Black Heart - Die gesamte erste Staffel. Kim Leopold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kim Leopold
Издательство: Bookwire
Серия: Black Heart - Die gesamte Staffel
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783958344129
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dem unteren Treppenabsatz entdecke ich eine Gestalt im Flur und bleibe abrupt stehen. Für einen Moment denke ich, dass ich schon wieder Dinge sehe, die gar nicht da sind, aber dann dreht sich der Mann um. Es ist Alexander! Ich atme erleichtert auf. Er hat sein Outfit gegen einen Smoking ausgetauscht und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch dann bringt er nur ein Lächeln zustande.

      Ich gehe die letzten Treppenstufen hinunter, bis ich vor ihm zu stehen komme, und schaue auf meine Hände, weil es mir plötzlich unangenehm ist, ihm so nah zu sein.

      »Du siehst toll aus, Louisa«, sagt er mit leiser Stimme. Sein Akzent verleiht seinen Worten Stärke. Wieso werden meine Knie plötzlich so weich?

      »Danke.« Ich hebe den Blick und lächle ihn fest entschlossen an. »Meine Schwester hat mir gerade erzählt, dass du schon einmal hier gewesen bist. Ich kann mich nicht daran erinnern. Tut mir leid, dass ich dich nicht gleich erkannt habe.«

      Er hebt verblüfft eine Braue. »Wie könntest du? Damals wärst du beinahe gestorben.«

      Also weiß er, wie ich aus dem Fenster gefallen bin und danach wochenlang eingegipst war, weil ich mir acht Knochen gebrochen habe.

      »Aber jetzt geht es dir wieder gut, oder?«, fragt er vorsichtig.

      Ich runzle die Stirn. »Das ist fünf Jahre her. Natürlich geht’s mir wieder gut.«

      »Ich meine nicht … körperlich.«

      Ich erstarre und mir wird klar, dass er sogar weiß, wieso ich aus dem Fenster gefallen bin.

      »Woher weißt du das?«, fahre ich ihn wütend an. Wahrscheinlich hat er mich deswegen vor meiner Mutter verteidigt. Das ist Mitleid, kein ehrliches Interesse. Er will antworten, doch in diesem Augenblick kommt Alina von oben hinunter und unterbricht uns.

      »Alexander Romanovic«, ruft sie übertrieben freudig und schreitet die Treppe hinunter wie eine Königin. Sofort gleitet seine Aufmerksamkeit zu ihr. Verstimmt verschränke ich die Arme vor der Brust, weil er ihr einen Kuss auf den Handrücken drückt. Na klar, wieso auch nicht? Immerhin ist sie nicht nur die Hübschere von uns beiden, sondern auch diejenige, die nicht irre ist.

      Sie tauschen ein paar Höflichkeiten aus, bevor er sich wieder mir zuwendet. In dem Moment kommen Mama und Papa in die Eingangshalle.

      »Ah, hier bist du, Alexander.« Sie breitet die Arme aus und schaut ihn von oben bis unten an. Hat sie Muttergefühle für ihn? »Du siehst toll aus. Deine Eltern wären sicher stolz auf dich.«

      »Danke«, erwidert er verlegen.

      Ich werfe Papa einen fragenden Blick zu, aber er zuckt bloß unwissend mit den Schultern und richtet seine Aufmerksamkeit erneut auf unseren Gast.

      »Und?« Mama klatscht in die Hände. »Habt ihr euch schon besser kennengelernt?«

      »Wie –«, beginne ich, doch Alexander unterbricht mich.

      »Louisa hat mir gerade gesagt, wie sehr sie sich darüber freut, dass ich sie zum Ball begleiten werde«, erklärt er, und spätestens damit hätte er sich einen Faustschlag ins Gesicht verdient, wenn ich damit nicht ganz offiziell enterbt werden würde. Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Meint er, er kann hierherkommen und alles durcheinanderwerfen?

      Ich verschränke trotzig die Arme vor der Brust und lasse sie gleich wieder fallen, weil ich damit seine Aufmerksamkeit auf meinen Ausschnitt lenke. »Und was ist mit Thomas?«

      »Ich kann ihn auch mitnehmen«, wirft Alina ein. Alexander schmunzelt, als er meinen Blick sieht. »Also, Alexander, mein ich. Immerhin habe ich keine Begleitung.«

      »Nein, nein, Alexander ist wegen Louisa hier«, erklärt Mama. »So viel Zeit, wie die beiden in den nächsten Wochen miteinander verbringen werden, ist der Ball die perfekte Gelegenheit, um sich besser kennenzulernen.«

      Zeit miteinander verbringen? »Wie bitte?«

      »Ach, Liebes, hörst du überhaupt zu, wenn ich mit dir rede?«, beklagt sie sich. »Ich habe dir doch gestern schon erzählt, dass die Romanovics alte Freunde unserer Familie sind und ihr Sohn ...« Sie deutet auf Alex und redet mit mir wie mit einem kleinen Mädchen. »… uns für ein paar Tage besuchen kommt. Und da ihr doch fast das gleiche Alter habt, wird er natürlich die meiste Zeit mit dir verbringen.«

      »Toll«, japse ich wenig begeistert und zucke zusammen, als es an der Haustür klingelt. »Das muss Thomas sein.«

      »Alina, fahr doch schon mal mit Thomas zum Ball«, schlägt Mama vor. »Alexander und Louisa können zusammenfahren.«

      Alina presst die Lippen aufeinander und nickt einmal knapp, bevor sie die Haustür öffnet und Thomas mit einer Umarmung überrumpelt. Ich habe kaum Zeit, ihm zu winken, da sind die beiden schon wieder verschwunden.

      ❤

      Alex schnappt sich eine schwarze Trainingstasche, die bisher unbeachtet neben dem Treppenabsatz lag, und geht hinaus, um draußen auf mich zu warten. Mama schafft es tatsächlich, mir ein ehrliches Lächeln zu schenken, bevor sie mich in den Arm zieht.

      Überrumpelt von ihrer plötzlichen Zuneigung tätschle ich ihren Rücken. »Mama?«

      »Pass auf dich auf«, erwidert sie leise, bevor sie mich loslässt und zu Papa schiebt. Auch er überrascht mich mit einer Umarmung.

      »Was ist los mit euch?« Verunsichert schnuppere ich an seinem Hemd. Der bekannte Geruch beruhigt meine Nerven. Trotzdem kommt es mir komisch vor, weil mein Vater mich sonst so gut wie nie umarmt. Das ist einfach nicht sein Ding. Er zeigt seine Zuneigung lieber mit Worten. »Ist alles in Ordnung?«

      Er lächelt mich an, doch das Lächeln erreicht seine Augen nicht. »Aber natürlich. Du siehst toll aus, Liebling.«

      »Wie eine Dame«, stimmt auch meine Mutter zu. »Sei nett zu Alexander. Ich bin sicher, ihr werdet eine gute Zeit miteinander haben.«

      Ich ziehe verwirrt eine Schnute. »Worum geht es hier eigentlich? Wollt ihr uns verkuppeln oder so?«

      Scheinbar ist meine Frage so lächerlich, dass mein Vater lauthals loslachen muss. Mama wirft ihm einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.

      »Natürlich nicht«, besänftigt sie mich. »Nur ... egal, was passiert: Du kannst Alexander vertrauen. Viel Spaß heute Abend.«

      Sie drückt meine Schulter leicht und schiebt mich aus der Haustür. Da sie sowieso nichts mehr sagen wird, gebe ich es auf und verlasse das Haus.

      Draußen regnet es noch immer. Alexander lehnt lässig an der Hauswand, die Hände in den Hosentaschen vergraben, das Hemd leicht geöffnet, die Krawatte lose. Er sieht aus wie das Covermodel eines Magazins und das trotz seiner Narbe und den Zähnen, die nicht perfekt geradestehen.

      »Fertig?«, fragt er und mustert mich neugierig. Sein Blick bringt mich beinahe aus der Fassung. Er sieht mich an, als wüsste er etwas über mich, wovon ich keinen blassen Schimmer habe.

      »Hab ich etwas im Gesicht?« Meine Stimme klingt wütend, und das macht mich rasend. Wieso lasse ich mich überhaupt so sehr aus dem Konzept bringen?

      Er schüttelt grinsend den Kopf und tritt einen Schritt vor, um mir seinen Arm hinzuhalten.

      Pah! Mit erhobenem Kopf stolziere ich an ihm vorbei zur Beifahrerseite seines Autos und lasse mich in den komfortablen Ledersitz sinken.

      »Also, erzählst du mir, was hier eigentlich los ist?«, frage ich, nachdem er von der Einfahrt gebogen ist. »Deswegen fahren wir doch allein, oder?«

      Er wirft mir einen kurzen Blick zu, und ich wickle mein Seidentuch enger um meine Schultern. »Wollen wir nicht den Abend genießen? Wir haben in den nächsten Tagen noch alle Zeit der Welt, um alles zu klären.«

      »Um was zu klären?«, frage ich entsetzt.

      Er lacht erneut, leise, nicht so, als ob er damit nach Aufmerksamkeit suchen würde, sondern so, als würde er es tatsächlich lustig finden, mich so auf die Folter zu spannen.

      »Familiendinge