Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Heine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9788726539356
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der blauen Himmelsdecke.

      Nach der blauen Himmelsdecke

      schau ich selig lange Stunden,

      bis ein weisser Nebelschleier

      mir verhüllt die lieben Augen.

      *

      An die bretterne Schiffswand,

      wo mein träumendes Haupt liegt,

      branden die Wellen, die wilden Wellen.

      Sie rauschen und murmeln

      mir heimlich ins Ohr:

      „Betörter Geselle!

      Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit,

      und die Sterne droben sind festgenagelt,

      vergebliches Sehnen, vergebliches Seufzen,

      das Beste wäre, du schliefest ein.“

      *

      Es träumte mir von einer weiten Heide,

      weit überdeckt von weissem, weissem Schnee,

      und unterm weissen Schnee lag ich begraben

      und schlief den einsam kalten Todesschlaf.

      Doch droben aus dem dunkeln Himmel schauten

      herunter auf mein Grab die Sternenaugen,

      die süssen Augen! und sie glänzten sieghaft.

      und ruhig heiter, aber voller Liebe.

      Sturm

      Es wütet der Sturm,

      und er peitscht die Welln,

      und die Wellen, wutschäumend und bäumend,

      türmen sich auf, und es wogen lebendig

      die weissen Wasserberge,

      und das Sdifflein erklimmt sie,

      hastig, mühsam,

      und plötzlich stürzt es hinab

      in schwarze, weitgähnende Flutabgründe –

      O Meer!

      Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen!

      Grossmutter der Liebe! schone meiner!

      Schon flattert, leichenwitternd,

      die weisse, gespenstische Möwe,

      und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel,

      und lechzt, voll Frassbegier, nach dem Mund,

      der vom Ruhm deiner Tochter ertönt,

      und lechzt nach dem Herzen,

      das dein Enkel, der kleine Schalk,

      zum Spielzeug erwählt.

      Vergebens mein Bitten und Flehn!

      Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,

      im Schlachtlärm der Winde.

      Es braust und pfeift und prasselt und heult,

      wie ein Tollhaus von Tönen!

      Und zwischendurch hör ich vernehmbar

      lockende Harfenlaute,

      sehnsuchtswilden Gesang,

      seelenschmelzend und seelenzerreissend,

      und ich erkenne die Stimme.

      Fern an schottischer Felsenküste;

      wo das graue Schlösslein hinausragt

      über die brandende See,

      dort, am hochgewölbten Fenster,

      steht eine schöne, kranke Frau,

      zartdurchsichtig und marmorblass,

      und sie spielt die Harfe und singt,

      und der Wind durchwühlt ihre langen Locken,

      und trägt ihr dunkles Lied

      über das weite stürmende Meer.

      Meeresstille

      Meeresstille! Ihre Strahlen

      wirft die Sonne auf das Wasser,

      und im wogenden Geschmeide

      zieht das Schiff die grünen Furchen.

      Bei dem Steuer liegt der Bootsmann

      auf dem Bauch und schnarchet leise.

      Bei dem Mastbaum, segelflickend,

      kauert der beteerte Schiffsjung.

      Hinterm Schmutze seiner Wangen

      sprüht es rot, wehmütig zuckt es

      um das breite Maul, und schmerzlich

      schaun die grossen, schönen Augen.

      Denn der Kapitän steht vor ihm,

      tobt und flucht und schilt ihn: „Spitzbub!

      Spitzbub! einen Hering hast du

      aus der Tonne mir gestohlen!“

      Meeresstille! Aus den Wellen

      taucht hervor ein kluges Fischlein,

      wärmt das Köpfchen in der Sonne,

      plätschert luftig mit dem Schwänzchen.

      Doch die Möwe, aus den Lüften,

      schiesst herunter auf das Fischlein,

      und den raschen Raub im Schnabel

      schwingt sie sich hinauf ins Blaue.

      Seegespenst

      Ich aber lag am Rande des Schiffes,

      und schaute, träumenden Auges,

      hinab in das spiegelklare Wasser,

      und schaute tiefer und tiefer –

      bis tief, im Meeresgrunde,

      anfangs wie dämmernde Nebel,

      jedoch allmählich farbenbestimmter,

      Kirchenkuppel und Türme sich zeigten,

      und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt,

      altertümlich niederländisch,

      und menschenbelebt.

      Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt,

      mit weissen Halskrausen und Ehrenketten

      und langen Degen und langen Gesichtern,

      schreiten über den wimmelnden Marktplatz,

      nach dem treppenhohen Rathaus,

      wo steinerne Kaiserbilder

      Wacht halten mit Zepter und Schwert.

      Unferne, vor langen Häuser-Reihn,

      mit spiegelblanken Fenstern,

      stehn pyramidisch beschnittene Linden,

      und wandeln seidenrauschende Jungfraun,

      ein gülden Band um den schlanken Leib,

      die Blumengesichter sittsam umschlossen

      von schwarzen, sammtnen Mützchen,

      woraus die Lockenfülle hervordringt.

      Bunte Gesellen, in spanischer Tracht,

      stolzieren