspacke und ins angeschlossene Badezimmer gehe, um mir das Gesicht zu waschen und die Haare zu föhnen.

      Vor dem Spiegel schaue ich mich unsicher um, aus Angst davor, wieder Dinge zu sehen, die gar nicht existieren. Die Erinnerung an Liam ist selbst nach fünf Jahren noch zu frisch.

      Zu meiner Erleichterung geschieht nichts. Ich kehre in mein Zimmer zurück, ziehe mein Kleid an und warte auf Alina, die kurz darauf mit ihrem Make-up-Kit und dem Lockenstab zu mir kommt. Während sie mich schminkt, reden wir über meinen Flugunterricht und die anstehende Prüfung. Im Gegensatz zu Mama kann ich mit Alina über die Dinge reden, die mich beschäftigen. Erst, als wir bei den Haaren angelangt sind, merke ich, dass sie eigentlich über etwas ganz anderes reden möchte.

      »Hast du ihn schon gesehen?« Alina steckt das Kabel vom Lockenstab in die Steckdose und wirft mir über den Spiegel hin einen neugierigen Blick zu. Ihre braunen Augen sind mit einem dicken Lidstrich geschminkt, ihre Lippen glänzen in einem satten Rot. Sie sieht toll aus. Wie jedes Mal, wenn sie sich zurechtmacht. Das muss daran liegen, dass sie die Vorzeigetochter der Familie ist. Vielleicht aber auch daran, dass ihr – seit sie ihre Liebe zum Fotografieren entdeckt hat – niemand mehr entkommen kann, wenn sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, denjenigen für ihre Fotos vorzubereiten. Dabei weiß ich, dass sie insgeheim viel lieber die Natur fotografiert.

      »Du meinst unseren Gast?«, frage ich unnötigerweise nach. Sie kann unmöglich von der Gestalt im Spiegel sprechen.

      Ich frage mich, wieso sie Alexander noch nicht kennengelernt hat. An Mamas Stelle hätte ich ihm lieber Alina vorgestellt. »Ganz kurz. Mama hat fast einen Herzinfarkt bekommen, weil ich noch Öl im Gesicht hatte.«

      Alina kichert und unterteilt mein Haar in Partien, um es besser frisieren zu können. Ich sitze in meinem funkelnden, blauen Ballkleid vor dem Spiegel und spiele mit einem Haargummi, während ich darauf warte, dass sie endlich anfängt. Aber offenbar ist sie anderweitig beschäftigt.

      »Alexander Romanovic«, seufzt sie theatralisch auf. Ihr Blick ist verklärt. »Ich fand ihn schon toll, als er vor ein paar Jahren das erste Mal hier war.«

      »Warte mal – was? Vor ein paar Jahren? Du kennst ihn?« Verwundert schaue ich sie an. Wieso kann ich mich nicht an ihn erinnern, wenn er schon einmal hier gewesen ist?

      »Das war, während du vor ein paar Jahren so krank warst.«

      »Du meinst die Phase mit Liam?«, hake ich nach. Sie zuckt zusammen, weil ich das Thema so offensichtlich anspreche. Nach all den Jahren kann meine Familie immer noch nicht damit umgehen, dass ich als Kind einen Dachschaden hatte und nie ohne meinen imaginären Freund Liam weggegangen bin.

      »Um genau zu sein, rede ich von der Zeit, in der du aus dem Fenster gestürzt bist, weil du Liam vor dem Absturz bewahren wolltest.« Alina wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Ich schließe die Augen, immer noch beschämt über das, was geschehen ist.

      Dabei wollte ich Liam wirklich nur helfen. So macht man das doch mit Freunden.

      Ich konnte ja nicht wissen, dass er meine Hand packt, um mich mit sich in die Tiefe zu reißen.

      »Jedenfalls war Alexander da schon einmal hier. Deswegen erinnerst du dich wahrscheinlich nicht mehr an ihn. Und jetzt ist er älter … und ich bin älter.«

      »Bist du verknallt in ihn?«, frage ich grinsend. Kein Wunder, der junge Mann dort unten hat sicher schon einigen Frauen das Herz gebrochen. Bei dem Lächeln wird ja selbst mir anders, obwohl ich noch nie der Typ für Schwärmereien gewesen bin.

      Alina winkt ab und beschäftigt sich wieder mit meinen Haaren, aber dabei wird sie rot. »Meinst du, er kommt mit zum Ball?«

      »Wieso sollte er? Der ist doch nur für Schüler.« Ich kann mir kaum vorstellen, dass Alexander uns zum alljährlichen Neujahrsball der Schule begleitet. Selbst, wenn er dieses Jahr zufällig auf meinen achtzehnten Geburtstag fällt. Er ist ja nicht wegen uns hier.

      Vorsichtshalber werfe ich trotzdem einen Blick in den Spiegel und kontrolliere meine dunkel geschminkten Augen. Smokey Eyes, wie Alina sie so passend genannt hat. Wenn ich meine Schwester nicht hätte, würde ich wahrscheinlich ungeschminkt zum Ball gehen. Und ganz sicher hätte ich mir dann nicht dieses blaue Kleid mit dem herzförmigen Ausschnitt gekauft, in dem ich mich viel zu nackt fühle.

      »Du siehst toll aus, Lou.«

      Sie beobachtet mich belustigt. Natürlich hat sie meine Zweifel bemerkt. Sie legt den Lockenstab weg und entwirrt meine Locken, bevor sie den oberen Teil wegsteckt und nur ein paar einzelne Strähnen in mein Gesicht fallen lässt. Dann reicht sie mir ein paar tröpfchenförmige Anhänger und eine passende Kette dazu. Nachdem ich den Schmuck angelegt habe und aufgestanden bin, zieht sie mich vor den Spiegel.

      Obwohl sie noch keine Schuhe trägt, ist sie fast zwei Köpfe größer als ich. Sie ist zwar nur ein Jahr älter als ich, aber durch ihre Größe wirkt sie zehn Mal erwachsener. Im Gegensatz zu mir hat sie die unschuldigen braunen Augen unseres Vaters geerbt und auch die eleganten Gesichtszüge hat sie von ihm. Manchmal kann ich mir kaum vorstellen, wie ich mit meinem runden Gesicht und den blauen Augen in diese Familie passe. Die Augenfarbe ist dabei allerdings das Einzige, was ich von Mama geerbt habe.

      Auch wenn Alina und ich uns kaum ähnlich sind, geben wir zusammen trotzdem ein tolles Bild ab. Ich erkenne mich selbst kaum wieder. Die Lou, die sonst ölverschmierte T-Shirts, Jeans und unordentliche Haarknoten trägt, sieht aus wie eine Prinzessin aus einem lang vergessenen Land.

      »Fehlt ja nur noch das Krönchen«, witzle ich, um meine Bewunderung für ihre Künste zu überspielen.

      »Urghs.« Alina lacht. »Du willst doch nicht wie Kristin aussehen.«

      »Stimmt. Und die Ballkönigin will ich auch nicht werden. Viel zu viel Aufmerksamkeit.« Meine Finger gleiten über den Stoff des Kleides, und ich strecke einen Fuß nach vorne, entzückt darüber, dass das Kleid vorne kürzer ist als hinten. So wird man die silbernen Schuhe besser sehen können. Manchmal bin ich eben doch ein Mädchen.

      Ich umarme sie zum Dank, bevor sie noch einmal in ihr Zimmer verschwindet und ich mir meine Schuhe, einen Seidenschal und die Handtasche schnappe, um hinunterzugehen. Thomas müsste jeden Augenblick vor der Tür stehen, und er ist froh, wenn ich ihn nicht zu lange mit Mama allein lasse. Wobei die ja sowieso gerade mit ihrem neuen Liebling beschäftigt ist.

      Auf dem Weg nach unten kreisen meine Gedanken wieder um die Gestalt im Spiegel. Ich frage mich, ob ich sie mir nur eingebildet habe oder ob vielleicht doch mehr dahintersteckt.

      War das vielleicht