DAS DING AUS DEM SEE. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355361
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habe schon befürchtet, dass dir das nie auffallen würde.« Er küsste sie erneut.

      KAPITEL 03

       9.000 Meter über dem Pazifischen Ozean

      

      Marcus saß auf seinem Fensterplatz in der Businessclass. Er hatte genug Platz, um seine ein Meter achtzig große Gestalt mit einem kleinen Hauch von Luxus auszustrecken. Auf dem Klapptischchen vor sich stand ein kühles Bier und er brummte leise vor sich hin, als er seinen Vertriebsplan durchblätterte. Sara hatte diesen für ihn zusammengestellt und es war eine tolle Zusammenfassung der Arbeit, die erledigt werden musste. Er enthielt sogar eine Beschreibung der Fischbestände, die er bald managen würde.

      Er wusste, dass ihm unter anderem seine frühere Arbeit an einem ähnlichen Zuchtprogramm daheim, mit gefährdeten Stören in den Becken der Großen Seen, bei der Zuschlagserteilung zum Vorteil gereicht hatte. Angesichts dessen, dass Störe bis zu einhundertzwanzig Jahre alt werden konnten und erst im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig geschlechtsreif wurden, war es ein Generationen-Programm, sofern er nicht irgendwann ein paar zusätzliche DNA-Marker für beschleunigte Reife hinzufügte. Sein Erfolg war eine weltweite Premiere und er hatte sich seine Methode sogar patentieren lassen.

      »Und dann kommt schließlich die Magie ins Spiel«, sagte er leise und brummte weiter vor sich hin.

      Dennoch lag jahrelange Arbeit vor ihm. Russland verstand das zum Glück und baute mehr auf den nachhaltigen Schutz der wertvollen Fische als auf schnelle Rendite.

      Die Verträge spiegelten das ebenfalls wider. Wenn er innerhalb von fünf Jahren bestimmte Leistungsziele erfüllen konnte, würde ihm eine konkurrenzfreie Lizenz über neunundneunzig Jahre erteilt. Das Ganze war ein Familien-Unternehmen, das ihn und seine Erben ein Jahrhundert lang reich machen würde.

      Er blätterte jetzt eine Seite seiner Notizen um, fand die Hintergrundinformation über den Fisch und überflog sie noch einmal. Er lächelte unwillkürlich. Es gab so viel zu tun, doch er freute sich auf jede Minute davon.

      Der Steward erschien jetzt mit dem Getränke-Trolley und er bat um noch ein Bier. Dieses Mal gab man ihm statt der üblichen getrockneten Nüsse in einem Kunststoffpäckchen eine kleine Käse- und Obstplatte. Wie nett, dachte er und verschlang alles in weniger als einer knappen Minute.

      Nachdem er sein Bier ausgetrunken hatte, sank Marcus in seinen Sitz zurück. Er schloss die Augen und ließ sich vom Alkohol und seiner guten Laune davontragen.

      ***

      Marcus erwachte erst wieder, als das Flugzeug bei der Landung durchgerüttelt wurde, und stöhnte leise, als er sich aufsetzte und seinen steifen Nacken massierte. Eine seiner Gesichtshälften war voller Speichel und er blickte sich schnell mit geschwollenen Augen um, um zu sehen, ob ihn jemand beobachtet hatte, während er alles sauber wischte.

      Dann beugte er sich vor, um aus dem kleinen, ovalen Fenster auf das frühmorgendliche Moskau zu schauen. Die Stadt war grau, neblig und genauso, wie er sie in Erinnerung hatte … und der Flughafen war geschäftig, modern und ebenso überfüllt wie jeder andere.

      Er sah auf die Uhr und seufzte. Er musste dringend einen weiteren Flug nach Irkutsk erwischen und dann einen Zug in die historische Gemeinde Listvyanka nehmen.

      Marcus hatte Monate damit zugebracht, Russisch zu lernen, und kam bei den meisten Gesprächen einigermaßen zurecht. In Moskau sprachen zwar viele Menschen Englisch, aber sobald man sich weiter aus der Stadt herausbewegte, war man ohne dortige Sprachkenntnisse oder einen Übersetzer auf sich allein gestellt.

      Am Abend kam er endlich an und war zu dieser Zeit seit fast zweiundvierzig Stunden ununterbrochen unterwegs. Mit fünfunddreißig war er zwar noch recht jung und fit, aber im Moment fühlte er sich wie hundert, und alle Knochen, Gelenke und Muskeln in seinem Körper schmerzten.

      Er stand jetzt auf der Hauptstraße von Listvyanka und atmete die schneidend kalte Luft ein, die in seiner Nase kribbelte und als geisterhafte Wolke von seinen Lippen wich. Im Sommer waren die Felder, die die Stadt umgaben, herrlich grün und der klare Sonnenschein ließ die Pastellfarben der Gebäude hervorstechen wie eine Bleistiftzeichnung. Doch heute, im schwindenden Licht und unter einem schiefergrauen Himmel, war das Gras braun und der See schimmerte in der untergehenden Sonne wie bitteres Quecksilber.

      Nach einigen weiteren Minuten fand Marcus endlich das Belka, sein Hotel, und schleppte seine Koffer durch die Tür, wo er augenblicklich vom luxuriösen, heißen Atem einer Heizung begrüßt wurde. Das sorgte dafür, dass er sich entspannte und sofort schläfrig fühlte.

      Das Hotel war innen sehr modern und im Moment recht leer. Während er darauf wartete, dass ihn eine effiziente junge Frau eincheckte, konnte er erkennen, dass sich im Nebenraum eine Bar und ein Restaurant befanden. Er ging ein paar Schritte, um hinein zu spähen.

      »Privetstvuyu g-na Gollivud!«

      Marcus grinste und die Rezeptionistin sah zu ihm auf. Yuri Revkins herzliche und laute Anrede – »Grüß Gott, Mr. Hollywood!« – war sein üblicher Scherz über Marcus gutes Aussehen, doch er würde wetten, dass jeder Amerikaner, den der große Russe traf, dieselbe Neckerei aushalten musste.

      Marcus drehte sich um und winkte. Der Mann hielt ein Bier in die Höhe und zeigte darauf. Marcus war todmüde, und am nächsten Morgen wollten sie bereits recht frühzeitig aufbrechen, doch er glaubte, dass er es trotzdem verkraften würde, einen Happen zu essen, ein Bier zu trinken und mit seinem Freund und neuen Betriebsleiter zu plaudern.

      Er zeigte auf seine Koffer. »Ich bringe die zuerst in mein Zimmer, aber dann komme ich runter.« Er hielt fünf Finger in die Höhe.

      »In Ordnung.« Der große Russe klatschte in die Hände und rief dem Barmann zu, dass dieser zwei weitere Biere einschenken sollte, plus einen Wodka für jeden von ihnen, gegen die Kälte.

      Marcus nahm seinen Schlüssel entgegen und zerrte seine Koffer dann die Treppen hinauf. Als er sein Zimmer gefunden hatte, schloss er auf und drückte die Tür mit der Schulter auf. Innen war alles ordentlich und sauber, und es gab ein Fenster, das auf den See hinausblickte. Er stellte sein Gepäck ab und ging kurz ins Badezimmer. Dort stützte er sich auf das Waschbecken auf und starrte sein Gesicht an. Er hatte rotgeränderte Augen, war blass und sah vollkommen fertig aus – also praktisch genauso, wie er sich gerade fühlte.

      Er wusch sich schnell das Gesicht, wechselte sein Shirt und ging dann wieder hinunter, um seinen Freund zu treffen.

      Er betrat den Barraum, der nach Zigarettenrauch, Fisch, abgestandenem und frischem Bier und einem beliebten russischen Aftershave mit Pinienwaldgeruch roch, von dem er aus eigener Erfahrung wusste, dass es wie Feuer brannte. Sein Freund sprang sofort auf und breitete seine Albatros-großen Arme aus.

      Marcus grinste. »Kamerad.«

      Genau wie Yuri aus Spaß behaupte, dass jeder Amerikaner aus Hollywood kam, zog Marcus Yuri gern damit auf, dass jeder in Russland ein alter Kommunist war. Der große Mann zog ihn in eine Umarmung, dann drückte er ihn auf seinen Stuhl und schob ihm ein riesiges Yarpivo-Bier und ein weiteres Glas zu, das bis zum Rand mit ölig aussehendem Wodka gefüllt war.

      Marcus war momentan nicht wirklich nach so etwas, aber zum Teufel, er würde so oder so binnen einer Stunde einschlafen. Also hob er zuerst den Wodka.

      »Nasdarovje

      Yuri tat es ihm gleich und trank den Wodka in einem Zug aus. Er knallte das leere Glas auf den Tisch und bestellte noch einen. Er sah Marcus mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an, doch dieser schüttelte den Kopf.

      »Nur ein Bier, ich will morgen früh aufwachen.«

      Er nahm sein riesiges Glas, hob es zum Zuprosten in die Höhe und trank dann hastig. Das russische Bier war stark, erdig vom Hopfen und er schmeckte außerdem einen Hauch von etwas wie Zimt. Es war sehr gut, deshalb nahm er noch einen weiteren Schluck. Plötzlich spürte er, wie dehydriert er von der langen Reise und der trockenen