Hansen. Paul Schaffrath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Schaffrath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783870623272
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von allem Unsinn abläßt.«

      »Well, I’ll do my very best

      Wider Willen mußte Schneider doch lachen. Dann wurde er wieder ernst. »Wenn wir es tatsächlich mit Geldwäsche zu tun haben, dann können die Kollegen vom KK 22 aber ihre Wochenenden vergessen.«

      »Und die vom KK 21 auch.«

      »Meinst du denn, daß die Mafia mit im Spiel ist, wir es also mit organisierter Kriminalität zu tun bekommen, wenn wir weiterforschen?«

      »Keine Ahnung. Aber es sieht doch danach aus, oder?«

      »Du meinst, wegen der Geldbeträge auf Weylers Konto?«

      Krüger nickte. »Und mit Kaffee hat die Mafia sicher auch zu tun. Denk nur mal an die vielen Espressi, die sie jeden Morgen ausschenkt.«

      »Du hörst einfach nicht auf, oder?« Schneider stand auf. »Ich gehe jetzt und tue noch etwas Sinnvolles.« Der Kriminalkommissar warf seinem Freund einen etwas verärgerten Blick zu und verließ das Lokal.

      Krüger starrte ihm verblüfft nach.

      Carmen hatte bereits den Tisch gedeckt, als der Kommissar nach Hause kam, etwas stiller als sonst, seine Lederjacke schief über einen der Küchenstühle hängte, wortlos ins Wohnzimmer ging und den Whisky aus der Bar holte. Mit zwei Fingerbreit setzte er sich auf seine Seite des Sofas und griff nach dem Guardian, den sich seine Freundin luxuriöserweise hielt. Die Titelseite beschäftigte sich mit einer weiteren Abstimmungsniederlage der Premierministerin im Parlament und hob die besondere Rolle hervor, die dem Sprecher des Unterhauses dabei zugekommen war. Krüger wünschte sich manchmal auch einen Speaker in seinem Leben, der mittels »Order. [Pause] Order!« jeden zur Räson bringen konnte.

      »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?« Carmen betrachtete ihn mitfühlend.

      Krüger täuschte sich vielleicht aber auch. Wahrscheinlich war das nur die Ruhe vor der nächsten Breitseite.

      Sie fixierte sein Glas. »Wolltest du sie ertränken? Die Laus, meine ich.«

      Seine Laune besserte sich mit jedem ihrer Sätze. Zu zweit zu sein war doch etwas Feines. Und Breitseiten von Carmen lohnten sich, sprachlich wie inhaltlich.

      Der Kommissar berichtete von dem Mord an dem Inhaber der Kaffeerösterei, vom Praktikanten und von den anstrengenden Befragungen der Angestellten. Den Besuch im »Lammé-Goedzak« ließ er lieber weg. Dann gähnte er plötzlich.

      »Wieder nur Kaffee tagsüber, stimmt’s?«

      Krüger nickte nur.

      »Ich hab schon mal einen Salat gemacht. Dazu gibt’s Baguette. Ist alles fertig.«

      Hungrig, wie er gerade war, würde Krüger alles essen, auch Carmens Vitamine, die sich merkwürdigerweise immer nur in Salaten und anderem Grünzeug aufhielten.

      Beim Essen referierte seine Freundin ihren Tag im Sekretariat der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Bonner Universität, ein Tag wie jeder andere.

      Ihr Freund war aber mit seinen Gedanken woanders. Unvermittelt holte er sein Notizbuch hervor und blätterte, bis er das Gesuchte fand. Dann fragte er: »Wenn du eine Menge unredlich erworbenes Geld besäßest, wo würdest du es aufheben?«

      Carmen legte ihren Kopf schief. »Geld? Natürlich in der Karibik. Also nicht im Wasser, sondern—«

      »Schon klar. Würdest du es auf ein dortiges Konto überweisen?«

      »Nee, würde ich nicht. Dann könnte man die Transaktion doch rückverfolgen, oder?«

      »Könnte man.«

      »Ich würde es wahrscheinlich in bar dorthin bringen.«

      Krüger notierte sich etwas.

      »Und ich hätte es mir zuvor in bar geben lassen. Wegen Rückverfolgen und so.«

      Die nächste Zeile folgte.

      »Wenn ihr aber Kontenbewegungen in die Karibik findet, würde ich den Geldtransfer heutzutage für legal halten. So blöd ist doch niemand, daß er den Steuerfahndern ein offenes Scheunentor bietet. In der Karibik parkt doch jeder x-beliebige Strohkopf seinen Schotter.«

      Carmen konnte Gedanken lesen, das wußte der Kommissar schon lange. Daher erstaunte es ihn auch nicht sonderlich, daß seine Freundin längst von Kauls Untersuchungsergebnissen wußte.

      »Das heißt«, sie warf Krüger einen forschenden Blick zu, »ihr wißt von Geld und habt die Konten dazu?«

      »Wissen wir und haben wir.«

      »Hast du mal überprüft, ob der Röstereibesitzer alles nur geerbt hat?«

      Krüger blickte überrascht auf. »Von Eltern oder anderen Erblassern war nirgends die Rede.« Sein Blick verlor sich wieder im Nirwana.

      Carmen wußte, daß das ein wunder Punkt war, weshalb sie beschwichtigend eine Hand auf Krügers Unterarm legte.

      Aber ihr Freund war heute nicht aus der Ruhe zu bringen. »Wie bei mir vaterlosem Gesellen«, sagte er nur. Nachdenklich sah er sie an. »Manchmal wüßte ich immer noch gerne, wer mein Vater gewesen ist. Mutter hat ja nie etwas gesagt.«

       Genuß im Stil der neuen Zeit

      Hamburg, März 1963. Im Lagerhaus roch es nach Kaffee, ein fast überwältigender Geruch, der alle anderen Sinne betäubte. Mit seiner Mutter trank Claus morgens immer Tee, aber vielleicht mußte er diese Gewohnheit nun ändern. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er sah sich um.

      Große Kaffeesäcke verdeckten die Bodenfliesen mit ihren bunten Mustern. Eine Handkarre blockierte eine Tür mit dem Schriftzug Registratur; weiter hinten führte eine Treppe in den ersten Stock. Die Wände waren in einem hellen Braunton gestrichen; das untere, mit dunkelbraunen Holzbrettern vertäfelte Drittel glänzte matt. Zu sehen war niemand.

      »Herr Konrad, 1. Stock« hatte es auf dem Schild geheißen. Claus nahm seinen Mut zusammen und betrat die unterste Treppenstufe, die leise knarrte. Langsam ging er nach oben.

      Im ersten Geschoß sah es ähnlich nüchtern aus wie im Parterre: ein Holzfußboden, gedeckte Wandfarben, braune Türen, in die des Lichts für den Flur wegen Fenster eingelassen waren, ein großes Schwarzes Brett, auf dem neben einem Hinweis auf ein Orgelkonzert im Michel nur Aushänge der Firmenleitung befestigt waren, ein Rollwagen mit Aktenordnern, ein Schirmständer aus einem Elefantenfuß, der einen schwarzen Herrenschirm enthielt, ein—

      »Kann ich dir helfen?«

      Leise hatte sich hinter Claus eine Tür geöffnet. Erschrocken drehte er um, als wäre er ertappt worden, weil er sich hier nicht aufhalten dürfe. »Äh, ja, ich suche …, Herr Konrad …« Er stotterte und schwieg wieder, von sich selbst enttäuscht.

      »Du hast das Schild unten gelesen, nicht wahr?« fragte der Herr. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit Weste, aus deren rechter Seitentasche eine goldene Uhrkette zu einem der Knopflöcher führte. Seine Schuhe waren blank poliert.

      Claus nickte. »Ich dachte, vielleicht …« Die imposante Gestalt seines Gegenübers schüchterte ihn ein. Wahrscheinlich hatte er sein Glück längst verspielt. Er riß sich zusammen. »Sie suchen jemanden für Lagerarbeiten, oder?«

      »Die Firma, nicht ich persönlich. Wie heißt du denn?«

      »Claus Möller.«

      »Ein schöner Name«, sagte der Herr und streckte die Hand aus. »Petersen. Harry Petersen.«

      Claus wurde blaß. Direkt dem Chef in die Arme zu laufen …

      »Keine Sorge. Du siehst aus, als ob du arbeiten willst und nicht mußt, nur weil jemand aus deiner Familie denkt, du seiest für die ausgesuchte Arbeit geeignet. Was hast du denn bisher gemacht?«