Vertragt Euch!. Nicole Wilde. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Wilde
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783954642106
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Hündinnen, die sehr verträglich miteinander sind. Aber im Allgemeinen ist es unwahrscheinlicher, dass Paare, die aus einem Rüden und einer Hündin bestehen, miteinander kämpfen.

      Viele Züchter und Tierheime versuchen, potenzielle Besitzer von der Idee, Wurfgeschwister zu sich zu nehmen, abzubringen. Teils ist das der Tatsache geschuldet, dass die Welpen wahrscheinlich extrem aneinander hängen werden, während sie aufwachsen. Dies stellt den Besitzer vor die Herausforderung, eine ebenso starke Verbindung zu ihnen zu schaffen, wie sie sie zueinander haben. Es kann auch schwierig sein, die Aufmerksamkeit zweier junger Welpen während der Trainingszeiten aufrecht zu erhalten und Gehorsam beim Einfordern von alltäglichen Benimmregeln zu erlangen. Und die Hunde könnten starke Verlustängste entwickeln, wenn sie einmal voneinander getrennt sind.

      Eine ernstere mögliche Schwierigkeit hängt mit Aggression zusammen. Obwohl es zu diesem Thema an veröffentlichten Forschungsergebnissen mangelt, deutet meine eigene Expertenerfahrung neben der vieler Kollegen auf die Tatsache hin, dass Geschwister zum Streiten neigen. Oft triezt der eine den anderen schon ab einem sehr frühen Alter, was sich lebenslang schädlich auswirken kann, oder sie kabbeln sich als Welpen und diese Streitereien werden beim Heranwachsen schlimmer. Unglücklicherweise sind sich manche Züchter und Auffangstationen dieser Tatsachen nicht bewusst und ermutigen Besitzer noch dazu, Geschwister zu nehmen. Aggression unter Geschwistern tritt nicht in jeder Situation auf. Aber wenn Wurfgeschwister streiten, insbesondere, wenn beides Hündinnen sind, kann die Situation sehr heftig und schwierig zu lösen sein.

      Die Rasse spielt bezogen auf das Temperament eines Hundes eine große Rolle. Angehörige derjenigen Rassen, die ursprünglich zum Kämpfen oder Beschützen gezüchtet wurden, sind wahrscheinlicher eher prädisponiert für eine Hund-zu-Hund Aggression als diejenigen, die gezüchtet wurden, um in Harmonie mit anderen Hunden zu leben oder um den Menschen zu begleiten. Natürlich wird die Tendenz zur Aggression selbst innerhalb einer Rasse individuell verschieden ausgeprägt sein. Dennoch sind manche Dinge genetisch bedingt. Sie sollten nicht erwarten, das genetisch festgelegte Wesen Ihres Hundes ändern zu können, genauso wenig, wie Sie von einem Menschen eine totale Persönlichkeitsveränderung erwarten würden. Was Sie zu ändern versuchen können, ist das Verhalten Ihres Hundes.

      Manch ein gutmeinender Besitzer bringt einen Welpen oder Junghund in der Hoffnung auf einen Verjüngungseffekt auf einen älteren, weniger energiegeladenen Hund nach Hause mit.

      Unglücklicherweise fühlt sich der Senior von dem jungen Rüpel oftmals angegriffen, weil der in den Frieden seiner goldenen Jahre eindringt. Er mag eine Lefze hochziehen oder den jüngeren Hund anknurren, um ihn abzuschrecken – was in einem Schnappen in die Luft oder einem Biss enden kann, wenn er das Gefühl hat, dass seine Botschaft nicht angekommen ist. Zieht sich der jüngere Hund dann nicht zurück, kann das einen Kampf zur Folge haben. Wir werden dieses Thema in dem Kapitel Halbstarke und Golden Oldies genauer untersuchen.

      Eine Kastration verhindert sowohl bei Hündin als auch bei Rüde deren Fortpflanzung. In den Vereinigten Staaten wird dieser chirurgische Eingriff ohne zu hinterfragen durchgeführt, meist bei noch sehr jungen Tieren. Vielzitiert sind die Vorteile bezüglich des Verhaltens. Bei männlichen Hunden kann das Kastrieren – obwohl es nicht immer so ist – den Drang zu markieren, zu streunen und Hündinnen zu besteigen schwächen. Diese Probleme lassen sich aber auch durch ordentliches Training und Beherrschung lösen. Aber noch viel wichtiger ist die Frage: Verringert das Kastrieren von Rüden Aggressionen? Kann es die Wahrscheinlichkeit verringern, dass er mit anderen Rüden kämpft? Dazu kommen wir gleich noch.

      Bei Hündinnen ist das Problem vielschichtiger. Sie werden ein oder zwei Mal im Jahr läufig. Vor und während der Läufigkeit (oder „Hitze“) werden viele Hündinnen empfindlicher und generell weniger geduldig und streiten somit eher. Falls es noch eine weitere Hündin im Haus gibt, können Kämpfe während dieser Zeit sehr heftig werden. Und natürlich könnten einem Rüden Aggressionen entgegenschlagen, wenn er die Hündin zu besteigen versucht. In Anbetracht dieser Herausforderungen (neben den lästigen Hygieneprobleme mit einer läufigen Hündin im Haus) entscheiden sich viele dafür, ihre Hündinnen kastrieren zu lassen.

      Aber bringt das Kastrieren in Bezug auf Aggressionsprobleme etwas? In manchen Fällen ist das so, in anderen nicht. Ich wünschte, es gäbe eine klare, einfache Antwort, aber Kastration ist ein schwieriges Thema, umso mehr, als dass es nur sehr wenig standardisierte, breit akzeptierte Forschungen dazu gibt. 1977 hat das Davis Veterinary Medical Teaching Hospital an der an der Universität von Kalifornien in einer Studie mit siebenundfünfzig Hunden herausgefunden, dass bei Rüden, die sich gegen ihre menschlichen und Hundefamilienmitglieder aggressiv zeigten, das Kastrieren nur bei 25% der Hunde geholfen hat, und ihr Verhalten verbesserte sich nur bei 50%.1) Die Forscher erklärten: „Kastration kann bei manchen Hunden Aggressionen effektiv mindern, aber bei weniger als einem Drittel kann eine deutliche Verbesserung erwartet werden.“

      Eine größer angelegte Studie, die von Deborah L. Duffy und James A. Serpell2) durchgeführt wurde, untersuchte eine zufällige Auswahl von 1.552 Hunden, die elf geläufigen Rassen angehörten sowie eine Stichprobenauswahl (basierend auf leichter Verfügbarkeit und Zugänglichkeit) aus über 6.000 Hunden, deren Besitzer eine Online-Umfrage ausgefüllt hatten. Die Forscher nutzten dabei den speziell entwickelten Fragebogen „C-BARQ“ (Canine Behavioral Assessment and Research Questionnaire), um den Einfluss von Kastration zu untersuchen. Die Ergebnisse des aus 101 Punkten bestehenden Fragebogens zeigten, dass es im Gegensatz zur landläufigen Meinung „kaum einen Beweis dafür gibt, dass Kastration eine effiziente Behandlungsmethode bei aggressivem Verhalten von Rüden ist und andere Verhaltensprobleme verschlimmern könnte.“

      In einer Masterarbeit am Hunter College mit dem Titel „Verhaltenstechnische und physische Auswirkungen von Sterilisation und Kastration bei domestizierten Hunden (Canis familiaris)“3) hat Parvene Farhoody den C-BARQ Fragebogen an einer Auswahl von 10.839 Hunden genutzt. Verhaltenscharakteristika von unkastrierten Rüden und Hündinnen wurden mit denen von kastrierten Hunden verglichen. Die Daten zeigten, dass „das Verhalten kastrierter Hunde sich deutlich von dem unversehrter Hunde unterschied, und zwar auf eine Art und Weise, die der vorherrschenden Meinung widerspricht. Laut den Forschungsergebnissen waren die kastrierten Hunde aggressiver, ängstlicher, leichter erregbar und weniger trainierbar als unkastrierte Hunde.“ Es gab einen deutlich höheren Aggressionsgrad bei kastrierten Hunden, unabhängig davon, in welchem Alter sie kastriert worden waren. Bei Hündinnen gab es bei denjenigen, die mit 12 Monaten oder früher kastriert worden waren, einen höheres Aggressionsniveau als bei den unversehrten Hündinnen. Ebenso besorgniserregend war das Forschungsergebnis dazu, dass bei 31% die Ängstlichkeit wuchs, und zwar sowohl bei Rüden als auch bei Hündinnen, Die meiste Aggression beruht auf Angst, und hier wurde ein Anstieg von 8% bei der Erregbarkeit gemessen. Kurz gesagt wird Kastration für die Besitzer aggressiver Hunde nicht das Allheilmittel sein, auf das sie vielleicht gehofft haben.

      Trotz der zuvor erwähnten Studien und Untersuchungen ist es eine Tatsache, dass wir dringendst neue, groß angelegte, gut kontrollierte Studien zu diesem Thema benötigen. Um das Ganze noch zu verkomplizieren – es gibt bereits viele Studien, die die Auswirkungen von Kastration auf die Gesundheit von Hunden in Frage stellen. Ich habe längst hinterfragt, warum die Vasektomie für Rüden und die Tubenligatur (das Abbinden der Eileiter) für Hündinnen nicht allgemein als Alternativen gesehen werden. Diese chirurgischen Eingriffe belassen die Vitalorgane intakt und ermöglichen weiterhin die Produktion von für die Entwicklung wichtigen Sexualhormone. Der Tierarzt Chris Zink hat eine ausgezeichnete Abhandlung verfasst4), in der er die Ergebnisse vieler Studien zur Kastration und Sterilisation zusammenfasst. Sie steht online zur Verfügung und ist eine hervorragende Quelle. Auch