Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Heine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9788726539356
Скачать книгу

      wohlversorgt ist Stall und Keller,

      wohlbeackert ist das Feld.

      Jeder Winkel in dem Garten

      ist gereutet und geputzt,

      und das Stroh, das ausgedroschne,

      wird für Betten noch benutzt.

      Doch dein Herz und deine Lippen,

      schöne Dame, liegen brach,

      und zur Hälfte nur benutzet

      ist dein trautes Schlafgemach.

      85 Dämmernd liegt der Sommerabend

      über Wald und grünen Wiesen;

      goldner Mond, am blauen Himmel,

      strahlt herunter, duftig labend.

      An dem Bache zirpt die Grille,

      und es regt sich in dem Wasser,

      und der Wandrer hört ein Plätschern

      und ein Atmen in der Stille.

      Dorten, an dem Bach alleine,

      badet sich die schöne Elfe;

      Arm und Nacken, weiss und lieblich,

      schimmern in dem Mondenscheine.

      86 Nacht liegt auf den fremden Wegen,

      krankes Herz und müde Glieder; —

      ach, da fliesst wie stiller Segen,

      süsser Mond, dein Licht hernieder.

      Süsser Mond, mit deinen Strahlen

      scheuchest du das nächtge Grauen;

      es zerrinnen meine Qualen,

      und die Augen übertauen.

      87. Der Tod, das ist die kühle Nacht,

      das Leben ist der schwüle Tag.

      Es dunkelt schon, mich schläfert,

      der Tag hat mich müd gemacht.

      Über mein Bett erhebt sich ein Baum,

      drin singt die junge Nachtigall;

      sie singt von lauter Liebe,

      ich hör es sogar im Traum.

      88 „Sag, wo ist dein schönes Liebchen,

      das du einst so schön besungen,

      als die zaubermächtgen Flammen

      wunderbar dein Herz durchdrungen?“

      Jene Flammen sind erloschen,

      und mein Herz ist kalt und trübe,

      und dies Büchlein ist die Urne

      mit der Asche meiner Liebe.

Die Nordsee

      Erste Abteilung

      Huldigung

      Ihr Lieder! Ihr meine guten Lieder!

      Auf! auf! und wappnet Euch!

      Lasst die Trompeten klingen,

      und hebt mir auf den Schild

      dies junge Mädchen,

      das jetzt mein ganzes Herz

      beherrschen soll, als Königin.

      Heil dir! du junge Königin!

      Von der Sonne droben

      reiss ich das strahlend rote Gold,

      und webe draus ein Diadem

      für dein geweihtes Haupt.

      Von der flatternd blauseidnen Himmelsdecke,

      worin die Nachtdiamanten blitzen,

      schneid ich ein kostbar Stück,

      und häng es dir, als Krönungsmantel,

      um deine königliche Schulter.

      Ich gebe dir einen Hofstaat

      von steifgeputzten Sonetten,

      stolzen Terzinen und höflichen Stanzen;

      als Läufer diene dir mein Witz,

      als Hofnarr meine Phantasie,

      als Herold, die lachende Träne im Wappen,

      diene dir mein Humor.

      Aber ich selber, Königin,

      ich kniee vor dir nieder,

      und huldgend, auf rotem Sammetkissen,

      überreiche ich dir

      das bisschen Verstand,

      das mir aus Mitleid noch gelassen hat

      deine Vorgängerin im Reich.

      Abenddämmerung

      Am blassen Meeresstrande

      sass ich gedankenbekümmert und einsam.

      Die Sonne neigte sich tiefer, und warf

      glührote Streifen auf das Wasser,

      und die weissen, weiten Wellen,

      von der Flut gedrängt,

      schäumten und rauschten näher und näher –

      ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,

      ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen;

      dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen –

      mir war, als hört ich verschollne Sagen,

      uralte, liebliche Märchen,

      die ich einst, als Knabe,

      von Nachbarskindern vernahm,

      wenn wir am Sommerabend,

      auf den Treppensteinen der Haustür,

      zum stillen Erzählen niederkauerten,

      mit kleinen, horchenden Herzen

      und neugierklugen Augen; –

      während die grossen Mädchen,

      neben duftenden Blumentöpfen,

      gegenüber am Fenster sassen,

      Rosengesichter,

      lächelnd und mondbeglänzt.

      Sonnenuntergang

      Die glühend rote Sonne steigt

      hinab ins weit aufschauernde,

      silbergraue Weltmeer;

      Luftgebilde, rosig angehaucht,

      wallen ihr nach; und gegenüber,

      aus herbstlich dämmernden Wolkenschleiern,

      ein traurig todblasses Antlitz,

      bricht hervor der Mond,

      und hinter ihm, Lichtfünkchen,

      nebelweit, schimmern die Sterne.

      Einst am Himmel, glänzten,

      ehlich vereint,

      Luna, die Göttin, und Sol, der Gott,

      und es wimmelten um sie her die Sterne,

      die kleinen, unschuldigen Kinder.

      Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt,

      und es trennte sich feindlich