Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Heine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9788726539356
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drunten stört meine Ruh.

      Da steht ein Totengerippe,

      und fiedelt und singt dazu:

      „Hast einst mir den Tanz versprochen,

      und hast gebrochen dein Wort,

      und heut ist Ball auf dem Kirchhof,

      komm mit, wir tanzen dort.

      „Die Jungfrau ergreift es gewaltig,

      es lockt sie hervor aus dem Haus;

      sie folgt dem Gerippe, das singend

      und fiedelnd schreitet voraus.

      „Es fiedelt und tänzelt und hüpfet,

      und klappert mit seinem Gebein,

      und nickt und nickt mit dem Schädel

      unheimlich im Mondenschein.“

      23 Ich stand in dunkeln Träumen

      und starrte ihr Bildnis an,

      und das geliebte Antlitz

      heimlich zu leben begann.

      Um ihre Lippen zog sich

      ein Lächeln wunderbar,

      und wie von Wehmutstränen

      erglänzte ihr Augenpaar.

      Auch meine Tränen flossen

      mir von den Wangen herab —

      und ach, ich kann es nicht glauben,

      dass ich dich verloren hab!

      24 Ich unglückselger Atlas! eine Welt,

      die ganze Welt der Schmerzen, muss ich tragen,

      ich trage Unerträgliches, und brechen

      will mir das Herz im Leibe.

      Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt!

      Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich

      oder unendlich elend, stolzes Herz,

      und jetzo bist du elend.

      25 Die Jahre kommen und gehen,

      Geschlechter steigen ins Grab,

      doch nimmer vergeht die Liebe,

      die ich im Herzen hab.

      Nur einmal noch möcht ich dich sehen,

      und sinken vor dir aufs Knie,

      und sterbend zu dir sprechen:

      Madame, ich liebe Sie!

      26 Mir träumte: traurig schaute der Mond,

      und traurig schienen die Sterne;

      es trug mich zur Stadt, wo Liebchen wohnt,

      viel hundert Meilen ferne.

      Es hat mich zu ihrem Hause geführt,

      ich küsste die Steine der Treppe,

      die oft ihr kleiner Fuss berührt,

      und ihres Kleides Schleppe.

      Die Nacht war lang, die Nacht war kalt,

      es waren so kalt die Steine;

      es lugt’ aus dem Fenster die blasse Gestalt,

      beleuchtet vom Mondenscheine.

      27 Was will die einsame Träne?

      Sie trübt mir ja den Blick.

      Sie blieb aus alten Zeiten

      in meinem Auge zurück.

      Sie hatte viel leuchtende Schwestern,

      die alle zerflossen sind,

      mit meinen Qualen und Freuden,

      zerflossen in Nacht und Wind.

      Wie Nebel sind auch zerflossen

      die blauen Sternelein,

      die mir jene Freuden und Qualen

      gelächelt ins Herz hinein.

      Ach, meine Liebe selber

      Zerfloss wie eitel Hauch!

      Du alte, einsame Träne,

      zerfliesse jetzunder auch.

      28 Der bleiche, herbstliche Halbmond

      lugt aus den Wolken heraus;

      ganz einsam liegt auf dem Kirchhof

      das stille Pfarrerhaus.

      Die Mutter liest in der Bibel,

      der Sohn, der starret ins Licht,

      schlaftrunken dehnt sich die ältre,

      die jüngere Tochter spricht:

      Ach Gott, wie einem die Tage

      langweilig hier vergehn!

      Nur wenn sie Einen begraben,

      bekommen wir etwas zu sehn.

      Du irrst, es starben nur vier,

      seit man deinen Vater begraben,

      dort an der Kirchhofstür.

      Die ältre Tochter gähnet:

      Die Mutter spricht zwischen dem Lesen:

      Ich will nicht verhungern bei euch,

      ich gehe morgen zum Grafen,

      und der ist verliebt und reich.

      Der Sohn bricht aus in Lachen:

      Drei Jäger zechen im Stern,

      die machen Gold und lehren

      mir das Geheimnis gern.

      Die Mutter wirft ihm die Bibel

      ins magre Gesicht hinein:

      So willst du, Gottverfluchter,

      ein Strassenräuber sein!

      Sie hören pochen ans Fenster,

      Und sehen eine winkende Hand;

      der tote Vater steht draussen

      im schwarzen Predgergewand.

      29 Das ist ein schlechtes Wetter,

      es regnet und stürmt und schneit;

      ich sitze am Fenster und schaue

      hinaus in die Dunkelheit.

      Da schimmert ein einsames Lichtchen,

      das wandelt langsam fort;

      ein Mütterchen mit dem Laternchen

      wankt über die Strasse dort.

      Ich glaube, Mehl und Eier

      und Butter kaufte sie ein;

      sie will einen Kuchen backen

      fürs grosse Töchterlein.

      Die liegt zu Haus im Lehnstuhl,

      und blinzelt schläfrig ins Licht;

      die goldnen Locken wallen.

      über das süsse Gesicht.

      30 Man glaubt, dass ich mich gräme

      in bitterm Liebesleid,

      und endlich glaub ich es selber,

      so gut wie andre Leut.

      Du Kleine mit grossen Augen,

      ich hab es dir immer gesagt,

      dass ich dich unsäglich liebe,

      dass Liebe mein Herz zernagt.

      Doch nur in einsamer Kammer

      sprach