Im Prinzip kann sich jeder selbst Trainer oder Verhaltensexperte nennen. Viele Trainer lehren Grundgehorsam, leiten Gruppenunterricht und bieten Einzelstunden zuhause an. Sie sprechen vielleicht Themen wie Sauberkeitstraining, das Anspringen von Gästen, Manieren daheim und so weiter an. Manche Trainer beschränken sich auf diese Art von Problemen, während andere auch komplexere Themen wie Aggression, Angst und Trennungsängste behandeln, die ein höheres Niveau an Verständnis von Hundeverhalten voraussetzen. Diese bezeichnen sich häufig als Verhaltensexperten oder Verhaltenstherapeut. (Auch diese Berufsbezeichnungen sind nicht geschützt. Es gibt jedoch diverse Schulen und Institute, die (nicht verpflichtende) Ausbildungen und Zertifikate anbieten, Anm. des dt. Verlages).
Außerdem gibt es noch Tierärzte mit der Fortbildung bzw. Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“. Hier handelt es sich um einen Veterinär, der eine spezielle Fortbildung mit einer Prüfung abgeschlossen hat. Unter den genannten Berufen (Trainer, Verhaltensexperte) ist der Tierarzt der einzige, der Medikamente verschreiben darf. Obwohl es nur allzu viele Trainer gibt, die sich selbst „Verhaltenstherapeut“ nennen, tragen sie diese Bezeichnung eigentlich zu Unrecht bzw. sie tragen damit zur Verwirrung bei. Mit einem verhaltenstherapeutisch ausgebildeten Tierarzt zu arbeiten muss aber nicht unbedingt nötig sein. Selbst dann, wenn Ihr Hund medikamentös behandelt werden muss, kann ein ausgebildeter Verhaltensexperte mit Ihrem Tierarzt zusammenarbeiten, um die Probleme anzupacken.
Wie finden Sie nun den richtigen Experten? Fangen Sie bei Ihrer Suche auf den Webseiten der im Anhang genannten Organisationen an. Mit deren Trainersuchfunktion können Sie nach einem Experten in Ihrer Gegend suchen, über Stadt, Postleitzahl und nach Entfernung. Befragen Sie jeden möglichen Kandidaten eingehend nach Berufserfahrung, Spezialgebieten, Menge an Erfahrung sowie Erfolg, die der Trainer schon bei der Arbeit mit zuhause streitenden Hunden gehabt hat. Fragen Sie auch – und das ist entscheidend – nach seinen Trainingsmethoden. Geben Sie sich nicht mit einem „wir arbeiten mit positiven Methoden“ zufrieden. Obwohl das ein guter Anfang ist, habe ich noch niemanden sagen hören „wir arbeiten mit negativen Methoden“, oder „wir zerren an ihrem Hund so lange herum, bis er aufhört!“.
Unglücklicherweise gehen manche Trainer mit unerwünschtem Verhalten so um, dass sie zu starker körperlicher Züchtigung greifen. Das kann vom harten Ziehen am Würgehalsband bis hin zu einem Stromstoß über ein Halsband gehen (letzteres ist in Deutschland verboten, Anm. des dt. Verlages). Diese Taktiken mögen zwar das Verhalten für den Augenblick beenden, doch das dahintersteckende Problem werden sie nicht beheben. Hinzu kommt, dass sie Stress, Frustration und weitere Probleme auslösen können.
Kämpfen zum Beispiel zwei Hunde miteinander, dann legen manche Trainer einem der Hunde ein sogenanntes Schockhalsband an (auch elektronisches Halsband, „Teletakt“ oder beschönigend „Erziehungshalsband“ genannt). Wenn der Hund den anderen Hund anschaut oder eine Bewegung in dessen Richtung macht, drücken sie auf die Fernbedienung und verpassen ihm so einen Stromstoß. Ich halte das nicht nur für keine gute Idee, sondern ich empfehle auch keine Schockhalsbänder. Ein Hund, der in dem Moment Schmerzen verspürt, wenn er einen anderen Hund anschaut, könnte den Schmerz direkt mit diesem Hund verbinden, was eine anhaltende negative Assoziation hervorrufen oder eine gar bereits bestehende verschlimmern könnte. (In Deutschland ist der Einsatz von Elektroschock-Halsbändern zwar verboten, aber das Gesagte gilt sinngemäß auch für zwar weniger drastische, aber trotzdem aversive Methoden wie Anspritzen mit Wasser, Werfen mit Ketten oder Klapperscheiben o.ä.).
Außerdem kann beim Einsatz von Bestrafungen einiges schieflaufen. Ich hatte einmal einen Kunden, dessen vorheriger Trainer ihn instruiert hatte, bei seinen kämpfenden Labradors Jake und Bailey Schockhalsbänder anzulegen. Eines Tages drückte der Mann aufs Knöpfchen der Fernbedienung, während Jake Bailey intensiv anstarrte. Als der Mann das nächste Mal auf den Knopf drückte, griff Jake ihn an. Der Mann wurde übel gebissen und die Probleme zwischen den Hunden eskalierten. Schmerzen haben keine Berechtigung im Hundetraining und können Ihre Hunde erheblich traumatisieren! Was Sie brauchen, ist ein moderner, aufgeklärter Trainer, der Ihnen herauszufinden helfen wird, welches genau die Auslöser bei Ihren Hunden sind (dank dieses Buches werden Sie diesbezüglich bereits einen Vorsprung haben). Und er wird einen Trainingsplan erstellen, um sich wirksam mit diesen Auslösern zu befassen – unter Einsatz von einfühlsamen, wissenschaftlich belegten Methoden. Scheuen Sie sich nicht, die Experten danach zu fragen, welches Handwerkszeug und welche Techniken sie genau anzuwenden oder nicht anzuwenden beabsichtigen. Gute Experten werden sich freuen, Ihnen Ihre Fragen zu beantworten. Sollten Sie bei jemandem aus irgendeinem Grund kein gutes Gefühl haben, suchen Sie weiter. Es gibt genügend gut informierte, gut ausgebildete und nette Experten, die sich freuen, Ihnen zu helfen.
Egal, ob Sie sich dazu entschließen, den Dienst eines Experten in Anspruch zu nehmen oder ob Sie die Dinge selbst angehen: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um anzufangen. Blättern Sie weiter und machen Sie sich auf den Weg, Harmonie zwischen Ihren Hunden und Frieden in Ihr Heim einkehren zu lassen.
1 Wrubel, Kathryn M., Moon-Fanelli, Alice A., Maranda, Louise S., and Dodman, Nicholas H. (2011). Interdog household aggression: 38 cases (2006–2007). Journal of the American Veterinary Medical Association, 238: 731–740
Zur Situation beitragende Faktoren
Es gibt eine große Bandbreite an Auslösern, die Hunde zum Kämpfen veranlassen. Ehe wir darüber nachdenken, was Aggressionen zwischen Ihren Hunden hervorruft, widmen wir uns einmal ein paar alltäglichen Faktoren, die zur Hund-zu-Hund-Aggression beitragen können.
Die schlimmsten Auseinandersetzungen, die ich während meiner vielen Jahre als Hundeverhaltensexpertin gesehen habe, waren die unter Hündinnen. Sicherlich kämpfen Rüden miteinander, aber obwohl das oft laut ist und furchterregend klingt, gibt es dabei nicht so viele körperliche Schäden wie unter Hündinnen – das typische Gerangel unter Rüden ist eher wie eine Wirtshausschlägerei zu betrachten. Wenn Hündinnen kämpfen, ist das oftmals leiser, dauert länger und ist deutlich intensiver. In der zuvor erwähnten Studie der Tufts Universität waren in 79% der Fälle von Aggressionen gleichgeschlechtliche Paare verwickelt. Bei 68% war ein Weibchen oder ein weibliches Paar dabei. Bei den rein männlichen Konstellationen konnte in 72% der Fälle nach einer Verhaltenstherapie eine Konfliktminderung nach Verhaltenstherapie beobachtet werden, während dies bei den rein weiblichen Konstellationen in nur 57% der Fall war. Diese Informationen gebe ich hier nicht weiter, um zu unterstellen, dass Rüden nicht in ernsthafte Kämpfe untereinander verwickelt werden können