Liebe kennt keine Logik. Sima G. Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sima G. Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956093227
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Kirsten meinen Humor teilte.

      Das tat sie offensichtlich, denn sie warf lachend den Kopf in den Nacken. »Das kann ich verstehen«, japste sie nach Luft schnappend. »Obwohl Rosi sich gewiss gefreut hätte. Sie war sehr angetan von dir.«

      Bitte? Ich glaubte, mich verhört zu haben. Dementsprechend dumm guckte ich wahrscheinlich auch aus der Wäsche.

      »So habe ich das nicht gemeint.« Kirsten grinste belustigt. Sie hatte mich erwischt.

      Ich rang verzweifelt mit mir, um nicht rot zu werden. »Puh, da habe ich ja noch mal Glück gehabt«, witzelte ich. Ich fächelte mir mit der Hand Luft zu, nur um sicherzugehen, dass sich meine Gesichtsfarbe nicht doch noch entscheidend verändern würde.

      Das war gar nicht so leicht, weil Kirsten mich mit geradezu aufreizender Intensität musterte. Wir sahen uns eine Weile schweigend an, keine Ahnung, wie lange. Die Kaufhausbesucher strömten links und rechts an uns vorbei. Doch dafür hatte ich keinen Blick übrig. Wie gern hätte ich Kirsten einfach geküsst und an ihren sinnlichen Lippen geknabbert. Es wäre mir egal gewesen, dass der Ort hier mein Arbeitsplatz war und mich eine Menge Leute kannten.

      Gerade noch rechtzeitig merkte ich, dass ich mich ihrem Mund gefährlich genähert hatte. Wollte Kirsten mir denn nicht Einhalt gebieten? Ich kämpfte gegen das tiefe Verlangen an. Wirklich, ich gab mir die größte Mühe, mich zu beherrschen. Hatte ich mir bei Kirsten nicht eben noch vorgenommen, nichts zu überstürzen? Das Seufzen, das aus meiner Kehle drang, war eine Spur zu laut geraten, selbst an einem Ort wie diesem.

      Ich lächelte peinlich berührt und straffte die Schultern. »Ich könnte dir meine Telefonnummer geben, falls du noch etwas Zeit brauchst.«

      »Zeit wofür?«, fragte sie mich leise.

      Jetzt hatte sie mich aber so richtig durcheinandergebracht. »Na, um zu entscheiden, wann und wo wir uns treffen wollen«, erklärte ich eilig. Meine Gehirnzellen leisteten Akkordarbeit, bis es Bing machte und mir klar wurde, dass ich mich wohl ziemlich zweideutig ausgedrückt hatte. Ganz unbewusst selbstverständlich.

      »Ach so . . . natürlich.« Kirsten dehnte die wenigen Worte künstlich in die Länge. Ein freches Glitzern ließ ihre braunen Augen aufleuchten.

      Mein ganzer Körper schien mit einem Mal zu schwingen, und ich konnte kaum mehr ruhig stehen, als würde der Boden sich unter meinen Füßen auflösen. Ich fühlte mich wie ein Bumerang, der um sich selbst kreiste und zu seinem Ausgangspunkt zurückflog. Immer noch stabil genug, um nicht umzukippen. Doch wer war denn hier nun die Katze und wer die Maus?

      Nervös nestelte ich in der Innentasche meines Blazers herum, auf der Suche nach meinem Handy. Mist, ich hatte es im Büro liegenlassen. »Hast du dein –« Weiter kam ich nicht.

      »Hab ich«, kam Kirsten mir zuvor. Ihre schlanken Finger schlüpften gekonnt in die kleine, süße Handtasche, die mir schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen war. Schließlich zog sie ihr Handy heraus, tippte ein paarmal darauf herum und schaute mich dann erwartungsvoll an.

      Ich war heilfroh, dass ich vor lauter Aufregung nicht meine eigene Telefonnummer vergessen hatte. Die Zahlen sprudelten aus mir heraus, sodass Kirsten kaum hinterherkam.

      Sie lächelte ganz still vor sich hin, während sie die Nummer abspeicherte. Dann ließ sie das Handy in ihre Tasche zurückgleiten und blickte wieder zu mir auf. »Ich melde mich«, hauchte sie. Ihre Finger berührten meinen Arm und verweilten einen Moment unterhalb meines Ellenbogens. Es war so zart, dass es kaum zu spüren war. Und doch setzte mich die Berührung in Brand.

      Doch zu meinem Leidwesen hatte Kirsten nicht vor, die Feuerwehr zu spielen. Sie zog ihre Hand zurück und lächelte geradezu scheu. »Auf Wiedersehen, Fanny«, sagte sie noch.

      Ich quälte mich zu einer ebensolchen Verabschiedung, während mein Herz schrie: Bleib doch noch!

      Selbst als Kirsten längst aus meinem Blickfeld verschwunden war, stand ich noch minutenlang im Eingangsbereich herum, als hätte ich die Orientierung verloren.

      Nun, das war vermutlich gar nicht so weit hergeholt.

      4

      Ich wartete drei Tage lang auf eine Nachricht von Kirsten, doch sie meldete sich nicht. Derweil wurde ich von allen möglichen Gedanken heimgesucht, die sich wie Ungeziefer in meinem Kopf einnisteten. Sie hat sich meine Nummer falsch notiert . . . Ihr ist etwas zugestoßen . . . Sie hat es sich anders überlegt . . .

      Die Ungewissheit machte mich bald wahnsinnig. Klar, ich hatte ihre Adresse, und ich könnte einfach zu ihr fahren, um mir Klarheit zu verschaffen. Aber dazu konnte ich mich nicht durchringen. Wie sähe das denn aus? Wir kannten uns doch kaum. Und übermorgen war Heiligabend. Okay, das war nicht der Kirchenglocke letzter Schlag, aber mit jeder Minute, die verging, schwand meine Hoffnung. Sie versank irgendwo in den Tiefen der Dunkelheit.

      Mein Gott, bist du melodramatisch, lästerte die innere Stimme in mir. Dann geh doch zu ihr in den Laden oder am besten gleich zu Rosi. Fast meinte ich zu hören, wie mein Alter Ego sich ins Fäustchen lachte.

      »Du kannst mich mal kreuzweise«, brummelte ich.

      Kurz darauf hatte ich beschlossen, die Freundschaft zu meinem zweiten Ich vorübergehend auf Eis zu legen. Aber ein solches Verhalten konnte ich nun wirklich nicht ungestraft lassen. Ich blickte dabei in den Spiegel und zog eine Grimasse.

      »Ich bin verrückt geworden«, stellte ich nach einer Weile fest. Kopfschüttelnd wandte ich mich von meinem Spiegelbild ab.

      Aber vielleicht war die Idee, mal so ganz zufällig im Lesecafé vorbeizuschauen, gar nicht so schlecht. Ich hob warnend den Zeigefinger in die Luft, als sich die Stimme in meinem Kopf erneut mit einem unqualifizierten Kommentar zu Wort melden wollte. »Sei bloß still«, knurrte ich.

      Alle Bedenken beiseiteschiebend warf ich mir den Mantel über und verließ die Wohnung. Ich steuerte direkt auf den Weihnachtsmarkt zu. Dort drehte ich ein paar Runden, ohne dass ich mich meinem eigentlichen Zielort entscheidend näherte. Stattdessen blieb ich an dem mir schon bekannten Stand mit den Mützen, Handschuhen und Schals hängen.

      Die Verkäuferin erkannte mich anscheinend sofort wieder, denn statt einer Begrüßung sagte sie: »Die rote oder doch die schwarze Mütze?« Dazu blinzelte sie mich wissend über die Ränder ihrer Brille hinweg an.

      Allmählich fragte ich mich, ob ich es hier mit einer eingeschworenen Gemeinschaft zu tun hatte, die streng darüber entschied, ob sie neue Mitglieder in ihren Kreis aufnahm oder nicht.

      Ich verzog meinen Mund zu einem schiefen Grinsen. »Wenn ich das wüsste . . .«, sagte ich.

      Ein bisschen hatte ich ja gehofft, dass die Frau mir bei meiner Entscheidungsfindung behilflich sein würde. Da dem aber offensichtlich nicht so war, griff ich nach der schwarzen Schirmmütze, die Kirsten so unverschämt gut gestanden hatte. Anscheinend hatte sich noch keine andere Käuferin dafür gefunden, als wäre die Mütze ausschließlich für Kirsten bestimmt. Ich drehte sie in meinen Händen und fühlte den weichen Stoff.

      Als ich mich schon entschieden hatte, schob mir die Verkäuferin noch eine ähnliche Mütze zu, nur eben in Rot. Sie gefiel mir sehr, und ich stellte mir vor, wie verführerisch sie zu Kirstens blondem Haar passen würde. Je nachdem, wie das Licht fiel, hatte ich nämlich auch schon einen leichten Rotschimmer darin entdeckt.

      Doch ehrlich gesagt fühlte ich mich jetzt ein wenig überfordert. Mir war natürlich klar, dass die Frau hinter dem Tresen hier eine clevere Verkaufstaktik an den Tag legte. Unentschlossenen Kunden, die aber nicht mit leeren Händen vor der Dame ihres Herzens aufkreuzen wollten, konnte man so natürlich hervorragend das Geld aus der Tasche ziehen.

      Ich zwinkerte ihr verschmitzt zu. Was soll’s, dachte ich mir. »Wissen Sie was, ich nehme einfach beide.«

      Die Frau lächelte glücklich. »Gute Wahl«, zwitscherte sie, und schwupp landeten beide Mützen in einer Papiertüte mit kleinen Weihnachtsengeln drauf.

      Na großartig! Sollte