Liebe kennt keine Logik. Sima G. Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sima G. Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956093227
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      Hauptsache, sie wirft damit nicht noch nach mir. Meine Gedanken waren natürlich reichlich überzogen. Aber irgendwie traute ich der kleinen Rotznase mittlerweile alles Mögliche zu. Ich dachte noch daran, ob ich vielleicht versuchen sollte zu intervenieren. Oder sollte ich besser gehen? Es sah nämlich nicht danach aus, als würde Lotta mich heute noch in ihr Herz schließen. Und ihrer reizenden Mama dürfte jetzt auch die Lust auf – ja, worauf eigentlich? – vergangen sein. Ich drehte mich immer mehr im Kreis.

      Kirsten wandte sich Rosi zu, die ihr noch immer lächelnd erklärte: »Es ist wirklich nicht so wild, dass ich das nicht auch allein schaffen würde. Deshalb habe ich Lotta in den Laden geschickt, damit sie sich aufwärmen und ein bisschen lesen kann.«

      Lesen? Ich war etwas verwirrt. Der kleine Bücherladen war doch keine Bibliothek, wenn ich mich nicht irrte. Gehörte er zu Rosi? Und wer war die Frau eigentlich? Eine Verwandte der beiden Kramers?

      Meine Irritation schien mir auf der Stirn zu stehen, weil Kirsten mir ungefragt antwortete. »Es ist mehr ein Lesecafé, aber man kann hier auch Bücher kaufen, spenden oder tauschen, wenn man das möchte.«

      »Ah, ich verstehe.« Ich nickte dazu. »Und was machen wir jetzt?« Ich warf einen Blick in die Glühweintasse, als wäre es eine Glaskugel, die mir die Apokalypse prophezeite. »Vielleicht sollte ich mich verabschieden«, murmelte ich. Eigentlich war es leise genug, aber offenbar laut genug für Lottas Ohren.

      »Gute Idee«, zischte sie nämlich zu mir herüber.

      »Lotta, das reicht!« Kirsten schien nun endgültig der Kragen zu platzen. »Geh zurück in den Laden. Darüber sprechen wir nachher noch.« Eine kleine Zornesfalte bildete sich über ihrer Nasenwurzel.

      Ich merkte, dass ich hier nicht ganz im Bilde war. Glaubte ich bislang, dass Lotta ein Problem ausschließlich mit mir hatte, weil ich sie beim Diebstahl erwischt hatte, so kamen mir allmählich Zweifel.

      Und dann platzte es aus dem Kindermund heraus, dass mir vor Schreck die Kinnlade nach unten klappte: »Sie wird dir wehtun, Mama, genau wie Jacky. Und ich kann sie nicht ausstehen!« Bevor noch irgendwer darauf hätte etwas erwidern können, machte Lotta auf dem Absatz kehrt und stapfte wutentbrannt ins Lesecafé zurück.

      Wow. Vom Temperament her schienen die beiden sich in nichts nachzustehen. Ich wusste nicht, ob es Entsetzen oder Verblüffung war, dass ich sekundenlang auf die Stelle starrte, auf der eben noch Lotta gestanden hatte.

      »Es tut mir leid«, flüsterte Kirsten.

      Ich klappte meinen Mund wieder zu und schaute sie an. Ihre Arme hingen schlaff an ihr herunter, und sie wirkte unfassbar betrübt, dass ich sie am liebsten getröstet hätte. Aber ich fühlte mich einfach nur hilflos. Und das Einzige, was mir wie ein Orkan durch den Kopf schoss, war: Kindermund tut Wahrheit kund.

      Sie strich mir kurz über die Hand, die immer noch die Tasse umklammert hielt. Ich erschauerte. Dann nickte sie mir mit einem bedauernden Lächeln zu und verließ mich. Einfach so!

      Wie ein Depp stand ich da, zumindest fühlte ich mich wie einer. Ich konnte den Blick nicht von meiner Hand lösen, weil ich noch immer Kirstens zarte Berührung darauf spürte. Es kostete mich einiges an Überwindung, überhaupt erst mal die Tasse abzustellen, bevor der Glühwein noch ein weiteres Mal aus seinem Behältnis schwappte. Es reichte ja schon, dass er erneut kalt geworden war. Aber mir war der Appetit sowieso vergangen.

      Zögernd hob ich den Kopf. Die Frau am Bücherstand – Sandra hieß sie, wenn ich mich recht erinnerte – tat sehr geschäftig und stapelte die Bücher von einer Seite zur anderen. Ein System konnte ich da nicht erkennen, vermutlich weil es keins gab. Es glich eher einer Beschäftigungstherapie.

      Als eine potentielle Kundin vor ihrem Stand stehenblieb, strahlte Sandra übers ganze Gesicht. Nicht, weil sie die Frau kannte, nein, davon ging ich nicht aus. Sie schien einfach nur froh zu sein, dass ihr eine Alternative geboten wurde, um sich abzulenken. Und dabei war ich doch diejenige, die hier in eine unangenehme Situation geschlittert war.

      Ich beobachtete sie ein Weilchen, während ich krampfhaft darüber nachdachte, was ich jetzt tun sollte. Doch urplötzlich schaute sie an der Kundin, die sich gerade in ein Buch vertieft hatte, vorbei, und unsere Blicke trafen sich. Ich konnte ihren nicht richtig deuten, weil die bunte Dekobeleuchtung seltsam anmutende Schatten auf ihr Gesicht warf. Doch eines konnte ich dann doch erkennen, nämlich dass ihr Blick, mit dem sie mich bedachte, nicht gerade freundlich war. Vielmehr musterte sie mich argwöhnisch. Was hatte ich denn nur verbrochen? Ich fühlte mich zunehmend unwohl in meiner Haut.

      Rosi vom anderen Stand schien wenigstens ein aufmunterndes Lächeln für mich übrig zu haben.

      Ich sammelte die beiden noch halb gefüllten Glühweintassen ein und ging zu ihr hinüber. »Es liegt definitiv nicht am Geschmack, dass ich . . . ähm, wir nicht ausgetrunken haben«, entschuldigte ich mich etwas verlegen.

      »Ich weiß.« Rosi lachte leicht und räumte die Tassen vom Tresen. »Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte sie. »Aber Lotta hängt sehr an ihrer Mutter. Es ist für beide nicht leicht, nach allem . . .« Abrupt verstummte sie.

      Sicherlich hatte sie nicht vorgehabt, dieses Thema überhaupt anzusprechen. Ich war schließlich nur eine Fremde, die mal kurzzeitig auf der Bildfläche erschienen war, aber den Ansprüchen eines Beinahe-Teenagers ganz offensichtlich nicht gerecht wurde.

      »Unsere erste Begegnung war einfach nicht die beste.« Ich suchte für mich selbst nach der einzig logischen Erklärung, obgleich ich doch ahnte, dass dies womöglich nicht der Hauptgrund war.

      »Sie sind die Detektivin vom Arabella, nicht wahr?« Es wirkte fast so, als ob Rosi mich nun mit noch mehr Interesse unter die Lupe nahm.

      »Stimmt«, erwiderte ich überrascht.

      »Ja«, Rosi nickte bedächtig. »Ich hab von der Sache mit dem Wecker gehört.« Ihre faltigen Mundwinkel zuckten amüsiert.

      Ich blickte sie verständnislos an. Was war denn daran so lustig?

      Sie schien es bemerkt zu haben. Entschuldigend hob sie die Hand. »Dass Lotta gestohlen hat, ist natürlich nicht in Ordnung. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen.«

      Das Aber? lag mir schon auf den Lippen, doch ich sprach es nicht aus. Mein Blick schwenkte wehmütig zu der kleinen Eingangstür des Bücherladens, hinter der zuerst Lotta und kurz darauf auch Kirsten verschwunden waren. »Ist das Ihr Geschäft?«, fragte ich.

      Rosi schüttelte den Kopf. »Nein, nicht mehr. Ich helfe hier nur immer mal wieder aus, wenn Not an der Frau ist.« Sie schmunzelte.

      Ich wartete darauf, dass sie weitersprach, aber sie tat es nicht. Doch nun war meine Neugier geweckt. Wenn Kirsten mich hier ohne Erklärung schon stehengelassen hatte, dann musste ich eben ganz nach Detektivmanier selbst nachfragen. »Dann gehört also Sandra der Laden?«

      Ich nickte in deren Richtung, wodurch mir auffiel, dass Sandra sich mit der Kundin zwar über ein bestimmtes Buch unterhielt, sie mich aber weiter mit Argusaugen regelrecht verfolgte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Es war allzu offensichtlich, dass die Frau mir nicht über den Weg traute.

      »Sandra?« Rosi wischte mit dem Lappen beherzt über die Theke. Ihr Mund verzog sich dabei zu einem schmalen Strich. »Na ja, sie . . .«, setzte sie gerade an, als ein älteres Paar neben mir auftauchte. »Guten Abend«, begrüßte sie die beiden freundlich. »Glühwein, Gebäck oder beides? Was kann ich für Sie tun?«

      Ich rückte ein Stück zur Seite, um Platz zu machen. Verstohlen blickte ich zu Sandra, weil ich mir nicht sicher war, ob sie etwas mitbekommen hatte. Die schenkte der Kundin, die tatsächlich ein Buch gekauft zu haben schien, zum Abschied ein Lächeln. Doch das Lächeln wirkte auf mich wie eingefroren. Und als spürte sie meinen Blick, ruckte ihr Kopf nach links. Ihre Augen feuerten Blitze ab, die eindeutig mir galten. Der feindselige Ausdruck verursachte bei mir eine Gänsehaut, die wie Eisregen über meinen Rücken wanderte.

      Mit einem Schlag erlosch der Ausdruck, und das aufgesetzte Lächeln kehrte zurück. Und dann verstand ich auch