Liebe kennt keine Logik. Sima G. Sturm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sima G. Sturm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956093227
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musste ich denn auch den Erziehungsratgeber mimen. Ich seufzte in mich hinein, ehe ich antwortete: »Nein, ich . . . Es hat sich einfach nicht ergeben.« Das war zumindest nicht gelogen. Tatsächlich hatte ich mir aber nie Gedanken darüber gemacht. In meinem Alter hatte ich nicht mal eine einzige Beziehung vorzuweisen, die länger als drei Monate gehalten hatte, geschweige denn, dass Kinder ein Thema gewesen wären.

      »Ach was.« Rosi winkte ab. »Ich habe mich schon oft gefragt, wie mein Leben wohl ohne Kinder verlaufen wäre. Niemand kann einem das beantworten, ob es schlechter oder besser gewesen wäre. Definitiv aber anders.« Sie gluckste vor sich hin und schien in Erinnerung zu schwelgen, während sie mit dem Löffel in der Kaffeetasse rührte.

      Ich schwieg, um sie dabei nicht zu stören. Doch im nächsten Augenblick zog sie den Löffel aus der Tasse und legte ihn beinahe schwungvoll auf den Tisch. »Sie hatten gehofft, Kirsten hier zu treffen. Nicht wahr?«

      Es war ja nicht so, dass mein plötzliches Auftauchen nicht gleichzeitig eine logische Schlussfolgerung nach sich ziehen würde, und trotzdem war ich mir unsicher. »Ja, eigentlich schon«, murmelte ich. »Andererseits . . .« Ich sprach den Satz nicht zu Ende. Wie sollte ich Rosi das erklären, wenn ich selbst nicht einmal genau wusste, was ich mir von meinem Besuch hier erhofft hatte? Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Ich war einfach meinem Herzen gefolgt, obwohl mein Verstand mich aufzuhalten versucht hatte.

      Rosi nickte scheinbar abwesend. Aber ich wusste instinktiv, dass die ältere Dame mir gegenüber voll konzentriert war. »Das heißt also, Kirsten hat sich nicht bei Ihnen gemeldet?«

      Da war sie, die Schlussfolgerung, die mich trotzdem bis ins Mark traf. Kirsten hatte mit Rosi darüber gesprochen? Ich stöhnte innerlich auf. Konnte es denn noch peinlicher für mich werden? »Nein, hat sie nicht.« Resigniert ließ ich den Kopf sinken.

      Rosis faltige Hand legte sich auf meine. »Ach, Kindchen . . .«

      Kindchen? Ich blies die Backen auf, woraufhin Rosi leise lachte. Sie tätschelte meine Hand, was irgendwie beruhigend war, auch wenn ich das nie und nimmer zugeben würde.

      »Haben Sie ein bisschen Geduld mit ihr«, setzte Rosi fort. »Es ist momentan alles nicht so einfach für sie. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie ihr guttun, auch wenn Sie sich noch kaum kennen.«

      Erstaunt blickte ich auf. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich ahnte ja schon so etwas, dass Kirsten eventuell Sorgen und Probleme hatte. Aber die kurze Zeit, die wir miteinander verbracht hatten, da hatte sie ganz anders auf mich gewirkt, vor allem äußerst selbstbewusst. Sie hatte auf mich nicht den Eindruck gemacht, als würde irgendwas oder irgendjemand sie daran hindern können, eine getroffene Entscheidung durchzusetzen. Also warum hatte sie mir dann nicht wenigstens eine kurze Nachricht geschickt? Sie hätte unser Treffen verschieben können. Selbst eine Absage hätte ich eines fernen Tages vermutlich verdaut. Aber so gar nichts?

      Ich suchte nach Worten, die einer vernünftigen und verständnisvollen Reaktion gerecht wurden. Aber während ich noch vor mich hingrübelte, kam Sandra an unseren Tisch. Sie schaute nur Rosi an, während sie mich nahezu komplett ignorierte, als wäre ich gar nicht anwesend. Ihr Blick, als sie dann Rosis Hand auf meiner bemerkte, stieß pure Verachtung aus. Regelrecht erschrocken zog ich meine Hand zurück.

      »Kann ich dir noch irgendwas bringen?«, säuselte sie. Natürlich war die Frage nur an Rosi gerichtet.

      Rosi blickte Sandra ruhig in die Augen, doch sie war verärgert, wie ihre aufeinandergepressten Lippen verrieten. »Nein, ich brauche nichts weiter«, sagte sie schließlich. »Aber ich kann da nur für mich sprechen. Und wie dir sicherlich aufgefallen ist, sitze ich nicht allein an diesem Tisch.« Die Zurechtweisung in ihren Worten war nicht zu verkennen.

      Es stand außer Frage, dass Sandra das nicht entgangen war. Sie war außer sich vor Wut, auch wenn sie sich noch so gut zu verstellen versuchte. Ihr Gesicht formte sich zu einer süffisanten Grimasse, als sie sich nun mir zuwandte und mir dieselbe Frage stellte. Sie gab sich nicht mal die kleinste Mühe, mir gegenüber höflich zu sein. Dass sie mich – eine Fremde – einfach so duzte, war ein Beleg dafür. Ich lehnte dankend ab, ohne mir mein Unverständnis für ein solches Verhalten anmerken zu lassen.

      Nachdem Sandra wieder von dannen gezogen war, schüttelte Rosi den Kopf über sie. Als sie meinen fragenden Blick bemerkte, meinte sie: »Noch so ein Problemfall. Aber glauben Sie mir, das wollen Sie nicht hören.«

      Doch, das würde mich sehr interessieren, hätte ich fast gesagt. Aber dann wurde mir klar, dass Rosi nicht über Sandra reden wollte. Und ich wollte nicht neugierig erscheinen und mich da in etwas einmischen, was mich vermutlich überhaupt nichts anging. Daher entschied ich mich, den Faden unseres Gespräches wieder aufzunehmen, bevor wir so unfreundlich unterbrochen worden waren.

      »Sie meinen also, ich soll bei Kirsten einfach warten? Ich möchte sie ja auch nicht bedrängen. Aber sie war am Montag zu mir ins Kaufhaus gekommen. Das hätte sie nicht tun müssen.«

      Ein feines, verständnisvolles Lächeln umspielte Rosis Mundwinkel. »Ist das denn nicht schon mal ein gutes Zeichen, dass sie zu Ihnen gekommen ist?«

      Ich stutzte. Das stimmte natürlich. Aber umso mehr verwirrte mich das auch. »Sie haben sicherlich recht. Ich sollte wohl wirklich nicht so ungeduldig sein.«

      Rosi nahm einen letzten Schluck aus ihrer Kaffeetasse. »Also ich kann Ihre Ungeduld durchaus verstehen. Gefühle machen davor nun mal nicht halt.« Schmunzelnd stand sie auf. »Leider muss ich langsam mal wieder raus in meine kleine Bude, so gern ich auch noch weiter mit Ihnen plaudern würde.«

      »Natürlich.« Ich erhob mich hastig von meinem Stuhl. Hatte ich doch total die Zeit vergessen. Schnell kam ich um den Tisch herum, denn diesmal wollte ich Rosi zumindest in die Jacke helfen. Dadurch, dass ich nun hinter ihr stand, konnte ich wenigstens mein Gesicht vor ihr verstecken. Denn ich hatte das Gefühl, rot angelaufen zu sein, so heiß, wie sich meine Wangen anfühlten.

      »Vielen Dank, Fanny.« Rosi blinzelte mich über ihre Schulter hinweg spitzbübisch an.

      Ach, meinen Namen kennt sie also auch schon. Sollte mich das wirklich noch überraschen? Nein, wohl eher nicht.

      Auf dem Weg nach draußen verfolgten mich Sandras Blicke. Ich konnte es spüren, ohne es zu sehen. Fröstelnd kuschelte ich mich noch tiefer in meinen Mantel, als mir die kalte Winterluft entgegenschlug. Die Geschenktüte baumelte wieder an meiner Hand und wirkte wie ein Fremdkörper auf mich.

      »Was hat Sandra nur für ein Problem mit mir?«, fragte ich Rosi.

      Die blieb mitten auf dem Hof stehen und drehte sich zu mir um. Fragend zog sie die Augenbrauen hoch.

      Mein Arm wies hilflos in die Richtung, aus der wir gerade gekommen waren. »Ich meine, sie kennt mich doch gar nicht. Aber aus irgendeinem Grund scheint sie mich zu hassen.«

      Rosi neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Es schien, als dachte sie nach. »Sie sollten das nicht zu persönlich nehmen«, sagte sie dann.

      »Nicht persönlich nehmen ist gut. Wenn Blicke töten könnten, läge ich wahrscheinlich schon längst unter der Erde«, grummelte ich.

      Ein Lächeln huschte über Rosis Lippen. Sie kam wieder einen Schritt auf mich zu und fasste mich am Arm, der schlaff an meinem Körper herunterhing. »Sandra ist meine jüngste Tochter, und sie ist Teilinhaberin des Cafés«, ließ sie mich wissen.

      Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, Rosi auf Sandra anzusprechen?

      »Ich habe drei . . . drei Mädchen, stellen Sie sich das mal vor«, setzte Rosi schmunzelnd fort, obwohl ihr meine Reaktion sicherlich nicht entgangen war.

      »Es . . . tut mir leid«, stammelte ich. »Ich . . .«

      »Was, dass ich drei Töchter habe?« Rosi lachte herzlich. »So schlimm ist das nun auch wieder nicht.«

      Am liebsten hätte ich mir vor Scham die Hände vors Gesicht gehalten. »Nein, das meinte ich nicht. Es ist nur, ich wusste ja nicht, dass Sandra Ihre Tochter ist.« Ich zog eine gequälte Miene.

      »Natürlich