DAS DING AUS DEM SEE. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355361
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mit den Special Forces absolviert. Er sprach zwar nie darüber, war aber eindeutig ein wenig durchgeknallt zurückgekehrt. Eines Abends hatte er schließlich zwei Typen während einer Kneipenschlägerei schwer verletzt. Einer von ihnen hatte Verbindungen zum Polizeichef besessen und Carter war letzten Endes im Gefängnis gelandet.

      Als er wieder rauskam, hatte er sich einfach zurückgezogen, und zwar von allem, und jetzt führte er eine Bar irgendwo im Mittleren Westen. Aber das war noch nicht die ganze Geschichte. Denn Carter war vor Marcus mit Sara zusammen gewesen. Sie liebten sie beide, aber Carter war so lange weg gewesen, und eines hatte zum anderen geführt, und bevor er sich versehen hatte, war er mit ihr zusammen gewesen und hatte schließlich um ihre Hand angehalten.

      Marcus fühlte sich immer noch beschissen deswegen und fand, dass er eine Tracht Prügel dafür verdiente. Doch das Schlimmste daran war, dass sich sein Bruder nie beschwert hatte. Er hatte offenbar begriffen, dass er für Sara niemals so da sein könnte wie Marcus, und er wollte anscheinend nur, dass sie glücklich war – dass sie beide glücklich waren – und daher war er anscheinend froh, dass sie beide einander gefunden hatten.

      Deswegen kam sich Marcus wie ein Arschloch aus der Hölle vor, und das Ganze hatte zu einer nicht enden wollenden Peinlichkeit zwischen den Dreien geführt. Bis zum heutigen Tag hatte er nie erfahren, ob seine Beziehung mit Sara der wahre Grund für Carters Verschwinden gewesen war.

      Marcus seufzte und lehnte sich zurück. Er könnte jetzt die Hilfe seines Bruders brauchen, weil er wusste, dass manche Teile Russlands noch immer wie der Wilde Westen waren, und Carter war eine äußerst furchterregende Person mit den passenden Fähigkeiten, die das Ganze untermauerten.

      Er rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. Vielleicht würde ihm ja ein Weg einfallen, wie er ihn und auch einige seiner früheren Teamkameraden als Security-Team einstellen konnte.

      Während er über die Logistik nachgrübelte, machte er sich bewusst, dass das Problem mit Carter darin bestand, dass dieser wie eine Naturgewalt war. Manchmal wies man ihn auf ein Problem hin und er konnte es aus der Welt schaffen … er konnte es aber auch genauso gut verschlimmern. Er war zwar genauso klug wie Marcus, neigte aber dazu, die Dinge eher mit den Fäusten statt dem Verstand zu regeln.

      Marcus holte tief Luft, hob den Kopf und richtete seinen Blick auf Dimitri. »Noch etwas, was ich wissen muss?«, fragte er.

      Leonid nickte rasch.

      »Okay. Was?« Marcus setzte sich aufrecht hin.

      »Die Lichter«, sagte Leonid, ohne seine Pfeife aus dem Mund zu nehmen.

      »Lichter?« Marcus runzelte die Stirn.

      »Die Lichter«, wiederholte Leonid. »Unter dem Wasser.«

      »U-Boote? Taucher?«, fragte Yuri verwirrt.

      »Ich glaube nicht, dass hier noch U-Boote unterwegs sind.« Marcus hatte seine Hausaufgaben über den See gemacht. »Es gab 2008 oder vielleicht auch 2009, ein Team von Wissenschaftlern, die versucht haben, den Grund des Sees in zwei Mini-U-Booten zu erreichen. Sie sind fünf Stunden unten geblieben, die Hälfte der Zeit haben der Abstieg und die Rückkehr eingenommen. Aber sie haben es nicht geschafft, weil sie nicht tief genug runterkamen, und danach haben sie es nie wieder versucht.«

      »Weil ihnen da unten etwas Angst gemacht hat!« Leonid nickte verstehend.

      »Nein, ich glaube, sie waren einfach nicht gut genug vorbereitet«, antwortete Marcus.

      »Ihnen hatten noch ungefähr hundertfünfzig Meter gefehlt«, fügte Nikolai hinzu.

      Marcus lehnte sich zurück. »Da unten forscht keiner mehr. Zumindest nicht, dass ich wüsste.«

      »Ich glaube auch nicht, dass es Lichter von U-Booten oder Tauchern sind«, sagte Leonid nun. »Mein Vater hat mir erzählt, dass er sie schon als Junge gesehen hat, eines Nachts, als es sehr dunkel war, und er noch spät draußen auf dem See zum Fischen mit meinem Großvater war. Er sagte, dass tief unten etwas grün geglüht und sich bewegt hat. Das waren keine U-Boote damals.«

      Yuri neigte den Kopf, während er Marcus intensiv ansah. »Was ist denn mit diesen Fischen, die Licht erzeugen können? Da unten ist es schließlich sehr tief und dunkel genug.«

      »Nein, in den Tiefen des Baikal gibt es keine biolumineszenten Fische, von denen ich wüsste«, antwortete Marcus. »Warum sich Biolumineszenz nicht im Süßwasser entwickelt hat, ist tatsächlich etwas, das die Wissenschaftler schon seit Jahren vor ein Rätsel stellt.«

      »Weil der Ozean viel älter ist«, meinte Nikolai. »Diese Besonderheit zu entwickeln muss ziemlich lange gedauert haben.«

      »Das glaube ich auch«, stimmte ihm Marcus zu, und war von dem jungen Mann beeindruckt. »Eine wirklich gute Antwort.«

      »Also kein U-Boot, kein Taucher, keine leuchtenden Fische.« Jetzt nickte Yuri. »Dann kann es nur eine Sache gewesen sein.«

      Alle wandten sich ihm neugierig zu, und Yuri begann langsam zu grinsen, als er die Wodkaflasche nahm und sie hin und her schwenkte. Marcus kicherte, aber außer ihm tat das niemand.

      »Mein Vater war damals nüchtern«, sagte Leonid ruhig. »Denn er hat nie beim Fischen etwas getrunken.«

      »Ich habe Geschichten auch gehört«, warf Pavel ein. »Über Lichter und Menschen, die nicht kommen zurück. Ich aber glaube, hauptsächlich, wenn Eis weg ist. Vielleicht … Eis fängt sie manchmal.«

      Marcus wurde langsam ein wenig gereizt. »Hat jemand von euch die Lichter denn schon mal gesehen? Ich meine, persönlich, als ihr auf dem Wasser wart, oder von mir aus auch vom Land aus?«

      Leonid sah erschrocken hoch. »Niemand geht in den dunkelsten Nächten fischen. Vielleicht, weil niemand sie sehen will

      »Tja, ich bin mir sicher, dass in diesen dunkelsten Nächten einfach Boote auf dem See sind, und wenn man sich weigert rauszugehen, sieht man sie eben nicht«, antwortete Marcus.

      »Das glaube ich nicht«, widersprach ihm Leonid. »Selbst die Robben gehen nicht ins Wasser. Manchmal verlassen die Kolonien sogar ihre Felsplätze, um für ein paar Tage in die Wälder zu ziehen.«

      »Im Wald gibt es aber Bären und Wölfe.« Yuri runzelte die Stirn. »Das ist äußerst dumm.«

      »Vielleicht glauben sie, dass es dort weniger gefährlich ist als in diesen Nächten in der Nähe des Wassers.« Leonid hob das Kinn. »Sie wissen garantiert mehr als wir.«

      »Ach du liebe Zeit.« Marcus fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar, bevor er die Männer wieder ansah. »Es gibt nichts, was nicht wissenschaftlich erklärt werden kann … irgendwann.«

      Leonid schüttelte den Kopf. »Nicht diese Legenden.«

      »Legenden haben wir alle«, fügte Yuri leise hinzu.

      »Du weißt auch davon?«, fragte Marcus seinen Betriebsleiter. »Erzähl mir alles.«

      Yuri breitete die Arme aus. »Menschen verschwinden.« Er beugte sich vor. »Man nannte diesen Ort einst die Spukmühle.« Er warf den Kopf zurück und lachte. »Aber natürlich nur die abergläubischen Menschen in Sowjet-Zeiten.«

      »Aber jetzt doch nicht mehr, oder?« Marcus erkannte, dass keiner der Jakut-Russen seiner Meinung war. »Hört mal, das Wasser hier ist eiskalt und es gibt überall umhertreibendes Totholz. Der See ist so groß, dass er sogar Gezeiten und Strömungen hat. Wenn jemand hineinfällt, besonders nachts, dann bleiben ihm noch ungefähr dreißig Sekunden, um wieder rauszukommen, sonst …« Marcus zuckte mit den Achseln. »… verschwindet er.«

      »Nur, dass auch Menschen verschwinden, die einfach nur am Ufer entlang gehen. Sie verschwinden nicht beim Kanufahren, Schwimmen oder Fischen.« Nikolai beugte sich vor. »Mr. Stenson, wussten Sie, dass nur ein paar Jahre, nachdem die Mühle den Betrieb aufgenommen hatte, alle verschwanden? Und mit alle meine ich auch alle … die Arbeiter, die Betriebsleiter, sogar die Bootsbesitzer.«

      Marcus stöhnte leise auf. »Ja, ich habe darüber gelesen. Sie