Hansen. Paul Schaffrath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Schaffrath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783870623272
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über Hamburg importiert. War wahrscheinlich ein Geschäftspartner.«

      Roselski überging die Bemerkung seines Kollegen. »Haben Sie den Fahrer denn mal gesehen?«

      Frau von Eynatten schüttelte den Kopf. »Nie.«

      »Wissen Sie etwas über Weylers Baupläne?« Derenthal sah sie gespannt an.

      »Nur, daß er sein Lager nach rechts erweitern wollte, teilweise in unsere Gärten hinein. Aber es ging ihm nur um zwei, drei Meter auf den Nachbargrundstücken.«

      »Waren Sie denn bereit, ihm ein paar Quadratmeter abzugeben?« Roselski machte sich Notizen.

      »Schon, aber die Nachbarn nicht. Mir wird ja die Gartenarbeit immer schwerer.«

      »Also ging es um Weyler und Sie gegen die Nachbarn?«

      »Eigentlich nur gegen einen einzigen. Den anderen war das Ganze egal.«

      »Wie heißt er denn, der Nachbar?«

      »Diepensiefen. Der Bruder der Buchhalterin in Weylers Firma.«

       Keiner wäscht reiner

      Bonn, April 2019. Wie üblich meldete sich Krügers Mobiltelefon mit den Klängen von Geige und Schlagzeug. Das Wort Handy versuchte er nach Möglichkeit zu vermeiden, weil er es falsch und albern fand. Und Telefon altmodisch und korrekt mit ph zu schreiben, sah entschieden besser aus als mit ohne. Vor allem konterkarierte er damit die Möglichkeiten dieser technischen Errungenschaft, bei der das gesamte Wissen der Welt samt Bildern und Tönen jederzeit zur Verfügung stand und auf die nur ein Kunstwort des einundzwanzigsten Jahrhunderts paßte.

      Miss Marple krächzte etwas, jedenfalls die Titelmelodie der Filme, was an der Tatsache lag, daß Carmen das Handy versehentlich einmal mitgewaschen hatte. Der Buchstabe e bei der Abfassung einer SMS ging seitdem nicht mehr, was Krüger jedes Mal an Georges Perecs Roman Anton Voyls Fortgang erinnerte, der vollständig ohne das E ausgekommen war, im französischen Original wie in der deutschen Übersetzung.

      »Ja, ich bin’s«, sagte er etwas genervt.

      Seine Kollegen, die wußten, wen sie anriefen, trieben ihn seit Jahren mit der Anfangsfrage eines Anrufs – »Krüger, bist du’s?« – zur Weißglut.

      »Also, hast du etwas herausgefunden?« fragte er. Er hörte zu und schrieb mit der Rechten einige präzise Stichworte mit. Danach steckte er das Handy wieder ein.

      Schneider hatte die über den Lautsprecher des Telefons gut zu vernehmende Stimme sofort erkannt. »Helfen hier Haralds heutige Herausfindungen?« fragte er gestelzt, um mit dieser sprachlichen Volte Krüger eine Freude zu machen.

      Sein Freund jedoch konnte durchaus Blicke abfeuern, die einen Stapel Papier in Brand setzen würden. »Überlaß mal die guten Alliterationen den Fachleuten, Carmen als studierter Germanistin zum Beispiel. Um deine Frage zu beantworten: Hat er. Kaul findet immer etwas.« Er schwieg und trank einen großen Schluck aus der inzwischen zweiten Tasse Kaffee im »Lammé-Goedzak«. Das Herz mußte da durch, fand er. Man wuchs an seinen Herausforderungen.

      Das alte Spiel mit Kunstpausen langweilte Schneider schon längst. Er sagte gar nichts, sondern wartete einfach. Irgendwann würde sein Freund wohl weiterreden.

      Krüger aber füllte Zeile um Zeile im Notizbuch. Dann sah er auf und sagte: »Fünf Worte mit h hintereinander – das geht gar nicht. Haben hässliche Hasen Haßgefühle? Das ist ja noch einigermaßen sinnvoll, aber …« Er verstummte und sah an die Decke des Restaurants. »Warte mal.« Gedankenverloren steckte er die Kappe des Füllers in einen Mundwinkel und begann, darauf herumzukauen. Schließlich nahm er sie wieder heraus und fuhr fort. »Bei häßliche Hasen fällt mir die Buchhalterin—«

      »Na, na«, sagte Schneider. »Das kannst du heutzutage nicht mehr sagen und denken schon gar nicht. Genderbashing und so.«

      »Ich wollte dir nur meinen Einfall erklären«, verteidigte sich der Kriminalhauptkommissar und redete sich in Fahrt. »Versteh doch, wenn irgendeine der Frauen aus der Firma sich Hoffnungen auf einen Statuswechsel gemacht hat, indem sie zur Frau Weyler avanciert wäre, und wenn diese Hoffnungen sich in Staub aufgelöst hätten, sobald Weyler eine Freundin gehabt hätte, deren Existenz er der Firma verschwiegen hätte, und wenn—«

      »Was ist das denn für ein Satz?« unterbrach ihn sein Freund ein zweites Mal. »Viel zu verschachtelt. Ihr Hamburger macht doch sonst nicht so viele Worte.«

      Krüger lachte. »Du weißt doch, was ich meine. Mordmotiv. Eifersucht. Haß.«

      »Ein-Wort-Sätze sind auch nicht besser.«

      »Ich springe jetzt mal über meinen Schatten.«

      Schneider sah seinen Freund neugierig an.

      »Ich werde ab sofort für den Rest der Ermittlungen Grammatik-, Stil- und Ausdrucksfragen, die sich am Rande der Duden-Legalität und um mich herum bewegen, großzügig ignorieren und mich zur Gänze auf die Festnahme des Täters konzentrieren. D’accord

      Der jüngere Kommissar nickte etwas nachlässig. »Das hast du die letzten drei Jahre in regelmäßigen Abständen auch gesagt. Und was ist passiert? Gar nichts. Du kannst einfach nicht hinter dem Berg halten mit deinen grammatikalen Kenntnissen.«

      »Lassen wir das mal. Wir sollten uns auf das weibliche Umfeld des Opfers konzentrieren. Möglicherweise werden wir dort fündig.«

      »Und wenn er die Vertreter des schönen Geschlechts nur als Alibi benutzt hat und in Wirklichkeit schwul war?«

      Sein Chef war auch schon mal netter gewesen. Kaul starrte das Telefon an, bevor er es in die Halterung zurücksteckte. Dabei hatte er, der beste Computerfachmann im Polizeipräsidium – ab und zu konnte man sein Licht auch unter dem Scheffel hervorholen, fand er –, tatsächlich rasch wichtige Informationen zusammentragen können, wobei ihm wie immer die Trias aus Darknet, Internet und Tor bereitwillig zu Diensten gewesen war.

      Andreas Weyler besaß wirklich eine Menge Geld, sorgfältig verteilt auf diverse Konten – ein paar in Deutschland, zwei in der Schweiz und ein besonders dickes sogar auf St. Lucia. Kaul hatte nachschlagen müssen: Die Insel lag in der Karibik und war bei Kreuzfahrtreedereien beliebt. Moment mal. Kreuzfahrten? Da war doch was gewesen. Er klickte sich durch einige Seiten auf dem Bildschirm, bis er das fand, wonach er gesucht hatte. Interessant. Das Schiff mit dem bescheuerten Namen AIDAperla fuhr von Hamburg in die Karibik und steuerte dabei, für einige Reiseteilnehmer bestimmt wichtig, die eine oder andere kleine Steueroase an.

      Kaul klickte weiter und überflog die Zahlen auf Weylers Bonner Bankkonto. Hatte ihn seine Erinnerung doch nicht getrogen: Der Mann war doch tatsächlich inzwischen zweimal, 2012 und 2018, mit dem besagten Dampfer unterwegs gewesen und hatte St. Lucia besucht.

      Aber wo hatte Weyler das viele Geld denn her? Zwei Komma drei Millionen lautete der letzte Saldo auf einem Konto. Haben natürlich, nicht Soll.

      Nach einer weiteren halben Stunde gab Kaul auf, jedenfalls fürs erste. Weylers Konten wiesen ein Knäuel aus Bankverbindungen in alle Himmelsrichtungen und in aller Herren Länder auf – nun, nicht ganz, zumindest in mehrere Länder –, das auf Anhieb nicht zu durchschauen war. Die meisten Bewegungen trugen den Vermerk Wareneinkauf. Daß Kaffee aber beispielsweise in Rumänien angebaut wurde, war Kaul neu.

      »Das riecht nach Geldwäsche«, sagte Schneider, der inzwischen den Inhalt von Kauls Anruf mit seinem Freund besprach.

      »Da kann gar nichts mehr riechen«, widersprach Krüger, »falls das Geld ordentlich gewaschen worden ist.«

      »Krüger!« Auch Schneider konnte drohend gucken. »Er kann’s nicht lassen, oder? Eben hast du noch gesagt—«

      »Wirklich, Markus, mich mittels Filmtiteln zu diskreditieren. Ich hätte Besseres erwartet. Außerdem