Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Heine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9788726539356
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ach! ich hab immer geschwiegen

      in deiner Gegenwart.

      Da gab es böse Engel,

      die hielten mir zu den Mund;

      und ach! durch böse Engel

      bin ich so elend jetzund.

      31 Deine weichen Lilienfinger,

      könnt ich sie noch einmal küssen,

      und sie drücken an mein Herz,

      und vergehn in stillem Weinen!

      Deine klaren Veilchenaugen

      schweben vor mir Tag und Nacht,

      und mich quält es: Was bedeuten

      diese süssen, blauen Rätsel?

      32 „Hat sie sich denn nie geäussert

      über dein verliebtes Wesen?

      Konntest du in ihren Augen

      niemals Gegenliebe lesen?

      „Konntest du in ihren Augen

      niemals bis zur Seele dringen?

      Und du bist ja sonst kein Esel,

      teurer Freund, in solchen Dingen.“

      33 Sie liebten sich beide, doch keiner

      wollt es dem andern gestehn;

      sie sahen sich an so feindlich,

      und wollten vor Liebe vergehn.

      Sie trennten sich endlich und sahn sich

      nur noch zuweilen im Traum;

      sie waren längst gestorben,

      und wussten es selber kaum.

      34 Und als ich euch meine Schmerzen geklagt,

      da habt Ihr gegähnt und nichts gesagt;

      doch als ich sie zierlich in Verse gebracht,

      da habt Ihr mir grosse Elogen gemacht.

      35 Ich rief den Teufel und er kam,

      und ich sah ihn mit Verwundrung an;

      er ist nicht hässlich und ist nicht lahm,

      er ist ein lieber, scharmanter Mann,

      ein Mann in seinen besten Jahren,

      verbindlich und höflich und welterfahren.

      Er ist ein gescheuter Diplomat,

      und spricht recht schön über Kirch und Staat.

      Blass ist er etwas, doch ist es kein Wunder,

      Sanskrit und Hegel studiert er jetzunder.

      Sein Lieblingspoet ist noch immer Fouqué.

      Doch will er nicht mehr mit Kritik sich befassen,

      die hat er jetzt gänzlich überlassen

      der teuren Grossmutter Hekate.

      Er lobte mein juristisches Streben,

      hat früher sich auch damit abgegeben.

      Er sagte, meine Freundschaft sei

      ihm nicht zu teuer, und nickte dabei,

      und frug: ob wir uns früher nicht

      schon einmal gesehn beim spanschen Gesandten?

      Und als ich recht besah sein Gesicht,

      fand ich in ihm einen alten Bekannten.

      36 Mensch, verspotte nicht den Teufel,

      kurz ist ja die Lebensbahn,

      und die ewige Verdammnis

      ist kein blosser Pöbelwahn.

      Mensch, bezahle deine Schulden,

      lang ist ja die Lebensbahn,

      und du musst noch manchmal borgen,

      wie du es so oft getan.

      37 Die heilgen drei Könge aus Morgenland,

      sie frugen in jedem Städtchen:

      Wo geht der Weg nach Bethlehem

      ihr lieben Buben und Mädchen?

      Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,

      die Könige zogen weiter;

      sie folgten einem goldenen Stern,

      der leuchtete lieblich und heiter.

      Der Stern blieb stehn über Josephs Haus,

      da sind sie hineingegangen;

      Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,

      die heilgen drei Könige sangen.

      38 Mein Kind, wir waren Kinder,

      zwei Kinder, klein und froh;

      wir krochen ins Hühnerhäuschen,

      versteckten uns unter das Stroh.

      Wir krähten wie die Hähne,

      und kamen Leute vorbei —

      „Kikereküh!“ sie glaubten,

      es wäre Hahnengeschrei.

      Die Kisten auf unserem Hofe,

      die tapezierten wir aus,

      und wohnten drin beisammen,

      und machten ein vornehmes Haus.

      Des Nachbars alte Katze

      kam öfters zum Besuch;

      wir machten ihr Bückling und Knickse

      und Komplimente genug.

      Wir haben nach ihrem Befinden

      besorglich und freundlich gefragt;

      wir haben seitdem dasselbe

      mancher alten Katze gesagt.

      Wir sassen auch oft und sprachen

      vernünftig, wie alte Leut,

      und klagten, wie alles besser

      gewesen zu unserer Zeit;

      Wie lieb und Treu und Glauben

      verschwunden aus der Welt,

      und wie so teuer der Kaffee,

      und wie so rar das Geld! — — —

      Vorbei sind die Kinderspiele,

      und alles rollt vorbei, —

      das Geld und die Welt und die Zeiten,

      und Glauben und Lieb und Treu.

      39 Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich

      gedenke ich der alten Zeit;

      die Welt war damals noch so wöhnlich,

      und ruhig lebten hin die Leut.

      Doch jetzt ist alles wie verschoben,

      das ist ein Drängen! eine Not!

      Gestorben ist der Herrgott oben,

      und unten ist der Teufel tot.

      Und alles schaut so grämlich trübe,

      so krausverwirrt und morsch und kalt,

      und wäre nicht das bisschen Liebe,

      so gäb es nirgends einen Halt.

      40 Wie der Mond sich leuchtend dränget

      durch den dunkeln Wolkenflor,

      also taucht aus dunkeln Zeiten

      mir ein lichtes Bild hervor.