Liebe kennt keine Logik. Sima G. Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sima G. Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956093227
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Und außerdem schien nur ich mir Gedanken darüber zu machen, denn die Verkäuferin strahlte mich so herzlich durch ihre Brillengläser an, dass es mir ganz automatisch ein Schmunzeln entlockte.

      Als ich ihr noch einen schönen Tag wünschte und mich schon zum Gehen wandte, sagte sie noch: »Damit machen Sie ihr bestimmt eine große Freude.«

      Überrascht hielt ich in meiner Bewegung inne. »Nun, ich hoffe sehr, dass Sie recht behalten«, erwiderte ich schließlich. Mit einem Lächeln auf den Lippen ging ich endgültig weiter.

      Während ich nun doch zielorientierter den Weihnachtsmarkt verließ und durch die Einkaufspassage schlenderte, unternahm ich ein paar klägliche Versuche, die Papiertüte irgendwo an meinem Körper und unter meinem Mantel zu verstauen. Doch das war natürlich aussichtslos, wenn ich nicht wie eine aufgeblähte Weihnachtskugel aussehen wollte, die auch noch bei jeder Bewegung raschelte.

      Ich war so sehr damit beschäftigt, dass ich gar nicht merkte, dass ich inzwischen auf dem Hinterhof angelangt war. Kurz durchzuckte mich noch der Gedanke, schnell wieder kehrtzumachen, bevor mich noch jemand bemerkte.

      Doch es war bereits zu spät. Rosi hatte mich schon gesehen und winkte mir lächelnd zu. Ich hob die Hand und grüßte zurück. Unruhig blickte ich mich in alle Richtungen um und ertappte mich dabei, dass ich erleichtert aufatmete, weil ich weder Kirsten noch Lotta entdecken konnte. Und das, obwohl ich doch nur aus einem einzigen Grund hierhergekommen war. Aber ich hätte mir vorher mal eine Strategie überlegen sollen, anstatt hier einfach so aufzukreuzen.

      Ich stieß einen stillen Fluch aus, dann setzte ich einen Fuß vor den anderen. Nun war ich einmal hier, und so erwartungsvoll, wie Rosi mir entgegenblickte, wäre es verdammt unhöflich, einfach wieder zu gehen.

      »Wie geht es Ihnen, Hüterin des Arabella?«, fragte Rosi mich augenzwinkernd, als ich an ihrem Stand angekommen war.

      Meine Lippen kräuselten sich zu einem leichten Schmunzeln. Rosi schien eine wahre Frohnatur zu sein. »Na ja . . .« Ich blickte kurz zum zweiten Verkaufsstand hinüber und stellte zu meiner Überraschung erst jetzt fest, dass anstelle von Sandra heute ein junger Mann die Bücher feilbot. Schulterzuckend wandte ich mich wieder Rosi zu. »Ganz gut«, log ich, wohlwissend, dass das nicht der Wahrheit entsprach.

      Aber was sollte ich ihr darauf auch antworten? Ich konnte ihr ja schlecht mein Herz ausschütten. Dennoch fühlte ich mich der Lüge überführt, weil Rosi mich mit einem nachdenklichen Blick musterte. Das war mir unangenehm, und ich schaute beschämt nach unten auf meine Schuhspitzen.

      »Oh, Sie waren Geschenke einkaufen«, überspielte Rosi mein Dilemma gekonnt, als wüsste sie ganz genau, wie es um meinen Gemütszustand bestellt war.

      Dankbar schaute ich wieder auf. Ich hob die Einkaufstüte in die Höhe und ließ sie an meiner Hand baumeln. »Ja, das kann man so sagen«, erwiderte ich lächelnd. »Aber das war sehr spontan und überhaupt nicht geplant.« Wie auch mein Besuch hier, fügte ich gedanklich hinzu.

      »Spontane Einkäufe sind manchmal die besten.« Rosi bedachte mich mit einem warmherzigen Lächeln, während sie für die Kundin neben mir ein paar Plätzchen in einer Schachtel verstaute. »Letztlich ergibt es trotzdem einen tieferen Sinn, warum man das gemacht hat.« Sie lachte beherzt auf und reichte der Kundin die Schachtel. Die Dame nickte zustimmend, weil sie offensichtlich derselben Meinung war.

      Ich nickte ebenfalls. Rosi hatte recht. In meinem Fall wahrscheinlich ganz besonders.

      Als die Kundin gegangen war, sagte sie: »Ich nehme an, Sie sind nicht wegen einer Tasse Glühwein hier?« Rosi hatte keine Miene verzogen, aber ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Verschmitztes.

      »Ähm, nein.« Ich war zu überrumpelt, um mehr zu sagen. Vielmehr musste ich daran denken, was ich Kirsten bei unserer letzten Begegnung gesagt hatte. Und nun stand ich hier, obwohl es doch hätte ganz anders laufen sollen.

      Rosi wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und warf einen prüfenden Blick auf die Temperaturanzeige des Glühweinerhitzers. »Möchten Sie lieber einen Kaffee? Dann kann ich Ihnen ein Weilchen Gesellschaft leisten. Natürlich nur, wenn Sie Ihre kostbare Zeit mit einer alten Oma wie mir vertrödeln wollen.« Wieder zeigte sich dieses schelmische Lächeln auf ihrem Gesicht.

      »Danke, das Angebot nehme ich sehr gern an.« Ich zwinkerte ihr mit einem Auge zu. »Und Sie sind doch keine alte Oma. Also ehrlich mal . . .«

      Sie hob lachend den Zeigefinger, als wollte sie mich tadeln. »Schon gut, schon gut. Genug der Schmeichelei.« Kichernd wie ein junges Mädchen trat sie durch die Seitentür ihres Verkaufsstandes nach draußen. »Marcel«, rief sie. Der junge Mann am Bücherstand blickte zu ihr herüber. »Kannst du dich mal ein paar Minuten mit darum kümmern? Ich möchte mit der reizenden Dame hier einen Kaffee trinken.« Sie schmunzelte mich an. »Das ist übrigens mein Enkel. So viel dazu, dass ich keine alte Oma bin.«

      »Klar doch, kein Problem, liebste Omi«, sagte er mit einem frechen Grinsen. Das schien irgendwie in der Familie zu liegen.

      »Sehen Sie? Er erinnert mich tagtäglich daran, dass meine Daseinsberechtigung auf dieser Welt stetig abnimmt.«

      Lachend schüttelte ich den Kopf. Rosis Humor gefiel mir. Und irgendwie fühlte ich mich mittlerweile gar nicht mehr so fehl am Platz. Dennoch wurde es mir schlagartig mulmig, als ich registrierte, dass Rosi direkt auf die Tür vom Lesecafé zusteuerte. Ach du Schande, was ist, wenn ich da drinnen auf Kirsten treffe? Das mulmige Gefühl verwandelte sich mit jedem Schritt in so etwas wie Panik. Mir brach der Schweiß aus.

      Entweder bemerkte Rosi das nicht oder sie ignorierte es geflissentlich. Wir betraten das Café, ein hübsch eingerichteter und nicht zu groß geratener Raum, an dessen Wänden reihum prallgefüllte Bücherregale standen. Augenscheinlich herrschte hier das Prinzip einer optimalen Platzausnutzung, denn in der Mitte standen zerstreut ein paar Tische mit bequemen Sesselstühlen. Es gab auch eine separate Leseecke und auf der anderen Seite eine kleine Spieloase für Kinder.

      Es waren nur vereinzelte Besucher anwesend, sodass wir problemlos einen freien Tisch fanden. Rosi ließ mich zurück und ging vor zur Bar. Gewiss wollte sie den Kaffee gleich selbst holen. Zögernd ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, bis ich an der Theke angelangt war. Ich entdeckte Sandra, die gerade den Kaffeeautomaten bediente. Aber Kirsten schien nicht da zu sein. Die angestaute Luft pfiff regelrecht aus mir heraus. Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn fast gleichzeitig überfiel mich eine tiefe Unruhe. Wo war sie denn nur?

      Wenige Minuten später kehrte Rosi mit zwei großen Kaffeetassen an den Tisch zurück. »Ich hab gar nicht gefragt, ob Sie auch ein paar Kekse oder Kuchen dazu möchten.« Sie zuckte entschuldigend die Schultern.

      »Nein, nein«, wehrte ich ab. »Kaffee reicht mir vollkommen aus. Ich habe auch überhaupt keinen Hunger.«

      »Hm.« Rosi wirkte dennoch skeptisch. Sie schälte sich behände aus ihrer dicken Jacke, noch bevor ich ihr hätte behilflich sein können. Meine angestrebte Hilfsbereitschaft hatte sie offensichtlich trotzdem wahrgenommen – kein Wunder, ich war ja auch schon vom Stuhl aufgesprungen –, denn sie sagte: »Das kann ich noch ganz gut allein, aber danke.« Sie grinste vergnügt, mit deutlich nach oben verzogenen Mundwinkeln.

      »Glaube ich Ihnen aufs Wort«, erwiderte ich schmunzelnd. Ich setzte mich wieder. »Kirsten ist wohl gar nicht da?«, platzte meine Frage ein wenig übermotiviert aus mir heraus, noch bevor ich einen Schluck getrunken hatte.

      Rosi schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt da noch ein paar Sachen, die sie klären muss.« Ihr Blick drückte aufrichtiges Bedauern aus. »Sie ist aber ohnehin nicht oft im Laden, weil sie sich mehr um das Geschäftliche, also die Finanzen, Bestellungen, Buchführung und all den Kram kümmert. Und zu Hause hat sie dafür mehr Ruhe.«

      »Verstehe«, murmelte ich, ohne meine Enttäuschung gänzlich verbergen zu können. Ich hoffte jedoch, dass Rosi mich nicht für selbstsüchtig hielt. »Lotta ist ja auch in so einem Alter, da muss man als Mutter ganz schön hinterher sein«, fügte ich daher hinzu. Beinahe hätte ich deswegen aber in meinen Kaffee geprustet. Als ob ich auch nur den leisesten Schimmer davon